Lauert im Web eine Gefahr für die Demokratie?

Die Verfassung der Öffentlichkeit begünstigt eine Politik, die anstehenden komplexen politischen Probleme kaum lösen kann

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Gefährdet die Online-Kommunikation, z.B. auf Social-Networking-Sites, die Demokratie? Vor ein paar Jahren hätte ich das vehement abgestritten. Damals war ich fasziniert von den neuen Möglichkeiten zur politischen Teilhabe durch das Internet.

Insbesondere ab 2011 engagierte ich mich dann auch v.a. über Facebook bei "Echte Demokratie Jetzt!", dem Vorläufer von Occupy in Deutschland. Dabei erlebte ich, dass Kooperation und Mobilisierung mittels Kommunikation in sozialen Netzwerken spontan und einfach gelingen kann. Hierdurch ermutigt, bin ich im Herbst 2011 in die Piratenpartei eingetreten. Denn der Versuch einer Ausweitung politischer Mitwirkung durch die Anwendung digitaler Technologie schien mir viel versprechend.

In den folgenden rund fünf Jahren parteipolitischen Engagements habe ich verschiedenen Erfahrungen gemacht, teils positive, teils ernüchternde. Die größte Enttäuschung lag für mich darin, dass eine bessere Beteiligung von Parteibasis und Bürgern insbesondere an der Arbeit der Landtagsfraktionen nicht funktionierte. Die selbsternannte Mitmachpartei entpuppte sich, was die die politische Sacharbeit betraf, weitgehend als "Nichtsmachpartei". Hierbei ist es auch mit Social Media und eignen Webtools zur Beteiligung nicht gelungen, einen nennenswerten politischen Austausch zu gestalten.

Deshalb sehe ich seitdem Social Media im Hinblick auf politische Diskussionen als zwiespältig an. Zwar kann zu Themen, die eine gewisse Schwelle der Aufmerksamkeit überschritten haben, wirksam mobilisiert werden. Aktuell zeigen dies #FridayforFuture und #savetheinternet. Andererseits hat das rege Twittern von Mitgliedern der Piratenpartei nicht nur keine nennenswerte Impulse für die Weiterentwicklung der inhaltlichen Positionen gebracht, aber dafür als beständige Quelle von Streit und Zwietracht zum rasanten Niedergang der Partei beigetragen.

Diese Erfahrung ist zwischenzeitlich Allgemeingut geworden. "Politische Diskussion" im Web ist geradezu zum Synonym für verbale Grenzüberschreitung geworden. Zudem sehen viele seit dem Brexit-Referendum und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten die Social-Networking-Sites als eine Gefahr für die Demokratie an.

Dies versuche ich im Folgenden zu hinterfragen. Dazu will ich erörtern, wie sich seit dem Beginn der massenhaften Anwendung von Web 2.0-Technologien die politische Öffentlichkeit entwickelt hat. Dabei gehe ich zunächst der Frage nach, warum sich die Hoffnungen von Optimisten wie mir nicht erfüllt haben. Anschließend sollen die Folgen für die mediale Öffentlichkeit der redaktionellen Nachrichtenmedien durch die zunehmende Verlagerung ihres Publikums ins Web beleuchtet werden. Dann wird ein Blick auf die neueren Entwicklungen der Nutzung von Informations- und Kommunikationsmitteln geworfen und ihr Einfluss auf die politische Meinungsbildung skizziert. Abschließend möchte ich die Frage diskutieren, ob und wie unsere Demokratie gefährdet ist. Dies geschieht zum einen im Hinblick auf die Demokratie des Grundgesetzes der BRD, zum anderen anhand von Positionen aus der Literatur, insbesondere von John Stuart Mill und Walter Lippmann.

Ergebnis dieser Erörterung ist es, soviel sei vorweg verraten, dass die Demokratie (was auch immer damit gemeint ist) durch die Entwicklung der Kommunikationsverhältnisse allein nicht gefährdet ist. Aber die aktuellen Entwicklungen versetzten den Hoffnungen auf eine bessere Politik einen herben Dämpfer.

