Waffenexporte nach Saudi-Arabien: Die Rüstungsindustrie droht

Ilustration: Panzerhaubitze von Rheinmetall. Bild: Gerben van Es/Ministerie van Defensie /CC0

"Dear Heiko": Der britische Außenminister fordert ein Einlenken seines Amtskollegen. Paris und Berlin arbeiten an einem Abkommen zur deutsch-französische Industriekooperation im Verteidigungsbereich

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Wie lange wird die Bundesregierung dem Druck standhalten, den Stopp der Waffenexporte nach Saudi-Arabien aufzugeben? Berlin stehe mit dieser Entscheidung ziemlich alleine da, heißt es in einem aktuellem Bericht des Nachrichtensenders ntv, der zur RTL-Mediengruppe gehört. Dort wird darauf aufmerksam gemacht, dass Frankreich, England und Spanien andere Ansichten haben. In Frankreich und Großbritannien sei man verärgert, ist zu lesen.

Vergangene Woche sorgte ein Bericht über ein Schreiben des britischen Außenministers Jeremy Hunt an die Bundesregierung von Anfang Februar für Wirbel. Der Spiegel veröffentlichte Auszüge des Schreibens. Es veranschaulicht im Fall UK, wie eng die Beziehungen zwischen Rüstungsindustrie und Regierungen sind.

Mit "Dear Heiko" beginnt der handgeschriebene Brief an den deutschen Außenminister, in dessen Kern sich Forderungen der Rüstungsindustrie regen. Wie immer wenn es um Waffen geht, gehören Angstmachen und Drohungen zum Geschäft:

Ich bin tief besorgt über die Auswirkungen der deutschen Regierungsentscheidung auf die britische und die europäische Rüstungsindustrie und die Konsequenzen für die Fähigkeit Europas, seine Nato-Zusagen zu erfüllen.

Jeremy Hunt, britischer Außenminister

Konkret, so der Spiegel, gehe es um Lieferverträge mit Saudi-Arabien, die Großbritannien infolge des deutschen Exportstopps nicht erfüllen könne. Genannt werden in Verträgen mit dem Königreich vereinbarte Lieferungen von Kampfjets. "Typhoons" und "Tournados" würden deutsche Bauteile benötigen, die wegen des deutschen Embargos nicht geliefert werden.

Konkret warnt Hunt in dem Brief, dass dem britischen Hersteller BAE Systems bereits Schadenersatzforderungen von den Saudis drohten, weil das Unternehmen seine vertraglichen Zusagen an Riad nicht einhalten könnte. 500 weitere Zulieferer der Rüstungsschmiede BAE seien von diesem Risiko ebenso betroffen, so der Außenminister.

Spiegel

Zum größeren Bild der Waffenlieferungen gehört aber auch die enorme Beteilung Großbritanniens an der Kriegsführung Saudi-Arabiens im Jemen. Wie ein Guardian-Artikel von November 2018 sehr anschaulich zeigt, muss die Regierung in London sehr wohl über die leidvollen Konsequenzen ihrer Kriegsgeschäfte, welche die Zivilbevölkerung im Jemen trägt, Bescheid wissen, auch wenn sie diese nicht so sehr herausstellt wie die Sorgen der Rüstungsindustrie.

Als die deutsche Regierung Anfang Dezember 2018 den Stopp deutscher Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien verfügte, hielten dies manche für "Augenwischerei", da deutsche Rüstungsunternehmen wie etwa Rheinmetall ungeachtet der Entscheidung der Bundesregierung weiterhin Munition an Saudi-Arabien liefern können, wie die Bundestagsabgeordnete und abrüstungspolitische Sprecherin der Grünen Katja Keul meinte.

Die Skepsis unter Waffen- und Kriegsgegner darüber, wie ausgeprägt der politische Wille in Berlin ist, tatsächlich konsequent Waffenlieferungen an Saudi-Arabien zu vermeiden, war angesichts der zahlreichen Verbindungen zwischen Politik und Rüstungsindustrie groß.

Damals hatte sich Berlin mit dem Stopp der Waffenexporte nach Saudi-Arabien Dänemark und Finnland angeschlossen. Als Begründung wurde der Krieg im Jemen angeführt. Aktuell spielte damals aber hauptsächlich der Skandal um die Ermordung des saudi-arabischen Journalisten Khashoggi mit hinein.

Die Tötung wurde zweifelsfrei von Emissären des Königreiches durchgeführt. Mit größter Wahrscheinlichkeit dürften Anweisungen zum Einsatz von höchster Stelle gekommen sein, ob darin die Tötung eingeplant war, ist unbekannt. Beweise gibt es aus politischen Gründen keine, da mit Muhammed Bin Salman der Kronprinz selbst über Beziehungen und Gesprächskontakte verstrickt ist.

Macron: Auf Distanz zur deutschen Position

Frankreichs Staatspräsident Macron hatte offen erklärt, dass der "Zwischenfall" nichts an der Exportpolitik seines Landes gegenüber Saudi-Arabien ändern wird. Er ging deutlich auf Distanz zur deutschen Position.

Mittlerweile wird in deutschen Publikationen, wie dem Spiegel, und in französischen Medien darüber berichtet, dass es zum Aachener-Freundschaftsvertrag zusätzliche geheime Vereinbarungen gebe, die über Anteilsregelungen Exporte von Waffen in Drittländer, also zum Beispiel Richtung Riad, ermöglichen sollen. Ein Veto gegen Exporte soll es nicht geben.

Für den spanischen Regierungschef Sánchez änderte der Fall Kashoggi ohnehin nichts am Waffengeschäft mit Saudi-Arabien. Dass die nun von ihm angesetzten Neuwahlen für eine Kursänderung sorgen werden, ist eher unwahrscheinlich.