Bundeshaushalt: Regierung fährt Verteidigung und Entwicklungshilfe herunter

Bundeswehr bei der Nato-Übung Trident Juncture. Bild: DoD

Nach Kritik des US-Botschafters haben sich die Reihen geschlossen, die deutsche Rüstungsindustrie warnt vor einer einer "schleichenden Aufgabe der wehrtechnischen Industriekompetenz"

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Das Bundeskabinett hat die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2020 und den Finanzplan bis 2023 beschlossen. In Trumpscher Rhetorik wird von "Rekordinvestitionen" und den "größten Steuersenkungen seit 10 Jahren" gesprochen, zudem habe man dafür gesorgt, dass der wirtschaftliche Erfolg, der allerdings in den nächsten Jahren schmaler ausfallen soll ("gebremsten Aufwärtsbewegung"), "bei allen im Land ankommt".

Das sind große Worte, auffallend ist natürlich, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz wie sein Vorgänger den Fetisch der Schwarzen Null eisern hütet - nach der Devise: "Wir können nicht alles finanzieren, was man sich wünscht." An Ausgaben sind 362,2 Milliarden Euro und 17, Prozent mehr als 2019 vorgesehen, exakt so viel, wie Steuern in die Staatskasse fließen sollen. Nettokreditaufnahme ist keine vorgesehen, investiert sollen mit 39,6 Milliarden 700 Millionen mehr als 2019. In den kommenden Jahren sind allerdings keine weiteren Erhöhungen vorgesehen. Geradezu lächerlich ist die Förderung von Künstlicher Intelligenz mit 3 Milliarden Euro - bis 2025. Dafür wird im Bildungsbereich stark gekürzt, nämlich um fast eine halbe Milliarde Euro, mehr als in jedem anderen Ministerium. Zukunft wird so nicht gesichert, die CDU-Ministerin schreit nicht auf.

Ausrufezeichen ohne Begründung

Besonders auffällig sind die vorgesehenen Ausgaben für die Militär- und Entwicklungspolitik, die nach dem Koalitionsprogramm gekoppelt sein sollen, also um denselben Prozentsatz anwachsen sollen. Zwar heißt es, dass sich "die Bundesregierung zu ihren Verpflichtungen aus der Bündnisfähigkeit in der NATO sowie innerhalb der Europäischen Union" bekennt. Bekanntlich hat sich die Bundesregierung 2014 zu einer Erhöhung der Ausgaben auf 2 Prozent des BIP als Richtwert bis 2024 verpflichtet.

Die Eckwerte sprechen zwar von einer Erhöhung des Verteidigungshaushalts "um rund 3,3 Mrd. € bis zum Jahr 2023". 2020 würde man mit 2 Milliarden mehr gegenüber 2018 damit von jetzt 1,35 auf 1,37 Prozent vom BIP kommen, aber dann wird wieder schrittweise auf 1,25 Prozent bis 2024 abgesenkt. Für Entwicklungshilfe bzw. die Ausgaben für humanitäre Hilfe, Krisenprävention und Entwicklungszusammenarbeit (ODA) gibt es hingegen keine Erhöhung, ab 2021 soll hingegen gespart werden. Als Rechtfertigung heißt es, mit der Festschreibung bleibe Deutschland "voraussichtlich weiterhin der weltweit zweitgrößte Geber von ODA-Mitteln". Das stieß sogar auf Kritik seitens der CSU, da das Ministerium von Gert Müller von der CSU geleitet wird. Beides sind Ausrufezeichen, aber dahinter steckt zumindest kein expizit gemachtes Konzept.

