"Streik gegen hetero-patriarchalen Kapitalismus"

Streik in Donostia-San Sebastian. Bild: Ralf Streck

Der spanische Staat ist ein Brennpunkt im Kampf für Frauenrechte und erneut haben Millionen gestreikt und protestiert

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"Wir haben im vergangenen Jahr einen Meilenstein gesetzt und heute schreiben wir Geschichte", erklärt Nekane Benavente im Gespräch mit Telepolis. Zum zweiten Mal in Folge wird im spanischen Staat am Internationalen Frauentag gegen Machogewalt und für Gleichberechtigung, sowie gegen Diskriminierung und für Gleichstellung nicht nur protestiert, sondern auch in diesem Jahr gestreikt. Benavente hat den Streik hier im baskischen Seebad Donostia-San Sebastian erneut mit anderen "vom Teufel besessene Frauen" vorbereitet, wie es ihnen im vergangenen Jahr aus der katholischen Kirche angesichts ihres Erfolgs entgegenschallte. Der Ausstand folgt, wie im vergangenen Jahr, dem Vorbild des Frauenstreiks in Island 1975, der die Insel weitgehend damals lahmgelegt und sie auch in dieser Frage zu einem Vorreiter gemacht hat. (

Die Baskin ist überwältigt von den vielen Frauen (und Männern), die trotz Regen schon am Morgen aus Stadtteilen in Marschkolonnen das Zentrum geflutet haben. "Und das ist noch nichts", fügt die Aktivistin mit Blick auf die lilafarbene Masse an, "denn die große Demo findet erst am Abend statt". Dann kommen aus den entfernteren Stadtteilen, den Industriegebieten und aus den umliegenden Dörfern und Kleinstädten die Leute zu den riesigen Abenddemos zusammen, bei denen Millionen auf den Straßen erwartet werden.

Benavente erinnert sich noch an die dunklen Zeiten in der Franco-Diktatur, als nur wenige Frauen ihre Stimme erhoben, aber in den letzten 20 Jahren habe es einen "brutalen" qualitativen Sprung der Bewegung gegeben. "Wir müssen unsere Rechte zwar im gesamten Jahr einfordern, doch der 8. März ist ein guter Anlass, um ein starkes Signal zu setzen und auf den Tisch zu hauen", da "Frauen noch immer in vielen Bereichen diskriminiert und benachteiligt werden". Es habe sich aber schon viel geändert, die Bewegung sei nun sehr stark. In ihrer Jugend habe sie schlicht um das Recht kämpfen müssen, "Frau sein zu können".

Das Baskenland ist anders

Wie in kaum einer Region war das Streik-Echo so groß wie im Baskenland. Sogar die Sitzung im baskischen Parlament wurde abgebrochen, da kein Quorum zustande kam. 36 Parlamentarierinnen und acht Parlamentarier haben sich am Streik beteiligt. So etwas hat es hier bisher noch nicht gegeben, obwohl es hier in den vergangenen Jahrzehnten deutlich stärkere Generalstreiks gab, bei denen das Land fast vollständig lahmgelegt werden konnte. Dieses Ziel haben die Feministinnen noch nicht erreicht, sind aber auf einem guten Weg dahin. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und anderen Sendern lief, wie auch in Katalonien, oft nur ein Notprogramm zum Frauenstreiktag oder Musik.

Hier im Baskenland ist auch in diese Frage vieles anders. Denn auch die großen baskischen Gewerkschaften stellen sich, anders als die spanischen, nicht nur zaghaft hinter den Kampf für Frauenrechte. Sie riefen deshalb zu einem 24-stündigen Streik auf - und sie stellen hier die Mehrheit. Und zudem kam ihnen entgegen, dass der Ausstand hier klar antikapitalistisch ausgerichtet war: "Streik gegen den hetero-patriarchalen Kapitalismus", lautete das Motto.

