Finnland: Ende der Rechtspopulisten

Timo Soini. Bild: CTBT/CC BY-SA-2.0

Timo Soinis Abgang - Rezept für den Umgang mit Populismus?

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"Danke für diese Jahre" mit diesen Worten kündigt der finnische Außenminister Timo Soini am vergangenen Dienstag auf seinem Blog seinen Abschied von der Landespolitik an. Der 56-jährige Politiker, oft als rechter Populist tituliert, will in den Parlamentswahlen am 14. April nicht mehr antreten. Am Freitag trat dann die Regierung unter Juha Sipilä zurück, da jener sein Paket für das Sozial- und Gesundheitswesen nicht durch das Parlament bekam.

Bei Soini ging es hingegen darum, wohl nicht mehr in das Parlament zu kommen. Seiner Partei, die "Blaue Zukunft", wird in Umfragen gerade mal etwas mehr als ein Prozent der Stimmen vorhergesagt.

Ein konservatives Finnland wollte er zurückerobern, moderne Sitten wie die Homoehe verhindern und den ehrlichen finnischen Arbeiter wieder zu einem ordentlichen Verdienst verhelfen. Vielleicht ist es ihm dann tröstlich, dass sein politisches Scheitern "typisch finnisch" ist: In dem skandinavischen Land werden Populisten bei ausreichender Stimmzahl in die Regierung eingebunden, wo sie dann durch die Realpolitik entzaubert werden. Und hier kann die Frage in den Raum gestellt werden, ob dies nicht auch als Rezept für andere populistische Bewegungen gelten könnte.

Der Populismus-Profi

Soini war nie ein richtiger Nationalist, er hatte immer etwas Skurriles. Dank seiner nach hinten gekämmten 50er Jahre-Frisur, dem korpulenten Körper, der in einem schlecht sitzenden Anzug steckt, und den Cowboystiefeln (eine Reminiszenz an seine Heimat Südwest-Finnland), war er die bunteste Figur, die die politische Landschaft des Landes im Norden zu bieten hatte. Der beleibte Familienvater wirkte als ein Hüter eines "idealisierten Finnlands, das es so nie gab", wie der Grünen-Politiker Pekka Haavisto einmal dem Autor dieser Zeilen erzählte.

Von Haus aus Populismus-Profi, als Politikwissenschaftler beendete er sein Studium über "Populismus", war er 1995 Mitgründer der "Wahren Finnen", eine Nachfolgeorganisation der antisowjetischen "Bauernpartei". Lange blieb seine Formation unbeachtet, bis vor den Wahlen 2011 eine Korruptionsaffäre der regierenden Zentrumspartei Finnland erschütterte und Soini Stimmung gegen das geplante EU-Hilfspaket für Portugal schüren konnte. Die "Wahren Finnen" erreichten 19,1 Prozent, immer wieder sorgten danach Mitglieder rassistischen Bemerkungen für Skandale. Aber auch Soini nannte damals noch die EU "eine reiche Sowjetunion" - ein Schock für viele europäische Beobachter, die sich unter Finnland ein progressives Land vorstellten.

Da Soini von seinen Positionen nicht abrückte, kam zunächst keine Koalition mit seiner Partei zustande, fünf Jahre später war Zentrum-Chef Juha Sipilä bereit, mit den "Wahren Finnen" zusammen mit der konservativen "Nationalen Sammlung" eine Koalition einzugehen.

Außenminister auf Abwegen

Soini wurde im Mai 2015 Außenminister, eine Position, bei der er seine innenpolitischen Ideen zu gesellschaftlichen Veränderungen in Finnland nicht umsetzen konnte. Während der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 konnte er sich weder mit einer radikalen Begrenzung der Aufnahme von Asylsuchenden durchsetzen, noch mit seiner Forderung, sein Land solle nur Christen aufnehmen. Seine Partei sackte in den Umfragen ab. Als Soini dann 2017 den Vorsitz bei den "Wahren Finnen" an den Parteikollegen Jussi Halla-aho abgab und dieser gegen Ausländer hetzte, spaltet sich Soini von seiner einst von ihm gegründeten Partei ab und gründete die "Blaue Zukunft", um sein Amt zu retten.

Stur blieb Soini jedoch in Glaubensfragen, bei einem Besuch in Irland nahm er die katholische Konfession an, eine Ausnahme im lutherischen Finnland mit einer orthodoxen Minderheit. So nutzte er 2017 einen Besuch in Kanada, um in Ottawa auf einer Antiabtreibungsdemonstration mit zu laufen, kritisierte das Abtreibungs-Referendum in Irland oder feierte 2018 eine gescheiterte Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in Argentinien.

Da Finnland offiziell wie Schweden eine "feministische Außenpolitik" führt, gab es mehrere Anläufe von Oppositionellen und Koalitionspolitikern, den "aus der Zeit gefallenen Soini" aus dem Amt zu drängen. Seine schrumpfende Anhängerschaft war eher an den Alltagsproblemen interessiert, die er als Außenpolitiker nicht lösen konnte. Als "Ritter der traurigen Figur" schmähte ihn die auflagenstarke Zeitung "Helsingin Sanomat" dann zum Abschied.

Soinis Niedergang ist nicht das erste Scheitern einer radikalen Bewegung, bei den Wahlen 1966 wurde eine sozialistische Partei in eine Mehrparteienregierung integriert, im Jahre 1983 die Vorgängerorganisation von Soinis Partei, die "Bauernpartei", die nichts an den Arbeitslosenquoten ausrichten konnten und scheiterte.

Scheitern im Regierungsamt

Soini wurde somit in einen Apparat eingebunden, schien mit dem Amt überfordert zu sein und kompromittierte sich mit katholischen Themen, die in Finnland nicht auf der Agenda stehen. Er wurde gezwungen gegen die Geister, die er gerufen hatte, vorzugehen und aus seiner Partei auszutreten und bleibt nun außerhalb des Parlaments. "Niemand wird ihn vermissen", so das in dieser Frage nicht ganz neutrale schwedischsprachige "Huvudstadbladet", schließlich wollte Soini den Einfluss der schwedischen Minderheit eindämmen.

Als Volkstribun ist er nun erledigt. Ob er an den Europawahlen teilnimmt, ließ er offen. Bezeichnend ist auch sein Statement "So What?" zum Rücktritt der Regierung aufgrund der gescheiterten Sozialpolitik auf seinem Blog. Dabei fällt kein Wort über das Schicksal der kleinen Leute und die offene Frage einer verbesserten Gesundheitsversorgung, nur Rechthabereien gegenüber den Medien.

Andere etablierte Parteien schrecken vor der Kooperation mit den Populisten zurück, wie etwa in Deutschland und Schweden. Doch wäre es vielleicht auf der lokalen Ebene ein Versuch wert - die Tendenz zur Aufspaltung innerhalb einer solchen Partei dürfte so schneller als in der verantwortungsfreien Opposition eintreten.

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