Braun von KSK bis USK?

Wappen des MAD. Bild: Xestmedia/CC0

Der von rechten Netzwerken durchsetzte Staatsapparat der Bundesrepublik scheint denkbar schlecht aufgestellt, um der zunehmenden rechtsextremen Gefahr zu begegnen

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Beinahe im Wochenrhythmus kommen neue Details über rechte Umtriebe im bundesrepublikanischen Staat ans Tageslicht. Mitte März war es das Unterstützungssonderkommando (USK) in Bayern, das von einem handfesten Rechtsextremismus-Skandal erschüttert wurde.

Wieder handelte es sich um eine Spezialeinheit der Polizei, die sich als Elite begreift - ähnlich dem Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr, das ebenfalls ins braune Zwielicht geraten ist.

Und es sind beileibe keine "Einzelfälle" mehr, auf die die Ermittler eher zufällig stießen. Während der Ermittlungen wegen eines mutmaßlichen Sexualdelikts, den ein USK-Beamter begangen haben soll, ist eine Chatgruppe aufgeflogen, an der sich mehr als 40 USK-Männer beteiligt haben. Innerhalb dieser Gruppe wurden antisemitische Videos und gewaltverherrlichende Inhalte geteilt. Auf dem Smartphone eines Beamten sind zudem Bilder von Hakenkreuzen gefunden worden. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung.

Dabei stießen die antisemitischen Inhalte innerhalb der großen Chatgruppe auf keinerlei Widerspruch, erklärte Polizeipräsident Hubertus Andrä nach Auswertung der Chatprotokolle. Er hätte sich gewünscht, dass zumindest einer der Beamten in dem Chat mal "Lass das" geschrieben hätte. Das Pikante an dem Skandal: Die betroffene Einheit des USK besteht aus 100 Männer - knapp die Hälfte der USK-Beamten scheint somit rechtsextremen Chatinhalten in der internen Kommunikation zumindest nicht zu widersprechen.

Inzwischen wurden 13 ehemalige USK-Männer entweder dem Dienst enthoben oder aus der Einheit entfernt. Auf Kritik stieß überdies das Vorgehen des Polizeipräsidiums bei dem Skandal. Erst als die Medien über die Vorfälle zu berichten begannen, ging man an die Öffentlichkeit, während der Skandal zuvor wochenlang polizeiintern "kochte".

In Hessen wiederum weitet sich der Naziskandal in der Polizei weiter aus. Zur Erinnerung: Eine Gruppe von rechtsextremen Polizisten in Frankfurt soll einer türkischstämmigen NSU-Opferanwältin gedroht haben, ihre zweijährige Tochter zu "schlachten". Die mutmaßlichen Nazis in Polizeiuniform, die ihr Drohschreiben mit "NSU 2.0" unterschrieben, wurden im Zuge der Ermittlungen des LKA enttarnt.

Inzwischen haben die Ermittler des LKA alle Hände voll zu tun. Insgesamt stehen 38 Polizisten in Hessen unter Rechtsextremismus-Verdacht, wobei immer neue Fälle dazukommen. Derzeit laufen Disziplinarverfahren gegen vier Polizeibeamte, die am Holocaust-Gedenktag die Deutschland- und Hessenfahne vor ihrer Polizeistation absichtlich kopfüber aufgehängt haben.

Kooperation zwischen Polizisten und Nazis

Wie schlecht die staatlichen Sicherheitsorgane auf die zunehmende rechtsterroristische Gefahr vorbereitet sind, machen gerade Vorfälle deutlich, bei denen fremdenfeindliche Übergriffe durch Polizeibeamte juristisch aufgearbeitet werden sollen. Betrunkene Polizisten, die in Augsburg einen Asylbewerber angegriffen haben, mussten sich Mitte 2018 vor Gericht dafür verantworten. In erster Instanz wurde der Haupttäter - der anfänglich behauptete, von dem Flüchtling bedroht worden zu sein - zu 14 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Im Berufungsverfahren gab der Oberkommissar zu, die Unwahrheit gesagt zu haben und räumte alle Vorwürfe der Anklage ein. Das Gericht verhängte eine Bewährungsstrafe von elf Monaten, die knapp unter der Strafgrenze von einem Jahr auf Bewährung blieb, bei der ein Beamtenverhältnis automatisch erlischt. Ein Polizist, der Flüchtlinge angreift und der vor Gericht die Unwahrheit sagt, darf somit weiterhin seinen Dienst versehen.

Vor Kurzem wurde zudem ein hessischer Polizeibeamter wegen Geheimnisverrats verurteilt, nachdem er zugab, 2016 Polizeiinterna an Rechtsextremisten weitergeleitet zu haben. Informelle Kooperation zwischen Polizeibeamten und Nazis scheint innerhalb der bundesrepublikanischen "Sicherheitskräfte" durchaus Tradition zu haben, wie es Mitte März vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages offenbar wurde.

