Der Blender: Narendra Modi

Die Gegend der Ardh Kumbha Mela 10 Tage danach. Foto: Gilbert Kolonko

In Prayagraj an den Ufern des Ganges ist Modis Politik der letzten fünf Jahre zu beobachten - und sein aktueller Wahlkampf: das Zünden von Nebelkerzen zum richtigen Zeitpunkt

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Zwischen dem 15. Januar und dem 4. März nahmen in Prayagraj knapp 120 Millionen hinduistische Gläubige bei der Ardh Kumbh Mela ein Bad und hatten den Eindruck, dass Narendra Modi sein Wahlversprechen von 2014 gehalten und den Ganges gereinigt hat.

Auch Daten des Central Pollution Control Board (CPCB) zeigten, dass das Wasser des Ganges in Prayagraj (bis 2018 Allahabad) nicht nur dem Auge nach so sauber wie lange nicht war. Der Sauerstoffgehalt hatte sich im Vergleich zum letzten Jahr verdreifacht, die Verschmutzung im gleichen Grad verringert.

Doch 10 Tage nach dem Ende der Mela stehe ich in Prayagraj an den Ufern eines verschmutzten Ganges. Dazu ist offensichtlich, dass der Wasserspiegel in den letzten Tagen rapide abgenommen hat: Die Modi-Regierung hatte mit jener des Bundesstaates Uttar Pradesh vereinbart, während der Mela etwa 225.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde zusätzlich über die Nebenflüsse in den Ganges zu leiten.

"Dazu wurden die meisten der 200 Leder-Gerbereien Kanpurs, die ihr chromverseuchtes Abwasser in den Ganges leiten, für die Zeit der Mela geschlossen", sagt Rakesh Jaiswal von der Umweltorganisation ecofriends aus Kanpur, der seit 20 Jahren gegen die Umweltverschmutzungen am Ganges kämpft.

"Doch die Industriebetriebe in Dada Nagar in Kanpur leiten ihre ungereinigten Abwasser weiterhin in den Pandu, der dann in den Yamuna-Fluss fließt, der wiederum hinter der Kumbha Mela Gegend in den Ganges mündet."

Die Leiter führt zu einem Schlafplatz für Obdachlose am verseuchten Yamuna hinter Delhi. Im Hintergrund wartet die Immobilienblase. Foto: Gilbert Kolonko

Warum es dem Ministerpräsidenten von Uttar Pradesh, dem radikalen hinduistischen Priester Yogi Adityanath, gelang, die Gerbereien zumindest für drei Monate zu schließen, liegt auch nahe: Sie gehören vorwiegend Muslimen.

Alle Maßnahmen der Verantwortlichen zielten nur darauf ab, für die Zeit der Mela den Eindruck zu erwecken, der Ganges wäre sauber. Die ersten Gerbereien in Kanpur haben den Betrieb schon wieder aufgenommen.

Rakesh Jaiswal

Die Worte von Jaiswal unterstreicht eine Studie des Central Pollution Control Board (CPCB) von 2017, die beweist, dass der Ganges an den meisten Stellen dreckiger ist als 2014. Eine weitere Studie des CPCB aus 2017/18 zeigte auf, dass nicht einmal der Monsun die Wasserqualität des Ganges verbessert, so dass die Verschmutzung vor und nach der Regenzeit die gleiche ist. Auch Dr. Gopal Krishna von ToxixWatch wiederholt seine Kritik:

Um den Ganges zu reinigen braucht es einen Plan und ein System. Modi hat weder das eine noch das andere. Er mag seine Wähler täuschen können, uns Wissenschaftler nicht.

Gopal Krishna

Ein paar Kilometer von der Kumbha-Mela-Gegend ankert eine Ansammlung von 60 kleinen Booten in der Mitte des Yamuna-Flusses. Von ihnen tauchen Männer mit Blecheimern auf den Grund hinab und bringen Sand hinauf. Sobald ein Boot vollgeladen ist, bringt es die Fuhre ans Ufer, wo ein untersetzter Mann neben großen Sandhaufen steht und sagt: "Ich zahle 50 Rupien pro Kubikfuß und bekomme 52 Rupien, wenn ich den Sand weiterverkaufe."

Riesige Blase auf dem Immobilienmarkt

Obwohl der illegale Sandraub völlig offen vor aller Augen vonstattengeht, künden die schwarzen Flecken im Gesicht des Korpulenten von einem harten Geschäft: "Die Schmiergeldforderungen der Polizisten werden immer unverschämter", sagt er mit einem Gesichtsausdruck voller Abneigung gegen die Ungerechtigkeiten dieser Erde. Warum die Regierung trotz der Schäden, die der massive Sandraub an den Flüssen Indiens anrichtet, beide Augen zudrückt, zeigt ein Blick ins Zentrum von Prayagraj.

Dort wird ein Neubau nach dem anderen aus der Erde gestampft. Ohne Sand keine Neubauten. Nur Quarzsande aus der Erde oder dem Wasser lassen sich weiterverarbeiten, da die Körner von Wüstensand durch den Wind so rundgeschliffen sind, dass sie sich wegen fehlender Kanten nicht mehr "verhaken" können.

Sandraub vor aller Augen im Yamuna in Prayagraj

Doch in der Gegend Civil-Lines ist zu sehen, dass der viele Sand gar nicht gebraucht würde: Die teuren Geschäfte in den Neubauten und die Shopping-Mall sind kaum besucht. Einzig ein kleiner Stand, der das Reisgericht Biryani günstig anbietet, ist so überfüllt, dass die Wachleute der teuren Geschäfte die herumschlemmenden Biryani-Liebhaber vertreiben müssen.

In Indien ist eine riesige Blase auf dem Immobilienmarkt entstanden, warnen selbst die sonst so optimistischen indischen Finanzzeitungen. Bis 2021 müssen Immobilien-Kredite im Wert von 14,6 Milliarden Dollar zurückgezahlt werden - doch die Preise für Wohnungen sind rapide gefallen, weil die Nachfrage stark nachgelassen hat.

Unter Modi hatte Wachstum ohne Vernunft Vorfahrt: In den letzten drei Jahren seiner Amtsjahre haben sich die NPA (non-performing assets) der indischen Banken verfünffacht - von 32 Milliarden US Dollar auf 150 Milliarden. Bei den NPAs handelt es sich um Kredite, die mehr als 90 Tage überfällig sind.

Die Schuldner von 80 Prozent dieser Kredite sind indische Konzerne, wie die Modi-freundliche Reliance Industries. Gleichzeitig leidet das Land unter der größten Arbeitslosigkeit seit 45 Jahren.