Uploadfilter: Warnungen von Edward Snowden bis zur katholischen Kirche

Bild: Nico Ernst

Rechtsanwalt Solmecke geht gegen FAZ wegen falscher Berichterstattung vor

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Am Wochenende fanden in gut drei Dutzend deutschen Städten Demonstrationen gegen den Trilog-Urheberrechtskompromiss statt, der am Dienstag vom Plenum des EU-Parlaments genehmigt werden soll (vgl. Copyright-Reform: Zehntausende demonstrieren in Berlin gegen Upload-Filter). Die Teilnehmerzahlen waren sehr unterschiedlich: In München nahmen nach Angaben der Polizei mehr als 40.000 Personen teil, in Hamburg höchstens 7.000 und in Schwerin nur etwa 30 (vgl. Teilnehmerzahlen: Zehntausende gegen Urheberrechtsreform auf der Straße).

Artikel 13 Demonstration in Münchem – 23. März 2019 (44 Bilder)

(Bild: Nico Ernst)

Aber auch abseits dieser Demonstrationen tat sich in den letzten Tagen einiges, was diese Copyright-Richtlinie betrifft: Warnungen vor ihr erfolgten nicht mehr nur vorwiegend durch YouTuber (vgl. Weniger Spaß und weniger Opposition), sondern auch durch Akteure wie die deutschsprachige Wikipedia (die am Donnerstag anstatt ihrer Einträge eine Folgeabschätzung auf schwarzem Hintergrund ausgab), NSA-Whistleblower Edward Snowden (der am Freitag zur Teilnahme an den Demonstrationen und zum Unterzeichnen der Petition Save the Internet aufrief) und Rechtswissenschaftler wie Thomas Hoeren von der Universität Münster, der das Versprechen der deutschen Unionsparteien, man werde Artikel 13 so umsetzten, das keine Uploadfilter eingesetzt werden müssten, als nicht haltbar ansieht (vgl. Eine Nebelkerze kurz vor Torschluss).

"Dieser deutsche Sonderweg", so Hoeren, "entspricht nicht den Vorgaben der Urheberrechtsrichtlinie und würde vom EuGH wahrscheinlich schnell als Verstoß gegen Sinn und Zweck von Artikel 13 außer Kraft gesetzt werden."

Direkte und indirekte Unterstützung

Explizit für die Urheberrechtsrichtlinie sprachen sich beispielsweise Brigitte Zeh, Boris Aljinovic und andere Darsteller in Produktionen der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, Verwertungsgesellschaften wie die GEMA sowie der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) aus. Unterstützung kam aber auch von der Deutschen Presse-Agentur (dpa), die die Verabschiedung dieser Richtlinie nicht ganz framingfrei als "Frage von Leben und Tod für die Medien" hinstellte und in Meldungen dazu unter anderem den Eindruck erweckte, die katholische Kirche sei für den aktuellen Entwurf (vgl. Kirche und Zeitungsverleger fordern: Urheberrecht schützen). Dieser Eindruck war insofern falsch, als sich deren Medienbischof Gebhard Fürst nicht für, sondern gegen Uploadfilter aussprach. Für eine Stellungnahme dazu, ob er gegen die dpa vorgehen wird, war der Kirchenfürst gestern nicht erreichbar.

Der bekannte Kölner Rechtsanwalt und Internet-Rechtsexperte Christian Solmecke hat wegen ihn betreffender falscher Berichterstattung zum Artikel 13 der Urheberrechtsrichtlinie ein einstweiliges Verfügungsverfahren gegen die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) angestrengt, wofür er auf Twitter viel Beifall bekommt.

Alleine am Freitag hatte die Zeitung mit insgesamt vier Artikeln für Uploadfilter und ein europäisches Leistungschutzrecht geworben, wobei Kritiker als "nützliche Idioten" amerikanischer Konzerne bezeichnet wurden, welche mit einer "kriminellen Maschinerie" die Demokratie "zerstören" würden. Gegenstimmen, die in Immaterialgüterrechtsfragen für andere Sichtweisen stehen, fehlen der FAZ seit dem Weggang von Rainer Meyer zur Welt weitgehend.