Ein ehemaliger Rechtsextremer berichtete von einem "informellen Stillhalteabkommen zwischen Neonazis und Polizisten in den 1990er Jahren", in dessen Rahmen die Polizeibeamten in Ostthüringen bei rechten Straftaten "oft nicht genau hingeschaut", während Nazis im Gegenzug die Polizei nicht attackiert hätten. Überdies hätten viele Polizisten und deren Familien selber "Sympathien für rechte Ideen" gehegt. Der Zeuge soll zwischen 1988 und 2007 in der rechtsextremen Szene Thüringens aktiv gewesen sein.

Auch beim umstrittenen Veteranenverein Uniter, in dessen rechten Umfeld Putsch- und Massenmordpläne ausgearbeitet worden sein sollen, scheint die Beteiligung aktiver Beamter weitaus höher zu sein als ursprünglich angenommen. Laut Focus soll ein weiterer aktiver KSK-Soldat als Administrator der rechtsextremen Chatgruppe "Nord" agiert haben, in der besagte Pläne diskutiert wurden. Inzwischen seien dem "Focus" die Klarnamen von "mindestens elf weiteren KSK-Soldaten" bekannt, die in Uniter organisiert seien.

Zudem sei eine Mitarbeiterin des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz in dem dubiosen Verein aktiv, in dem sich rund 1000 Mitglieder von Spezialeinheiten der Bundeswehr und Polizei, des Staatsapparates und der Sicherheitsbranche organisieren. Somit sind es nun mindestens 13 KSK-Soldaten und zwei "Verfassungsschützer", die in einem Umfeld tätig waren, in dem sich mutmaßlich eine "gefährliche Schattenarmee" (Focus) formte. Immerhin trennte sich inzwischen das baden-württembergische Landesamt für Verfassungsschutz von seinem Mitarbeiter, der 2016 der Gründungsvorsitzende von Uniter war.

Die Verwicklung von Verfassungsschützern in rechtsextreme Strukturen des "tiefen Staates", in denen mutmaßlich Planungen zum Sturz der verfassungsgemäßen Ordnung ausgearbeitet werden, findet ihre Entsprechung beim Militärischen Abschirmdienst MAD - dessen Mitarbeiter scheinbar die Seiten wechselte. Seit Mitte März läuft in Köln ein Prozess gegen einen Offizier des Militärischen Abschirmdienstes, der rechtsextreme Strukturen rund um die KSK überwachen sollte.

Im Raum steht ein "ungeheurer Verdacht" (Focus). Der MAD-Mann soll das mutmaßliche Nazi-Netzwerk, das er überwachen solle, vor einer geplanten Razzia der Ermittlungsbehörden gewarnt haben. Es gehe um ein weit reichendes Netzwerk von mehr als rund 200 Personen aus Bundeswehr, Polizei, Justiz und Verfassungsschutz, erklärte Focus. Inzwischen stellen Sicherheitsexperten generell die Kontrollfähigkeit des MAD bezüglich des KSK infrage.

Zeugenaussagen würden den MAD-Offizier schwer belasten, so Focus. Ihm wird Geheimnisverrat vorgeworfen. Die rechtsextremen Verschwörer im Staatsdienst hätten "Attentate vornehmlich auf linke Politiker" geplant - unter anderem auf Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch. Die Verschwörer wollten zum "Zeitpunkt einer extremen Krise" losschlagen, angetrieben von Hass auf Linke und Flüchtlinge.

"Zunehmende Militanzbereitschaft"

Angesichts dieser sich entfaltenden Skandale scheint der Staatsapparat der Bundesrepublik denkbar schlecht gerüstet, um der zunehmenden rechten Gefahr effektiv zu begegnen. Die wachsende Szene wird militanter, die Gewaltbereitschaft nehme zu, so Verfassungsschützer. Immer öfter würden Nazigruppen für den Straßenkampf trainieren, sich militanter Methoden bedienen und Kampfsport betreiben.

Es gehe um gewalttätige Auseinandersetzungen, um den Kampf um die Straße, der vor allem gegen die Linke geführt werden solle. Es sei hier eine "übergeordnete Strategie" innerhalb der rechtsextremen Szene zu beobachten, bei der zudem verstärkt Planspiele für einen "Tag X" abliefen, an dem der krisenbedingte Zusammenbruch der staatlichen Ordnung zur faschistischen Machtergreifung genutzt werden solle.

Die Morddrohungen aus der Szene nehmen immer weiter zu. Hunderte von Drohschreiben sind in den vergangenen Monaten verschickt worden, die linke Politiker, Flüchtlinge oder progressive Projekte mit Terror, Gewalt oder Tod bedrohen. Inzwischen erhalten selbst Prominente wie Helene Fischer, die sich nach Chemnitz gegen Fremdenfeindlichkeit aussprach, Drohschreiben. Die Schreiben seien mit "Nationalsozialistische Offensive", "NSU 2.0" oder "Wehrmacht" unterzeichnet, berichteten Medien.

Das Risiko, dass dieser aufgestaute rechte Hass sich in Terrorakten entlädt, sei "permanent sehr groß", erklärte der Rechtsextremismus-Experte Matthias Quent im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Die Neue Rechte sei global vernetzt, das Medium, durch das sich diese globale Bewegung ausforme und vernetze, sei das Internet: