Steckt Macron hinter Chalifa Haftars Marsch auf Tripolis?

Libysche Ölfelder, Pipelines und Raffinerien. Karte: NordNordWest, Yug. Lizenz: CC BY-SA 3.0

EU-Parlamentspräsident Tajani wirft Frankreich einen "dramatischen historischen Fehler" vor

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EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani, der der italienischen Forza Italia und der christdemokratischen EVP-Fraktion angehört, hat sich in einem Interview mit dem Fernsehsender Sky TG24 indirekt hinter den italienischen Innenminister Matteo Salvini von der Konkurrenzpartei Lega und der Konkurrenzfraktion ENF gestellt. Hintergrund ist der Streit um die aktuellen Vorgänge in Libyen.

Salvini hatte vorher unter Bezugnahme auf Geheimdienstinformationen gemeint, es gebe ein Land, das um seiner eigenen ökonomischen Vorteile willen eine militärische Lösung in Libyen anstrebt. Dabei spielte er auf Frankreich an. Dieser nordwestliche Nachbar Italiens nutzt Beobachtern wie Bernd Schröder zufolge "sein regionales 'G5 Sahel'-Antiterror-Mandat, um seinen Einfluss in die Nähe der südlibyschen Grenze auszudehnen, indem es Rebellengruppen im Norden des Tschad bombardiert und [dem Warlord Chalifa] Haftar stillschweigend Unterstützung gewährt" (vgl. Libyen am Scheideweg):

Ende Januar weilte der französische Präsident Emmanuel Macron zum Staatsbesuch in Ägypten, dem großen Verbündeten Haftars. Die Franzosen setzen auf den General - und darauf, dass französischen Unternehmen wie etwa Total in einem geeinten Libyen privilegierte Rechte in der Energiebranche zugestanden werden. (Bernd Schröder)

Kontrolliert Haftar das Land, könnte Total auch dort tätig werden, wo früher das italienische Energieunternehmen Eni Öl förderte. Zum Beispiel auf den Feldern al-Wafaa und al-Feel, von denen Eni inzwischen alle seine italienischen Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen abzog.

Auch Berlusconi beteiligte sich am Sturz Gaddafis

Tajani zufolge wollte Frankreich bereits 2011 seinen Einfluss in der im Westen und Süden von ehemaligen französischen Kolonien umgebenen ehemaligen italienischen Kolonie vergrößern, indem es darauf drängte, den damaligen libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi durch einen Militäreinsatz zu stürzen. An diesem Militäreinsatz beteiligten sich dann aber nicht nur Frankreich, sondern auch das islamistische Ölemirat Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Großbritannien, die Vereinigten Staaten, Kanada, Belgien, die Niederlande, Dänemark, Norwegen, Spanien - und Italien, das damals von Tajanis Parteifreund Silvio Berlusconi regiert wurde.

Berlusconi hatte Gaddafi noch im Jahr vor dem Militäreinsatz mit großem Pomp in Rom empfangen (vgl. Gaddafi gibt Hunderten Models Koran-Lehrstunde), der damalige französische Staatschef Nicholas Sarkozy hatte sich von ihm 2006 Millionen für seinen Wahlkampf spenden lassen (vgl. Sarkozy in Polizeigewahrsam wegen libyscher Affäre).

Der Militäreinsatz, der zur Pfählung Gaddafis führte, war Tajani zufolge trotzdem ein "dramatischer historischer Fehler", dessen Preis Italien "durch die anhaltenden Migrationsströme bezahlt". Ein Ausschussbericht des britischen Unterhauses war bereits 2016 zum Ergebnis gelangt, dass man sich damals planlos in einen Regime Change stürzte und weder zureichende Informationen über die Situation in Libyen noch über mögliche Folgen eines Eingreifens verschaffte, bevor man die Armee des Landes bombardierte und mit Raketen beschoss (vgl. Zusammenbruch Libyens: Parlamentsgutachten belastet Cameron).

Russland sieht sich offiziell als neutral

2017 näherten sich die Franzosen zunehmend Haftar an, der sich im Osten des Landes als erfolgreichster Bürgerkriegsakteur herauskristallisierte (vgl. Libyen: Was haben Trump und Macron vor?), während die damals noch sozialdemokratische italienische Regierung eher auf die islamistengeprägte Allianz in Tripolis setzte (vgl. Libyen: Russland versucht ein alternatives Projekt). Offiziell betonten damals beide europäischen Mächte, sie befürworteten eine Verständigung zwischen beiden Bürgerkriegsparteien und anschließende Wahlen.

Andere Mächte, die in Libyen potenziell Interessen haben, sind außer den USA (deren aktueller Präsident Donald Trump weniger sichtbare außenpolitische Ambitionen hegt als die maßgeblich am Libyeneinsatz mit beteiligte damalige US-Außenministerin Hillary Clinton) Libyens bevölkerungsreicher Nachbar Ägypten (dessen Staatsführung in Haftar den stabilsten Abwehrschild gegen die Moslembrüder und andere Islamisten sieht) und Russland, das sich bereits zu Gaddafis Zeiten für die libysche Öl- und Gasförderung interessierte.

Daran versuchte der russische Energiekonzern Rosneft 2017 anzuknüpfen, als er mit dem von Tripolis aus kontrollierten libyschen Staatsunternehmen NOC eine Vereinbarung über die Wiederinbetriebnahme bürgerkriegsbedingt ausgefallener Ölfelder schloss.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow meinte bei einem Besuch in Kairo trotzdem, Russland bevorzuge im libyschen Bürgerkrieg keinen der lokalen Akteure. An die Europäer richtete er den Appell, ihren Einfluss dahingehend auszuüben, dass "Offensivaktionen" und "Kriegshandlungen" enden und dass man sich stattdessen wieder "an den Verhandlungstisch setzt".

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