Kann der Öko-Landbau Europa ernähren?

Biobauernhof Schloßbauer Hafning bei Trofaiach in Österreich. Bild: Obersteirer/ CC BY-SA 3.0

Mehrere aktuelle Studien vergleichen die Effekte von Öko- und konventionellem Anbau miteinander

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Der ökologische Landbau liefert weniger Ertrag pro Hektar als der konventionelle Landbau. Um die gleiche Menge an Lebensmitteln ökologisch zu erzeugen, müsse mehr Land genutzt werden, so heißt es in einer Studie eines internationalen Forscherteams, die im Dezember 2018 im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht wurde.

"Wenn wir mehr Land für die gleiche Menge an Nahrungsmitteln verwenden, tragen wir indirekt zu einer stärkeren Abholzung tropischer Regenwälder bei", erklärt der schwedische Wissenschaftler Stefan Wirsenius, einer der Autoren. Dies wirke sich schlecht auf das Klima aus.

Eine Behauptung, die auf falschen Annahmen beruht: S wird der Regenwald für den Anbau von Soja abgeholzt, das in Europa an Nutztiere in konventioneller Haltung verfüttert wird. Das hat was mit dem Fleischhunger der Bewohner der Industrieländer zu tun. Die steigende Nachfrage nach Palmöl führt dazu, dass Urwälder Palmölplantagen weichen müssen.

Wertvolles Buschland und Urwald wird gerodet, um schnell wachsende - zum Teil genmanipulierte - Eukalyptusbäume anzupflanzen. Nicht zuletzt beschleunigt der Handel mit Tropenholz für Möbel und Zellstoff die Abholzung der Urwälder. Das sind die wichtigsten Ursachen für die Vernichtung von Regenwald. Der Ökolandbau in Europa gehört sicher nicht zu diesen Ursachen.

Anfang 2018 werteten Dr. Eva-Marie Meemken und Prof. Matin Qaim von der Universität Göttingen rund 150 Einzelstudien und Meta-Analysen zu den Effekten des Ökolandbaus in unterschiedlichen Teilen der Welt aus. Umwelt- und Klimavorteile des Ökolandbaus würden sich relativieren, da wegen geringerer Erträge mehr Land verbraucht werde, heißt es auch hier.

In einer chemikalienbasierten Landwirtschaft hingegen sehen die Wissenschaftler auch keine nachhaltige Alternative. Stattdessen befürworten sie eine "intelligente Kombination aus beidem" - produktive und umweltfreundliche Systeme - die an den jeweiligen Standort angepasst sind. Dabei sollten auch moderne Technologien berücksichtigt werden.

Hoher Tierbesatz belastet das Grundwasser

Das Hauptproblem der beiden oben genannten Studien besteht darin, dass sie sich nur einseitig auf den Ertrag pro Ackerfläche beziehen. Viele andere Bezugsgrößen werden ausgeblendet. Zum Beispiel der Wasserschutz: Je nach Verschmutzungsgrad sind die Kosten für die Aufbereitung von Trinkwasser mehr oder weniger hoch. Von ökologisch bewirtschafteten Äckern werden weder Nitrat oder synthetische Pflanzenschutzmittel noch Rest-Medikamente aus den Tierställen ins Grundwasser gespült.

Deshalb ist aus Sicht der lokalen Wasserversorger jeder Hektar, der auf Bio umgestellt wird, ein Gewinn. Nicht umsonst wird in Wassereinzugsgebieten wie Leipzig oder München der Ökolandbau gefördert: Wegen der geringen Nitratbelastung sind auch die Kosten für die Trinkwasseraufbereitung gering.

Eine hohe Nitratbelastung des Grundwassers ist besonders in den viehstarken Regionen im Nordwesten ein Problem. So wird in Niedersachsen der Grenzwert für Nitrat von 50 mg pro Liter an 38 Prozent aller niedersächsischer Messstellen deutlich überschritten. Der Stickstoffüberschuss liegt aktuell bei 70.000 Tonnen, der von Phosphor bei 30.000 Tonnen.

Trotz der alarmierenden Nährstoffüberschüsse wurden bisher selten Tierbestände reduziert, um das Grundwasser zu entlasten. Die Aufbereitungskosten für Trinkwasser sind von den Steuerzahlern vor Ort zu tragen.

