"Sie haben das Drehbuch für den Kalten Krieg wieder heraus gekramt"

Glenn Greenwald über Snowden und Assange, Trump und Russland sowie die Berichterstattung der US-Medien

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In dem Gespräch, das Zain Raza von acTVism Munich mit dem investigativen Journalisten und Mitbegründer von The Intercept geführt hat, berichtet Glenn Greenwald, dass es Edward Snowden im russischen Exil gut gehe. Er lebe dort viel freier, als er erwartet habe. Erbärmlich findet er die Haltung Deutschlands und anderer Staaten, die sich weigern, mit ihm zu sprechen, geschweige denn politisches Asyl anzubieten:

"Viele Regierungen auf der ganzen Welt haben enorm vom Mut Edward Snowdens profitiert, nicht nur in Deutschland, sondern auch hier in Brasilien, wo ich lebe. Es gab eine Unzahl von Enthüllungen, die zeigten, wie die USA und ihre Partner, darunter Kanada und Großbritannien, die Wirtschaft, den Staat und die Bevölkerung Brasiliens ausspioniert haben, genau wie in Deutschland und genau wie in den meisten anderen westeuropäischen Ländern. Und doch hatte kein einziges Land die Prinzipien oder den Mut, mit der Lage so umzugehen, wie es nicht nur der Anstand, sondern auch das normale Recht gebieten, nämlich Edward Snowden Asyl anzubieten und ihn vor Verfolgung in den USA zu schützen - außer Russland."

Seit dem Wahlkampf 2016 ist nach Greenwald das Ansehen von Julian Assange gekippt. Von den Linken und Liberalen werde er ebenso nicht mehr unterstützt wie von vielen Medien: "Die Unterstützung der Medien ist für ihn so gut wie verschwunden, da sie ihn nun nicht mehr als neutralen oder gegen die Republikaner agierenden Whistleblower betrachten, sondern als jemanden, der Trump nützt - oder sogar als Handlanger der russischen Geheimdienste." Das mache es viel schwieriger, eine Auslieferung von Assange an die USA zu verhindern.

Die Mueller-Ermittlungen hätten bislang auch noch keine Beweise für eine Verschwörung eines US-Bürgers oder Trump-Mitarbeiters mit Russen bei den Wahlen von 2016 vorgelegt. Und während die großen US-Medien sich bemühen, die Falschaussagen von Donald Trump zu entlarven, hält Greenwald den Finger auf die vielen Stories, die von den Medien veröffentlicht werden und sich als falsch erwiesen haben. Er schreibe gerade an einem Artikel über die "zehn peinlichsten Medien-Blamagen in Bezug auf Trump und Russland".

"Es gab da zum Beispiel Sachen wie in der Washington Post, wo behauptet wurde, Russland habe das US-Stromnetz gehackt und sei nun imstande, den Menschen im Winter den Strom abzuschalten, und die ganze Geschichte stellte sich als kompletter Unsinn heraus." Die Stories würden über die ganze Welt verbreitet, auf die Dementis achte dann kaum mehr jemand. Gleichwohl schwinde das Vertrauen in die Institutionen der herrschenden Klasse auf der ganzen Welt.

Eine Lösung für das Dilemma hat Greenwald auch nicht, es müsse weiter versucht werden, die Gründe herauszuarbeiten, die die Menschen dazu treiben, Trumps oder Bolsonaros zu wählen, vor allem aber müssten politische Alternativen entwickelt und attraktiv gemacht werden:

"Solange wir uns also nicht fragen, was an der von der herrschenden Klasse gepflegten Philosophie des Neoliberalismus und Militarismus so viele Menschen so verzweifeln lässt und wütend macht, dass sie sich Extremisten und Scharlatanen und Hochstaplern und Betrügern zuwenden, nur weil diese sich außerhalb der bestehenden Machtstruktur verorten - solange wir uns diese Frage nicht sehr ernsthaft und konstruktiv stellen, um herauszufinden, wie wir das verändern können, können wir natürlich mit den Füßen stampfen, so viel wir wollen, und jeden, der diese Leute unterstützt, als Rassisten oder Faschisten bezeichnen oder aufgeregt demonstrieren."

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