Waffenexporte: Frankreich will freie Bahn von Deutschland

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Rüstungsverkäufe sind notwendig für die Sicherheit Europas, argumentiert die französische Botschafterin Anne-Marie Descôtes

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Waffenlieferungen an Saudi-Arabien sind ein lukratives Geschäft. Wer allerdings Waffen an den größten Einkäufer im Nahen Osten liefert, muss sich auf deren Einsatz gefasst machen und auf Folgen, wie sie die Katastrophe im Jemen in Bildern des Elends vor Augen führt. Dazu kommt die mörderische Politik der absoluten Herrscher gegenüber Oppositionellen, Kritikern und Menschenrechtsaktivisten.

Soll diese Macht, die mit dem fundamentalistischen Wahabismus verbunden ist, durch Kriegsgerät von europäischen Herstellern unterstützt werden? Das ist keine rhetorische Frage, sondern eine politische Abwägung in Zeiten, wo über die vielen Informationsquellen die schmutzigen Seiten der Politik nicht mehr so gut versteckt werden können. Moral ist nur ein Gesichtspunkt unter anderen. Die Werte der europäischen Geschäftspartner Saudi-Arabiens orientieren sich an einem Sicherheitsdenken, dem viel am Wohl der Rüstungsindustrie liegt.

Wie geht es weiter mit dem Waffen-Exportstopp für Saudi-Arabien?

In Berlin tagt heute der Bundessicherheitsrat im Geheimen zur Frage des Waffenexportstopps. Die Zeit drängt. Ende dieser Woche, am 31. März, läuft der Waffen-Exportstopp für Saudi-Arabien aus. Die Frage, ob er verlängert wird und, wenn ja, unter welchen Bedingungen, oder ob er auslaufen soll, ist sowohl für die Regierungskoalition wie für das französisch- deutsche Verhältnis mit Konflikten verbunden. Für die Koalition in Berlin sei die Lage nicht einfach, so der Spiegel gestern Abend:

So wäre eine Mehrheitsentscheidung, faktisch eine Art Kampfabstimmung, eine schwere Belastung, wenn nicht sogar das Ende für die Koalition. Zudem gilt Entwicklungsminister Müller als Wackelkandidat. Der CSU-Mann hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Bedenken, wenn er im Bundesicherheitsrat Waffenlieferungen absegnen musste. Ähnlich dürfte er über einen Persilschein für die Saudis denken.

Spiegel

Wie die FAZ heute berichtet, kamen aus der SPD, wo man sich für eine Verlängerung des Exportstopps stark machte, nach und nach Zeichen des Entgegenkommens. Zitiert wird Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, sagte: "Die SPD steht einer Lösung bei Gemeinschaftsprojekten mit EU-Partnern nicht im Weg."

Er fügte an, dass es zwischen einer sechsmonatigen Verlängerung des Ausfuhrstopps und einer sofortigen Wiederaufnahme der Lieferungen genug politischen Spielraum gebe. In diesen Spielraum hinein gehöre aber unbedingt ein starkes Signal an Riad, so der SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich, der dafür plädierte, den Exportstopp nicht ganz auslaufen zu lassen.

Klartext kam von Unterstützern der CDU. "Wie sollen zukünftige europäische Verteidigungssysteme der nächsten Generation unter deutscher Beteiligung entstehen, wenn sich SPD-geführte Ressorts heute schon bei der Exportgenehmigung von Kleinteilen querlegen?", so der Generalsekretär des CDU-nahen Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, laut der Frankfurter Zeitung. Sein Argument wird, wie weiter gezeigt wird, auch in Paris hochgehalten.

Die deutsche Kanzlerin Merkel platzierte sich mit ihren Äußerungen wie üblich so, dass sie öffentlich ihr humanistisches Image behalten kann und abwarten, bis sich herauskristallisiert, welche Lösung politisch opportun ist. Im Fall der Waffenlieferungen liefern ihr die europäischen Partner, Großbritannien und Frankreich, die Vorgaben, um ihre Bedenken gegen die Exporte angesichts einer größeren Interessenslage hintanzustellen.

Großbritannien und Frankreich drängen

Beide Länder gaben zuletzt mehrfach zu erkennen, dass der deutsche Exportstopp ihren rüstungsproduzierenden Unternehmen schadet (Waffenexporte nach Saudi-Arabien: Die Rüstungsindustrie droht). Man sei bei den großen Gemeinschaftsprojekten auf Lieferungen aus deutscher Produktion angewiesen; der deutsche Stopp blockiere vertraglich vereinbarte Lieferungen, was sehr teuer komme. Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel, mögliche Schadensersatzforderungen und die Verlässlichkeit, die für Geschäftsbeziehungen elementar sei.

In der französischen Regierung, wo die Präsidenten traditionell darauf erpicht sind, mit milliardenschweren Waffenverkäufen zu punkten, nimmt man den deutschen Exportstopp besonders ernst. Zu sehen war das an einem sehr deutlichen Kommentar Macrons zur deutschen Haltung infolge des Falls Kashoggi: "Es ist pure Demagogie, den Stopp der Waffenexporte zu fordern, warum nur Waffen und nicht auch alles andere, zum Beispiel auch Autos?"

Gestern legte die französische Botschafterin Anne-Marie Descôtes mit einem außergewöhnlichen Schreiben zur Sache nach. Sie plädiert darin ganz eindeutig für Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und andere Länder.

Bemerkenswert ist ihre Argumentation. Sie stellt verlässliche Lieferungen als Stabilitätsfaktor dar und den innenpolitischen Streit in Deutschland über Waffenexportverbote als "besorgniserregend". Ihrer Logik zufolge sind Waffenexporte in Drittländer notwendig für die europäische Sicherheit.