Bioböden binden mehr Kohlenstoff

Der ökologische Landbau schützt nicht nur Boden und Klima. Die auf Biobetrieben artgerechte Tierhaltung wird dem Tierwohl am ehesten gerecht. Zu diesem Schluss kommt eine umfangreiche Meta-Studie am staatlichen Thünen-Institut und sechs weitere Forschungsorganisationen, die die Leistungen von Ökolandbau und konventioneller Landwirtschaft für Umwelt und Gesellschaft miteinander verglichen.

Grundlage war eine umfassende Analyse von mehr als 500 Studien mit rund 2.800 Einzelvergleichen von ökologischen und konventionellen Biobetrieben, neben 30 Jahren Forschungsarbeit im Ökolandbau. 22 Wissenschaftler bewerteten anhand von 33 Indikatoren Wasserschutz, Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität, Klimaschutz und -anpassung, Ressourceneffizienz und Tierwohl. Bei 26 Indikatoren punktet der Ökolandbau mit höheren Leistungen für Umwelt und Gesellschaft, bei sechs sind die Leistungen von bio und konventionell immerhin vergleichbar.

Bei 56 Prozent der untersuchten Biobetriebe war die Bodenfruchtbarkeit höher als auf vergleichbaren konventionellen Betrieben. Auf 62 Prozent war der Oberboden weniger übersäuert. Die Regenwurmpopulationen in den Ackerböden war bis zu 94 Prozent höher, die Artenvielfalt der Ackerflora war um 95 Prozent und die Anzahl der Feldvogel-Arten um bis zu 35 Prozent höher.

Ökologisch bewirtschaftete Böden enthalten um zehn Prozent mehr organischen Bodenkohlenstoff. In gemäßigten Klimazonen entweichen aus Bio-Böden weniger Treibhausgase. Das von Pflanzen aufgenommene Kohlendioxid ist dauerhaft im Humus festgelegt. Die Böden nehmen schneller Wasser auf und speichern es effizienter. Das ist sowohl bei Starkregen als auch bei langen Dürreperioden von großem Nutzen. Auch im Hinblick auf Stickstoff- und Energieeffizienz ist der Ökolandbau im Vorteil.

Weniger Tiere in Stallhaltung - dafür mit mehr Weidegang

Nur wenige Studien, die im Rahmen der Thünen-Meta-Studie ausgewertet wurden, berücksichtigten zusätzliche Dimensionen des Tierwohls. Doch den wenigen war zu entnehmen, dass die artgerechte Tierhaltung sich vorteilhaft auf das emotionale Befinden der Tiere auswirkt. Kein Wunder, haben doch die Tiere mehr Platz im Stall und mehr Auslauf.

In der eingangs genannten Studie, an der auch der Deutsche Tim Beringer beteiligt war, wurden keinerlei speziellen Untersuchungen zur Tierhaltung vorgenommen. Trotzdem gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die biologische Fleisch- und Milchproduktion aus klimatischer Sicht schlechter abschneidet als konventionell hergestellte Erzeugnisse - mit immer derselben Begründung: Für die Herstellung von Öko-Futter werde mehr Land verbraucht als für konventionelles Futter.

Dabei wird vergessen, dass auf Biobetrieben viel weniger Nutztiere gehalten werden als in Intensivmastställen. Das Soja, mit dem die Tiere in konventioneller Haltung gemästet werden, wächst auf südamerikanischen Böden, auf denen vorher Regenwald stand. Die Rodung der Urwälder für den Soja-Anbau schreitet bis heute ungehindert fort.

Außerdem ist die Tierhaltung im Ökolandbau flächengebunden, das heißt, es darf nur eine bestimmte Zahl von Tieren pro Hektar geben, so dass Pflanzenbau und Tierhaltung sich ergänzen. Der Tierdung soll die Fruchtbarkeit der Böden erhöhen.

Der Einsatz von Tierarzneimitteln unterliegt strengeren Restriktionen. Trotz minimaler Anwendung von Medikamenten sind Öko-Tiere häufig gesünder als Tiere aus Intensivmast. Das mag auch an den robusten Rassen liegen, die sich bestens für den Weidegang eignen. Das Leben an der frischen Luft macht sie widerstandsfähiger gegen Krankheiten.

Im Gegensatz zu Ackerstandorten, aus denen viel mehr Kohlendioxid entweicht, sind Wälder, Wiesen und Weiden übrigens wertvolle Kohlenstoffsenken. Denn durch regelmäßige Beweidung bildet sich bei den Weidepflanzen ein verzweigtes Wurzelsystem aus. Mehr Wurzeln wiederum binden mehr Kohlenstoff. So wird allein durch Beweidung im Boden eine zusätzliche Tonne Kohlenstoff pro Hektar und Jahr gebunden.1