Streik am Internationalen Frauentag (8 Bilder)

Alle Bilder: R. Streck

Neben der Ausrichtung war auch ein Unterschied zu großen Teilen Spaniens, dass dort die beiden großen Gewerkschaften CCOO und UGT erneut nur zum zweistündigen Streik aufgerufen hatten. Sie geben dafür eine Beteiligung von 70% der Frauen an und beziffern die Beteiligung mit sechs Millionen, womit es eine Million mehr gewesen sein sollen als im Vorjahr. Damit aber in ganz Spanien alle Frauen und Männer legal 24-Stunden streiken konnten, haben die kleineren anarchosyndikalistischen Gewerkschaften CGT und CNT dazu aufgerufen.

Etwas enttäuscht zeigte sich allerdings die Katalanin Carme Porta von morgendlichen Mobilisierungen in Madrid. Die erste Parlamentarierin der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) ist ihrer Heimatstadt Barcelona ganz anderes am 8. März gewohnt, sie wollte aber trotz ihrer Abwesenheit nicht darauf verzichten, für "Freiheit" in Madrid zu kämpfen. "Wir können noch immer nicht über uns und unsere Körper selbst bestimmen", erklärte die Feministin gegenüber Telepolis. "Es geht bei den Mobilisierungen darum, die Welt zu verändern", aber natürlich auch darum, dass "wir nicht mehr ermordet oder vergewaltigt werden und in aller Unterschiedlichkeit leben können". Am Mittag, als dann die zweistündigen Streiks anliefen, konnte Porta auch von großen Versammlungen im Zentrum von Madrid berichten, an denen sich auch viele Journalisten beteiligt haben.

"Wenn wir anhalten, dann steht die Welt still", ist das Motto der spanischen Frauen

Als "Bombe" bezeichnet Roser Pineda die Mobilisierung in Katalonien schon am frühen Morgen, wo auch die katalanische Gewerkschaftsföderation CSC zum ganztätigen Ausstand aufrief, da es ohne "Gleichheit keine Freiheit gibt". Dieser bisher kleine Gewerkschaftsverband ist deutlich im Aufwind, wie die Betriebsratswahlen zeigen. Er unterstützt auch den Unabhängigkeitsprozess und hat gegen die spanische Repression in Katalonien schon zu mehreren Generalstreiks aufgerufen.

Pineda berichtete gegenüber Telepolis auch vom zum Teil brutalen Vorgehen der katalanischen Polizei, die gewaltsam gegen Straßen-und Schienenblockaden vorging, bei der auch einige Frauen wie am Kolumbus-Denkmal verletzt wurden, wie sie als Zeugin berichtet . "Es war sehr hart", sagte die Künstlerin, die an der Gestaltung des 24 Meter langen Transparents beteiligt war, mit dem die Frauen auf der Großdemonstration durch die Straßen Barcelonas ziehen "Ens aturem per canviar-ho tot !!" (Wir halten an, um alles zu verändern) war darauf die Losung der katalanischen Frauen zu lesen, die "keinen Schritt zurückweichen" wollen.

In Donostia, Barcelona und Madrid ist man sich einig, dass es von Rechtsradikalen gerade ein Angriff auf erkämpfte Rechte gibt. "Wenn wir anhalten, dann steht die Welt still", ist das Motto der spanischen Frauen. Die Frauen treten auch gegen die rassistische Ausgrenzung an. Im Kampf gegen Frauen, Flüchtlinge und Einwanderer ist die rechtsradikale VOX-Partei besonders eifrig, der die Volkspartei (PP) und die Ciudadanos (Bürger) aber mit ihrem rückwärtsgewandten Verständnis beim Rechteabbau weit entgegenkämen, sagen die Frauen. Das zeige sich in Andalusien schon deutlich, wo Feministen auch am 8. März erneut gegen die von VOX unterstützten Rechtsregierung auf die Straße gegangen sind.

Dem aufkeimenden Faschismus, wie man ihn "in Spanien aber auch in ganz Europa sieht", stellen sich die Frauen gemeinsam entgegen, ist sich Benavente mit Pineda und Porta und vielen Frauen einig, die an diesem 8. März streiken und protestieren. Man werde sich keine Rechte nehmen lassen, sondern weitere erkämpfen. Dafür müsse aber bei vielen Menschen noch das nötige Bewusstsein geschaffen werden.

Update: An der Abenddemo nahmen um die 50.000 Menschen allein in Donosti (200.000 Einwohner) teil.

Demo in Donosti (5 Bilder)

Bild: R. Streck