Axel Voss, Helga Trüpel und Frans Timmermans

In der Politik steht vor allem der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss für den aktuellen Richtlinienentwurf. Er ließ in Stellungnahmen in den letzten Monaten eine gewisse Sachverhaltsferne erkennen, die ihm nun in zahlreichen Satiren vorgehalten wird. So titelte beispielsweise der Postillon letzte Woche: "Axel Voss verlässt Politik, nachdem nigerianischer Prinz ihn per Mail zum Multimillionär macht."

Demonstration gegen EU-Copyrightreform, Berlin 23.3.2019 (30 Bilder)

(Bild: Stefan Krempl)

Die nach Voss sichtbarste deutschsprachige Fürsprecherin der Richtlinie ist Helga Trüpel. Die Grünen-Europaabgeordnete argumentiert mit "europäischem Selbstbewusstsein" und glaubt nach eigenen Angaben, dass "wir" mit einer Uploadfilter- oder Lizenzierungspflicht "amerikanische Monopole regulieren".

Die gelernte Religionspädagogin verteidigt neben der faktischen Uploadfilter- oder Lizenzierungspflicht in Artikel 13 und dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Artikel 11 auch die Artikel 12 und 16 der Richtlinienentwürfe (die verlangen, dass Autoren die Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften künftig wieder mit ihren Verlagen teilen sollen), wobei sie auf eine angebliche "Wertschöpfungskette" verweist. Eine Erklärung, die durchaus nicht alle Betroffenen befriedigt, weshalb beispielsweise Jannis Werner meint:

Ich bin Urheber. Dank Artikel 12 werden Verlage wieder einen Großteil meiner VG-Ausschüttungen erhalten — obwohl meistens gar kein Verlag an der Verwertung beteiligt ist. Das wurde in Deutschland gerichtlich gestoppt, nun wird es schön wieder über Brüsseler Bande eingeführt. (Jannis Werner)

Artikel 13 Demo in Köln – 23.März 2019 (40 Bilder)

(Bild: heise online/ Torsten Kleinz)

Ebenfalls als expliziter Unterstützer der Richtlinie outete sich am Wochenende Frans Timmermans, der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der Europawahl (vgl. Niederländischer Juncker-Stellvertreter soll EU-Spitzenkandidat der Sozialdemokraten werden). Der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) sagte der gelernte Experte für französische Literatur, "wenn man etwas erfindet, etwas schreibt, etwas macht", dann sei das "Eigentum", das man "nicht einfach so wegnehmen" und Google damit Geld verdienen lassen könne.

Damit stellt sich der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten gegen die deutsche SPD, die auf ihrem Parteikonvent am Samstag beschloss, dass ihre Europaabgeordneten am Dienstag gegen Artikel 13 der Richtlinie stimmen sollen. Einer Verhinderung zuwidergehandelt hatte vorher allerdings auch schon Katharina Barley, die Spitzenkandidatin der deutschen Sozialdemokraten: Die Justizministerin segnete den Trilog-Kompromiss nämlich bereits im Februar im Ministerrat ab (vgl. Upload-Filter: EU-Staaten winken Urheberrechtsreform durch).

Demonstration gegen Artikel 13 – Hannover, 23. März 2019 (16 Bilder)

(Bild: Marvin Strathmann)

Ein Versprechen, gegen eine faktische Uploadfilterpflicht zu stimmen, haben bislang lediglich 126 von 754 EU-Abgeordneten abgegeben. Sie kommen aus verschiedenen Fraktionen - auch aus der christdemokratischen EVP, wo sich die polnische Platforma Obywatelska (PO) nicht dem Willen der tonangebenden deutschen Unionsparteien beugen will.