"It's all Spin and no Substance"

Grafik: TP

Britisches Unterhaus stimmt erneut gegen Mays Brexit-Plan - Zusatzerklärungen von ihr und der EU konnte keine Mehrheit der Abgeordneten überzeugen

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Gestern Abend stimmte das Unterhaus in Westminster ein zweites Mal gegen den von Premierministerin Theresa May ausgehandelten Ausstiegsplan mit der EU - mit 391 zu 242 Stimmen. May hatte versucht, eine Mehrheit der Abgeordneten mit einer Zusatzerklärung zu überzeugen, in die der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei einem Treffen mit ihr am Montag eingewilligt hatte.

Ihr Generalstaatsanwalts Geoffrey Cox kam nach einer rechtlichen Prüfung des Dokuments zum Ergebnis, dass es zwar das Risiko verringert, über die Backstop-Regelung auf unbefristete Zeit faktisch noch Teil der EU zu bleiben, aber nicht aus der Welt schafft. Gebe es "unüberwindliche Meinungsverschiedenheiten" in der Frage, wie die Zukunft an der Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland aussehen soll, dann könne das Vereinigte Königreich dem Ausstiegsvertrag nach nicht einseitig ein Ende des Backstops erklären.

Um dem abzuhelfen, hatte Cox in Brüssel letzte Woche den Vorschlag gemacht, dass die in Artikel 178 der Austrittsvereinbarung vorgesehene Schiedsstelle das Vereinigte Königreich nicht erst dann von einem Backstop-Verbleib in einer Zollunion mit der EU entbindet, wenn sie den Eindruck hat, dass die EU-Vertreter nicht wirklich an einer langfristigen Lösung arbeiten, sondern bereits dann, wenn sie meint, dass dabei nichts mehr herauskommt. EU-Chefunterhändler Michel Barnier hatte diesen Vorschlag jedoch abgelehnt (vgl. Brexit: Woche der Entscheidungen).

SNP will Verbleibsreferendum, Corbyn Neuwahlen

Auch eine von Junckers Erklärung unabhängige eigene Zusatzerklärung Mays, dass eine britische Regierung ihrer Ansicht nach das Recht hat, "Maßnahmen zu ergreifen", wenn Brüssel die Backstop-Klausel dazu einsetzt, das Vereinigte Königreich faktisch bis auf weiteres in der EU zu halten, konnte weder die Opposition noch die Kritiker des Deals in ihrer eigenen Partei überzeugen.

Labour-Chef Jeremy Corbyn meinte zu ihr und zur Zusatzerklärung Junckers, das sei alles "Spin and no Substance" - "Hindrehen ohne Substanz", als er die Abgeordneten seiner Partei dazu aufforderte, erneut gegen den Deal zu stimmen. Das machten dann alle bis auf drei. Ähnlich wie Corbyn äußerte sich Ian Blackford, der für die schottischen Separatisten von der SNP sprach. Blackford forderte statt des Deals ein Referendum über einen Verbleib in der EU, Corbyn Neuwahlen.

Die nordirische Protestantenpartei DUP, die Mays Regierung sonst Mehrheiten verschafft, wollte nach gründlicher Analyse der Zusatzerklärung ebenfalls nicht zustimmen.

Bei den Tories sprach sich Mays ehemaliger Außenminister Boris Johnson überraschend früher und deutlicher gegen eine Zustimmung aus als der sonst als entschiedenerer No-Deal-Befürworter geltende Jacob Rees-Mogg. Während letzterer mit seiner European Research Group (ERG) die Zusatzerklärungen bis gestern Abend prüfte, meinte Johnson bereits am Montag, die Bedingungen Brüssels erinnerten ihn an den Umgang Roms mit Karthago. Den Backstop bezeichnete er als "Falle", in der das Vereinigte Königreich so viele Souveränitätsrechte abgeben soll, dass es sich der faktischen EU-Mitgliedschaft nicht mehr entledigen kann.

Johnson schlägt gegenseitige informelle Akzeptanz der Übergangsfrist vor

Der Altphilologe kündigte außerdem an, dass er morgen für einen Ausstieg ohne Vereinbarung am 29. März und am Donnerstag gegen ein Verschieben dieses Termins stimmen wird. Sein Vorschlag ist, dass sich das UK und die EU bis auf den Backstop informell an die vereinbarten Übergangsregeln- und fristen halten und bis dahin ein "ordentliches Freihandelsabkommen" ausarbeiten. Diesen Weg bezeichnete EU-Chefunterhändler Michel Barnier gestern Abend als "gefährliche Illusion". "Kein Austrittsabkommen" bedeutet ihm zufolge auch "keine Übergangsfrist".

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte vorher verlautbart, die Zusatzerklärung sei nicht nur die "zweite", sondern auch die letzte Chance für May gewesen. Eine dritte werde es ihm zufolge nicht geben. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass Junckers wahrscheinlich baldiger Nachfolger Manfred Weber das anders sehen könnte, wenn das britische Unterhaus am Donnerstag für ein Verschieben des Austrittstermins votieren sollte.

Einer ComRes-Umfrage nach ist währenddessen der Anteil der Briten, die einen Ausstieg ohne gesonderten Vertrag und zu den Bedingungen der Welthandelsorganisation WTO befürworten, wenn die EU keine substanziellen Zugeständnisse macht, um sechs Punkte auf jetzt 44 Prozent gestiegen. Explizit gegen so einen No-Deal-Ausstieg sind inzwischen nur mehr 30 Prozent.

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