Bundeskanzlerin Merkel hat die Verteidigungsausgaben im Vorfeld schon gegen die Angriff des US-Botschafters Richard Grenell verteidigt. Der hatte mit seiner Kritik an den für die Trump-Regierung zu geringen Rüstungsausgaben gerade die Solidarität mit der Bundesregierung gestärkt und wohl auch Kritik seitens der Bundesverteidigungsministerin von der Leyen, die unter dem Druck der anderen Nato-Partner steht und auch aufgrund der misslichen Materiallage der Bundeswehr deutlich mehr Geld wollte, gebremst. Grenells direkte Einmischungen in die deutsche Politik mit der Forderung nach Beendigung der Nord Stream Pipeline, einem Verbot von Huawei-Produkten und ein Unterlassen des Handels mit dem Iran, haben Souveränitätsbekundungen gegenüber dem großen transatlantischen Bruder bis hin zu Ausweisungsforderungen von Grenell laut werden lassen (US-Botschafter verärgert deutsche Politiker).

Deutsche Rüstungsindustrie beklagt, "kaum noch" Exporte machen zu können

In den USA mag man nicht hinter Trumps Abwertung der Nato oder möglichen Forderungen stehen, dass die Länder, die US-Truppen stationiert haben wollen, auch dafür bezahlen sollen. Aber auch die Trump kritische, aber transatlantisch gesinnte New York Times kommentierte, die Zeit für die angeblich mangelnde Aufrüstungsbereitschaft der Bundesregierung sei ein schlechtes Signal für den kommenden 70. Geburtstag der Nato.

Zitiert wird etwa die frühere Obama-Beraterin Julianne Smith, die kritisiert, dass Deutschland nicht als außenpolitisches Prinzip den Multilateralismus vertreten, aber dann die Verpflichtungen an multilaterale Institutionen wie die Nato verweigern könne. Allerdings ist die Nato eine besondere multilaterale Institution. Tatsächlich aber hat die Bundesregierung versäumt, auch wenn sie militärisch die EU und die Allianz mit Frankreich stärken will, die politischen Entscheidungen hinter den haushaltspolitischen Eckwerten zu nennen, auch wenn beteuert wird, Deutschland sei in Europa der größte Geldgeber und Truppensteller der Nato. Anders wäre es gewesen, wenn der Verteidigungshaushalt schrumpft oder stagniert und dafür die Ausgaben des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erhöht worden wäre. Damit hätte man gezeigt, dass es auch andere Vorstellungen als militärische gibt, Sicherheit und Stabilität zu fördern.

Kritik kommt von erwartbarer Seite, von der Rüstungsindustrie bzw. dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV). Dort sieht man sich "enttäuscht", die ihre durch den Druck von Donald Trump und den Mängeln in der Bundeswehr geweckten Gewinnerwartungen schwinden sieht.

Die Bundesregierung wolle "mit Blick auf europäische Rüstungskooperationen wehrtechnische Kompetenz" erhalten, erlaube aber der Rüstungsindustrie "kaum noch" Exporte. Das ist nun doch sehr übertrieben, schließlich ist Deutschland nach SIPRI 2014-2018 noch der viertgrößte Waffenexporteur der Welt gewesen. Mit dem neuen Haushaltsentwurfe reduziere man jetzt auch noch die inländische Nachfrage, was zu einer "schleichenden Aufgabe der wehrtechnischen Industriekompetenz" führe. Mit Ausgaben von 1,25 Prozent vom BIP 2024 bleibe man hinter den Erwartungen zurück, aber leiste für die Bundeswehr auch nicht die "überfällige Aufbesserung ihres Ausrüstungsstandes". Dazu würden auch 1,5 Prozent nicht reichen. Das Ansehen Deutschlands werde wegen der Nichtbereitschaft, die Verteidigungsausgaben anzuheben, sinken, dazu prophezeit die Rüstungsindustrie "negative Auswirkungen auf die Souveränitätsansprüche und die Rolle Deutschlands in der europäischen Verteidigungskooperation sowie im Nordatlantischen Bündnis". Ohne die Rüstungsindustrie zerfällt nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die Souveränität des Landes, so der Verband, die mit der allerdings bereits durch viele Mängel beim Material der Bundeswehr erschütterten wehrtechnischen Industriekompetenz zusammenhängen soll.