M5S verbündet sich für Europawahl mit Anti-Establishment-Parteien aus Polen und Kroatien

Plenarsaal des EU-Parlaments in Straßburg. Foto: Diliff. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Luigi Di Maio erteilt Wahlzusammenarbeit mit französischen Gelbwesten eine Absage

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Zwischen dem 23. und 26. Mai 2019 finden die nächsten Europawahlen statt. Sie werden unter anderem deshalb für massive Veränderungen bei den Fraktionen im Europaparlament sorgen, weil die Parteien aus dem nach Einwohnern gerechnet drittgrößten EU-Land, dem Vereinigten Königreich, durch den Brexit voraussichtlich wegfallen. Nach der letzten Europawahl waren von dort 19 Tory-, 20 Labour- und 24 UKIP-Abgeordnete sowie zehn weitere Mandatsträger von Regionalparteien und kleineren Gruppierungen in das Europaparlament eingezogen.

Die potenziell größten Veränderungen ergeben sich dadurch in der Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD), in der die UKIP-Abgeordneten anfangs 24 der 48 Abgeordneten stellten. Um als Fraktion anerkannt zu werden, sind mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens sieben Ländern nötig. Die mit anfangs 17 und jetzt 14 Abgeordneten zweitgrößte Fraktion in der EFDD, die italienische Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), hat sich deshalb auf die Suche nach neuen Bündnispartnern aus anderen Ländern gemacht, die sie am Wochenende der Öffentlichkeit präsentierte.

Di Maio: "Keinen Dialog mit Personen, die von Bürgerkrieg und bewaffneten Kampf sprechen"

Einer davon ist die nach dem Rockmusiker Paweł Kukiz benannte Kukiz'15-Bewegung, die bei den letzten polnischen Parlamentswahlen aus dem Stand drittstärkste Kraft wurde. Sie spricht sich vor allem gegen Parteien und für ein Mehrheitswahlrecht aus. Ein weiterer Partner ist die Živi zid, die viertstärkste Gruppierung im kroatischen Parlament. Diese "Lebende Mauer" präsentiert sich als Schutzpartei vor Zwangsräumungen und Banken. Korrupte Privatisierungsgewinnler sollen den Forderungen von Živi Zid nach vor Gericht gestellt werden. Außerdem will die Gruppierung, die als eher EU-skeptisch gilt, Zuzahlungen im Gesundheitswesen und Fernsehgebühren abschaffen (vgl. Kroatien: Wahlgewinner HDZ sucht Koalitionspartner).

Dritter neuer Bundesgenosse ist die finnische Liike Nyt, die libertär beeinflusste "Bewegung jetzt" - eine Abspaltung der in Helsinki mitregierenden "Sammlungspartei" Kansallinen Kokoomus. Ob sie einen oder mehrere der insgesamt 13 finnischen Abgeordneten stellen wird, ist offener als bei der Kukiz'15 und der Živi Zid. Gleiches gilt für die Akkel, die griechische Viehzüchterpartei, die der M5S-Capo Luigi Di Maio als vierten europäischen Bündnispartner seiner Bewegung präsentierte. Keine Wahlzusammenarbeit wird es seinen Angaben nach mit den französischen Gelbwesten geben. Vorher hatte er sich außer mit einigen Kandidaten der dortigen "Gelben Liste" auch mit dem umstrittenen Christophe Chalençon getroffen (vgl. Gelbwesten: Prinzipielle Ablehnung einer Parteigründung). Er führe, so Di Maio danach, "keinen Dialog mit Personen, die von Bürgerkrieg und bewaffneten Kampf sprechen".

Christ- und Sozialdemokraten müssen mit massiven Verlusten rechnen

Die zwei bis vier Parteien aus anderen Ländern, die der M5S mit diesem Wahlbündnis noch fehlen, werden sich womöglich nach der Wahl finden, wenn Berührungsängste zugunsten umfangreicherer Beteiligungsmöglichkeiten hintan gestellt werden. Der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker schließt nach eigenen Angaben außerdem nicht aus, dass britische Parteien wegen der Brexit-Verzögerungen doch noch einmal an der Europawahl teilnehmen. In diesem Fall könnte der ehemalige UKIP-Vorsitzende Nigel Farage mit seiner neu gegründeten Brexit Party (der sich bereits sieben der UKIP-Parlamentarier anschlossen) erfolgreicher sein als seine alte Partei und erneut mit der M5S zusammenarbeiten.

Einer bereits im November durchgeführten aber erst jetzt veröffentlichten Umfrage unter 1.519 Deutschen und weiteren 25.905 Bürgern aus anderen EU-Mitgliedsländern nach wird die Europawahl aber nicht nur Auswirkungen auf die EFDD-Fraktion haben: Danach müssen die Sozialdemokraten von der S&D-Fraktion damit rechnen, nicht bloß die 20-Labour-Abgeordneten, sondern weitere 31 Abgeordnete aus anderen Ländern einzubüßen. Unter anderem in Frankreich und den Niederlanden, wo die Sozialdemokraten bei den letzten Parlamentswahlen im mittleren einstelligen Bereich landeten, aber auch in Deutschland, wo die SPD nur mehr mit 15 statt bisher 27 Abgeordneten rechnen darf (was allerdings auch einer Verkleinerung des Parlaments durch den Brexit geschuldet ist).

Die christdemokratische EVP-Fraktion schrumpft dieser Umfrage zufolge sogar von 217 auf 183 Abgeordnete, obwohl die wegfallenden britischen Tories ihr ohnehin nicht angehörten. Diese Schrumpfung um 34 Abgeordnete geht unter anderem auf das Konto der spanischen PP und der deutschen Union. Die PP wird viele Wähler an die Ciudadanos verlieren, die sich der 68-köpfigen liberalen ALDE-Fraktion angeschlossen haben, weshalb letztere auf sieben Sitze mehr hoffen darf.

Ein größerer Gewinn von 37 auf 59 Sitze wird der Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) vorhergesagt. Ihr steht außerdem eine Verschiebung des inneren Kräfteverhältnisses bevor, weil die italienische Regierungspartei Lega mit einer prognostizierten Steigerung von fünf auf 21 Sitze den bislang dort tonangebenden französischen Rassemblement National (RN) überholen könnte.

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