Nord Stream 2 und die Energiedominanz der Trump-Regierung

Bild: Nord Stream 2/Axel Schmidt

US-Regierung setzt darauf, dass die USA durch Frackinggas-Exporte vom Kohleausstieg Deutschlands profitieren und die Abhängigkeit von Russland durch die von den USA ersetzen

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Die Bundesregierung hat bislang an dem Plan festgehalten, Nord Stream 2 trotz Widerstand vonseiten der USA, der Ukraine, Polen und anderer EU-Staaten weiter zu bauen. Nach dem Kompromiss mit Frankreich dürfte auch das Nachbarland nicht mehr das Gaspipelineprojekt blockieren. In Kauf genommen hat die Bundesregierung, um die USA zu versöhnen, nachdem US-Präsident Donald Trump scharfe Kritik äußerte und die Pipeline mit den Rüstungsausgaben verband, unsinnige Terminals für teures Flüssiggas aus den USA zu bauen. Mindestens zwei LNG-Terminals sollen an der norddeutschen Küste gebaut werden.

Inwieweit die Ukraine für den Einnahmeverlust entschädigt wird, weil mit Nord Stream 2 Gas billiger und sicherer über die Ostseepipeline als durch die Ukraine, die nicht unerhebliche Durchleitungsgebühren erhebt - derzeit nimmt das Land jährlich 2 Milliarden US-Dollar für die Durchleitung ein -, nach Deutschland und in die EU kommt, steht in den Sternen. Das Versprechen steht im Raum, weiterhin Gas durch die Ukraine zu leiten, was allerdings die beschworene Abhängigkeit von Russland auch verkleinern würde. Das würde einer ähnlichen Logik folgen, die die Ukraine schon praktiziert. Sie nimmt Russland nicht mehr direkt Gas ab, sondern reimportiert russisches Gas aus EU-Ländern.

Gegner der Pipeline sagen gerne, das Projekt sei politisch motiviert, allerdings hat die Ukraine selbst dafür gesorgt, dass die Pipelines durch das Land politisch aufgeladen werden, weil nach der Orangen Revolution vermutlich Gas abgezwackt und in Streitereien mit Russland Pipelines gesperrt wurden (Europa guckt in die Röhre). Wenn argumentiert wird, Deutschland und Europa würden sich noch stärker abhängig von Russland machen, dann wäre dies auch bereits der Fall mit den Pipelines durch die Ukraine gewesen, zumal diejenigen am Ende der Pipeline zusätzlich von der Ukraine abhängig sind. Es werden auch Gefahren angeführt. So könnte Russland nach den Befürchtungen der Transatlantiker mit Vollendung von Nord Stream 2 eine aggressivere Ukraine-Politik verfolgen. Das ist allerdings wenig einleuchtend, und ob die Pipeline im Meer zu einer erhöhten militärische Präsenz Russlands vor den baltischen Ländern und Polen führt, ist auch pure Spekulation.

Neben Nord Stream 2 ist auch noch TurkStream im Bau, mit der Russland Südosteuropa mit Gas beliefern wird. Die erste Pipeline, die auch unter Umgehung anderer Länder wie der Ukraine im Schwarzen Meer verläuft, soll Ende dieses Jahres fertiggestellt werden und die Türkei versorgen, die zweite soll über die Türkei wahrscheinlich nach Bulgarien und von dort aus nach Serbien, die Tschechische Republik und Ungarn gehen. Der Anteil des russischen Gases in Europa wird also zunehmen, es wird auch mehr Gas gebraucht, um die Kohlekraftwerke zu ersetzen, so lange die erneuerbaren Energien nicht genügend Strom erzeugen. Die US-Regierung erwägt bereits neue Sanktionen, um den Ausbau von russischem Flüssiggas zu behindern.

Wenn die US-Regierung scheinbar selbstlos davor warnt, dass Deutschland und Europa vom russischen Gas zu stark abhängen würden, dann steckt natürlich der Plan im Hintergrund, die Abhängigkeit von den USA oder zumindest von engen Verbündeten Washingtons über Energie zu vergrößern. Schließlich sind die USA mit Fracking zum größten Öl- und Gasproduzenten geworden, allerdings kann wegen der relativ hohen Frackingkosten das Gas nicht so billig wie das russische durch die Pipeline oder das von Katar und anderen Staaten eingekauft werden.

