EU: Streit unter Rechten

Viktor Orbán. Bild: EU Parliament Multimedia Centre

Der Konflikt zwischen Victor Orbán und Mitgliedern der Europäischen Volkspartei zeigt, wie unscharf die Trennung zwischen Konservativen und der extremen Rechten in der Realität ist

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Die jahrelange antisemitische Kampagne der ungarischen Rechtsregierung gegen den Kosmopoliten George Soros hatte sicher manche europäischen Konservativen nicht gefallen. Aber die Kritik war nicht dominant. Doch nachdem die ungarische Rechtsregierung jetzt auf Plakaten nicht nur Soros, sondern auch den EU-Kommissionspräsidenten Junker für die Migration von Flüchtlingen in die EU verantwortlich machte, wird der Unmut mancher Konservativer über die ungarischen Rechten lauter.

"Sie haben das Recht zu wissen, was Brüssel plant. Sie wollen verpflichtende Umsiedlungsquoten einführen", heißt es auf Plakaten, auf denen Soros und Junker zu sehen sind und die in vielen ungarischen Städten kleben. Das Kalkül der ungarischen Regierung ist durchschaubar.

Nachdem sie massive Einschränkungen der Rechte von Lohnabhängigen durchgesetzt hat und sich eine wahrnehmbare außerparlamentarische Opposition auf den Straßen Budapests bemerkbar macht, will die Fidesz-Partei mit noch mehr Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus die rechten Reihen schließen.

Vor allem von der offen neofaschistischen Jobbik, der größten Oppositionspartei, will sie Stimmen bekommen. Schließlich versucht sich Jobbik als Teil des heterogenen Protestbündnisses gegen die Orbán-Regierung zu inszenieren, das auch innerparteilich umstritten ist. Denn ideologisch sind die Trennlinien zwischen Fidesz und Jobbik genauso unscharf wie zwischen der ungarischen Regierungspartei und den konservativen europäischen Parteien, die Orbán immer wieder hofieren und durchaus auch in der Vergangenheit schon mal heftig kritisierten.

Orbanisieren sich die Konservativen oder trennen sie sich von Orbán?

Schon Anfang September 2018 meldete die Süddeutsche Zeitung, dass die CDU angeblich auf Konfrontationskurs zu Orbán gehe. Damals ging es um Rechtsstaatsverfahren und die Migrationspolitik. Der damaligen CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer wurde eine Schlüsselrolle bei der stärkeren Kritik an der ungarischen Regierungspartei zugeschrieben. Versucht sie nun als Parteivorsitzende diesen Kurs zu verstetigen?

Ein paar Wochen zuvor hatte die Süddeutsche Zeitung noch eine andere Tendenz kommentiert:

Die Konservativen in Europa orbánisieren sich
Das Modell Ungarn gewinnt im EU-Parlament immer mehr Anhänger. Das erfordert viel Toleranz von der Europäischen Volkspartei, die verschiedenste Kräfte versammelt. Die Spannungen könnten sie zerreißen.

Stefan Kornelius, Süddeutsche Zeitung

Der Befund dürfte auch heute noch zutreffen.

Das Modell Orbán hat Unterstützung in Teilen der extremen Rechten, aber auch weit in die Reihen der Konservativen hinein. Daher ist es auch so schwierig, die Fidesz aus dem Bündnis der europäischen konservativen Parteien zu werfen. Denn Orbán hat viele Angebote, in ein Bündnis mit EU-Rechtsaußenparteien zu gehen und dort auch eine wichtige Rolle zu übernehmen.

Die Konservativen befürchten dann aber Stimmeneinbußen bei den Wahlen und sie befürchtet noch mehr, eine durch den Abgang von Fidesz dezimierte EU-Fraktion könnte nicht mehr die Spitzenposten in der EU garantieren. Andererseits gibt es liberale Konservative, die durch Fidecz verschreckt werden. Doch ist fraglich, wie groß der Anteil dieser liberalen Konservativen ist.  

Für Orbán ist die Beteiligung am konservativen Parteienbündnis vor allem eine taktische Frage. Als Mitglied einer Rechtsaußenposition ist es natürlich schwerer, an die nötigen EU-Gelder zu kommen. Warum nicht Teil der konservativen EVP-Fraktion sein, wenn man trotzdem die eigene rechte Politik umsetzen kann?

Es wird sich zeigen, ob Orbán zu Kompromissen bereit ist, um dauerhaft Teil des konservativen Bündnisses zu bleiben. Oder ob er eine Führungsrolle in einem Rechtsbündnis mit Salvini und Co. anstrebt?

Das wird sich wohl erst nach den Europawahlen entscheiden, weil dann auch erst die neuen politischen Kräfteverhältnisse deutlich werden. Ein Erfolg des Rechtsblocks würde natürlich auch Orbán erleichtern, sich dem anzuschließen.