Wenn Rechte und Rechtsradikale zum Sturz der Regierung antreten

Bild: jcm850/CC BY-SA-3.0

In Madrid floppte der Protest von Rechtsparteien mit Rechtsradikalen und Faschisten gegen den Dialog mit Katalonien

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Nun standen sie auch gemeinsam auf einer Bühne, die beiden Parteiführer der rechten Volkspartei (PP) und der Ciudadanos (Bürger/Cs) mit dem Chef der rechtsradikalen VOX, und haben zum Sturz der spanischen Regierung unter Pedro Sánchez aufgerufen. Das Motto der Demonstration war klar: "Für ein geeintes Spanien, Wahlen jetzt."

Nach Angaben der Nationalpolizei sollen sich 45.000 Menschen in der Hauptstadt Madrid versammelt haben. Zu dem Protest haben neben den drei Parteien auch Faschisten und Neonazis wie die Falange, España 2000 oder Hogar Social aufgerufen.

Der Vorwand war, dass sich Sánchez zaghaft auf den Dialog mit den Katalanen einlassen wollte, um seinen Haushalt zu retten. Das führte zu massiven und respektlosen Ausfällen gegenüber dem Sozialdemokraten, der von den Chefs der Cs, PP und VOX dafür als "größter Verräter" und "Schwerverbrecher" beschuldigt wurde. Er habe sich sogar des "Hochverrats" schuldig gemacht, weil er als Politiker das tut, was seine Aufgabe ist.

Dialog als Hochverrat

Der neue PP-Chef Pablo Casado tat sich besonders mit einem Stakkato der Beleidigungen hervor. Hochverrat soll es in Spanien sein, was überall in der Welt die übliche Form ist, um Konflikte zu lösen. Besonders peinlich ist aber, dass sich auch der ehemalige sozialdemokratische Minister José Luis Corcuera nicht zu schade ist, gemeinsam mit solchen Leuten zu demonstrieren.

Dass sich auch der ehemalige französische Premierminister Manuel Valls nicht mehr geziert hat, nun mit dem äußersten rechten Rand auf die Straße zu gehen, kritisiert sogar die konservative französische Zeitung Figaro. Noch vor kurzem hatte sich der Kandidat der Cs für das Bürgermeisteramt im katalanischen Barcelona gemäßigt gegeben und das Bündnis mit VOX in Andalusien als "politischen Irrtum und moralischen Fehltritt" bezeichnet.

Nun twitterte er, auch nach den Aufrufen von Neonazis, er wolle "ohne Komplexe" in diesem "historischen Augenblick" die "Einheit Spaniens verteidigen". Er veröffentlichte auch Bilder, auf denen er neben dem Cs-Chef Albert Rivera zu sehen ist. Doch aufs Podium wollte er nicht mit Rivera, Casado und dem VOX-Chef Santiago Abascal, um wenigstens noch ein wenig Abstand zu den Ultrarechten zu halten.

Das vordergründige Ziel hatten die Organisatoren dieses Protests ohnehin schon erreicht. Sie hatten auch innerhalb der Sozialdemokraten (PSOE) eine neue kleine Revolte von Regionalfürsten gegen den Parteichef angezettelt. Das hatte Sánchez schon längst dazu gebracht, den zaghaften Dialog mit den Katalanen wieder abzubrechen, als es um die Frage ging, wie der Dialog ausgestaltet werden könne und wer der "Vermittler" sein könnte.

Casado: "Wir können nicht weiter versuchen, die zu integrieren, die uns zersetzen wollen"

Der PP-Chef Casado erteilte am Rand des Protests nun sogar dem Versuch der Reintegration von mehreren Millionen Katalanen eine Absage, die die Unabhängigkeit von Spanien wollen: "Wir können nicht weiter versuchen, die zu integrieren, die uns zersetzen wollen."

In einem gemeinsamen Manifest, das von drei Journalisten verlesen wurde, wird ein Bezug zu den Prozessen gegen ehemalige katalanische Regierungsmitglieder und Aktivisten wegen angeblicher Rebellion hergestellt, der am Dienstag beginnen wird. Sánchez warfen PP, Cs und VOX dem Verfahren am Obersten Gerichtshof "dauernde nicht tolerierbare Zugeständnisse" vor. Dabei hat das Ministerium für Staatsanwaltschaft sogar die Anklagen wegen Rebellion und Aufruhr aufrechterhalten, obwohl deutsche Richter dafür keinen Beweis sahen und deshalb die Auslieferung von Carles Puigdemont verweigerten.

Vor Gericht stehen für die Rechten ab Dienstag die "Verantwortlichen für einen Bruch mit der verfassungsmäßigen Ordnung im Oktober 2017". So wird im Manifest auf das Referendum und die Unabhängigkeitserklärung angespielt. Dabei wird diese Behauptung auch durch die dauernde Behauptung nicht richtiger. So sagt der ehemalige Richter am Obersten Gerichtshof Adolfo Prego: "Im heutigen Spanien ist es kein Delikt, wenn ein Regionalparlament die Abtrennung oder die Unabhängigkeit seines Territoriums erklärt."

Dazu kommt, dass Spanien 1977 mit der Veröffentlichung im Gesetzesblatt die UN-Sozialcharta in nationales Recht übernommen hat. Und dort steht unzweideutig: "Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status. und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung."

Ohnehin kann man sagen, dass dieser Protest gegen die Regierung ein Reinfall war. Hoch geschätzte 45.000 Menschen in der Hauptstadtregion zu versammeln, in der fast so viele Menschen wie in ganz Katalonien leben, ist dürftig. Nimmt man hinzu, dass die Teilnehmer aus ganz Spanien mit Gratis-Bussen nach Madrid verfrachtet wurden, wird das Scheitern besonders deutlich. Angesichts von Demonstrationen in Katalonien, wo immer wieder ein bis zwei Millionen Menschen auf die Straße gehen, spricht die spanische Rechte gern von der schweigenden Mehrheit. Die hat sich jedenfalls nicht für eine Demonstration gegen die Regierung und gegen den Dialog mobilisieren lassen.

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