Gleichwohl rechnet die US-Regierung damit, gerade nach Deutschland größere Mengen exportieren zu können. Man ist offenbar elektrisiert vom Kohleausstiegsplan, obgleich der das Ende der Kohlekraftwerke erst nach 20 Jahren anvisiert. "Um das Ziel zu erreichen", so sagte der Vize-Energieminister Dan Brouillette, der an der Sicherheitskonferenz teilgenommen hatte, gegenüber dem rechtslastigen Washington Examiner, "müssen sie diese durch irgendetwas ersetzen und das Irgendetwas wird Erdgas sein." Im Washington Examiner wird zwar gesagt, Kohle würde am deutschen Energiemix 40 Prozent beitragen, in Wirklichkeit waren es 2018 etwas mehr als 35 Prozent, 40 Prozent waren es noch 2016. Deutschland sei der größte Kohleimporteur von US-Kohle, habe aber 2018 19 Prozent weniger als noch 2017 importiert.

Weiter heißt es, Brouillette sei das ganze Jahr unterwegs, um zusammen mit dem Energieminister für die Agenda der "Energiedominanz" zu werben, womit dann auch klar wäre, dass es nicht um eine Diversifizierung der Energieimporte für Deutschland und Europa geht, sondern um eine amerikanische "Energiedominanz", die weltweit erreicht werden soll. Die ist natürlich im Trump-Stil, basierend auf vor allem fossilen Energieträgern, nicht auf erneuerbaren Energien, die eigentlich die in Washington, wo man von materiellen Mauern träumt, verschlafene Zukunft darstellen. Die US-Regierung habe aber Erfolge erzielt, die EU dahin zu bringen, die Abhängigkeit vom russischen Gas zugunsten von Importen aus den USA zu reduzieren. Das ist immerhin einmal ehrlich gesagt.

"Zentrale Position im globalen Energiesystem"

Trump hatte das Ziel der Energiedominanz, die die bislang angestrebte Energieunabhängigkeit der USA ersetzen soll, bereits 2016 im Wahlkampf im Rahmen des "America first"-Konzepts formuliert. Er hatte Obamas "Krieg gegen die Kohle" gegeißelt. Der Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen, die Genehmigung für den Bau der Pipelines und die Lockerung für die Gewinnung von Erdöl und Gas, aber auch für die "saubere" Kohle, folgten, als Trump im Amt war. 2017 wurde in der Nationalen Sicherheitsstrategie ausgeführt, dass die USA eine "zentrale Position im globalen Energiesystem als führender Produzent, Konsument und Innovator" habe.

Und dann kam schon die erwartbare Formulierung, dass die USA "unseren Alliierten und Partnern helfen, resilienter gegen diejenigen werden, die Energie zum Zwang benutzen". Helfen ist ein Euphemismus und bedeutet, dass die USA die Partner unter Druck setzt, sich unter ihrer Kontrolle zu begeben. Die USA als führende Energienation würde einen "universellen Zugang zu erschwinglicher und verlässlicher Energie" herstellen, was auch heißt, Trump will den Energiemarkt kontrollieren. Der angestrebte Regime Change in Venezuela ist auch maßgeblich, die amerikanische Kontrolle auszubauen. Dazu gehört auch durchzusetzen, dass die Alliierten und Partner zunehmend amerikanische Energie, Energietechnik und Services improtieren:

The United States will promote exports of our energy resources, technologies, and services, which helps our allies and partners diversify their energy sources and brings economic gains back home. We will expand our export capacity through the continued support of private sector development of coastal terminals, allowing increased market access and a greater competitive edge for U.S. industries.

National Security Strategy

Mit dem beschlossenen Kohleausstieg, so meint Brouillette, würde die US-Regierung die Aussichten für amerikanisches Flüssiggas wachsen sehen. Der Ausstieg aus der Kohle soll also durch Frackinggas, das im Unterschied zu traditionell gewonnenem Gas eine ziemlich schlechte Ökobilanz hat, kompensiert werden. Das ist nur eine Alternative, wenn der Kampf gegen die Klimaerwärmung keine Rolle wie für Trump spielt. Gefeiert wird daher als "großer Meilenstein", dass die Bundesregierung einen LNG-Terminal in der Nähe von Hamburg mitfinanzieren wird. Die Deutschen würden noch mehr Terminals bauen wollen, verkündet Brouillette, um dann zu sagen, dass die US-Regierung natürlich nur die angeblich wachsende Nachfrage nach Gas aus Deutschland bedienen müsse: "Offensichtlich würden wir gerne diese Terminals mit US-LNG beliefern", sagte er, aber die eigene Infrastruktur beschränke die Exporte noch.

Das werde sich aber ändern, weil die von demokratischen und republikanischen Vertretern besetzte Federal Energy Regulatory Commission einige LNG-Exportterminals genehmigt habe. Das werde als Vorlage für die Genehmigung weiterer Anlagen dienen und sei ein "sehr wichtiger Schritt für Amerika, die Verpflichtung gegenüber unseren europäischen und einigen asiatischen Partnern zu erfüllen, ihre Energiebedürfnisse zu erfüllen". So kann man den Druck auch im Schönsprech darstellen, mit dem die Partner dazu gebracht werden sollen, sich der Energiedominanz der USA zu beugen.

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