Worin die Optimisten irren

Vor rund 15 Jahren wurde der Ausdruck Web 2.0 populär gemacht. Für viele Internet-User bedeutet Web 2.0 vor allem die Möglichkeit, auf Plattformen zu kommunizieren und Inhalte zur Verfügung zu stellen. Beispiele sind Facebook (gegründet 2004) oder YouTube (2005). Die Plattformen wurden rasch beliebt und um das Web 2.0 entwickelte sich ein regelrechter Hype. Er gipfelte 2006 mit der Auszeichnung von You als Person of the Year durch das Time Magazin. Damit wollte das Time Magazin die Vernetzung und das Zusammenwirken von Leuten "wie du und ich" im Web 2.0 würdigen.

Neben der Aussicht auf einträgliche Geschäfte durch die Bewirtschaftung von user-generated-content und durch microtargeting optimierter Werbeschaltung, übten auch die Potentiale des Web 2.0 für politische Diskussion, Mobilisierung und Organisation eine große Faszination aus. Der alte Traum, durch neue Informationstechnologien den gesellschaftlichen und politischen Fortschritt zu beflügeln, trieb neue Blüten.

Die neuen Plattformen (Blogs, Social Media, etc.) ermöglichen es nun auch Nutzern mit geringen technischen Fertigkeiten, eine Webpräsenz aufzusetzen. So wurde es immer leichter, eigene Standpunkte öffentlich dazulegen, Beiträge zu Diskussionen abgeben und in Verbindung mit Gleichgesinnten zu treten. Einige Autoren sahen hierin die Entstehung einer virtual public sphere und eine Chance auf die Intensivierung der politischen Partizipation (siehe hierzu z.B.: Brian D. Loader, Dan Mercea (2011): Networking democracy? Social media innovations in participatory politics). Sie erwarteten eine breitere Beteiligung in Aushandlungsprozessen und somit an der öffentlichen Meinungsbildung. Dies könnte einen Beitrag zur Revitalisierung der Demokratie leisten. Diese Hoffnungen haben sich in den letzten Jahren in ihr Gegenteil verkehrt. Die Social-Media-Plattformen werden jetzt vor allem als Bühnen für Hetze und zur Verbreitung von Lügen betrachtet. Auch wird in ihnen ein Grund für gesellschaftliche Polarisierung und Verrohung gesehen.

Ist der gegenwärtige Pessimismus überzogen? Gibt es nicht eine große Vielfalt offener Online-Communities, die sich fruchtbringend und in angemessenen Ton über verschiedenste Themen austauschen? Die gibt es tatsächlich. Aber oftmals widmen sich die funktionierenden Communities special interest-Themen. Der Austausch über politische Streitfragen hingegen eskaliert in schöner Regelmäßigkeit und führt selten zu mehr als zerbrochenem Porzellan. Hierfür gibt es Gründe. Denn die Optimisten irren in einigen Punkten und unterschätzen die Hürden, die einer Belebung der öffentlichen Meinungsbildung durch die Ausweitung der Möglichkeiten zur Partizipation entgegenstehen.

Der erste Irrtum besteht in der Annahme, dass ein erweitertes und allgemein zugängliches Informationsangebot ein besser informiertes Publikum hervorbringt. Denn das Angebot an Nachrichten ist für sich nicht wirksam, sondern die Rezeption der Nachrichten durch das Publikum. Die Aufnahmebereitschaft ist jedoch begrenzt. Dies gilt in besonderem Maße, wenn es um allgemeine Belange geht, deren Bedeutung für das Leben jedes Einzelnen oftmals nicht leicht zu begreifen ist.

Bereits in den 1920er-Jahren verweist Walter Lippmann auf die geringe Neugierde, die solchen Angeboten entgegengebracht wird. Während einige Männer, so Lippmann, für Dinge wie beispielsweise Motorsport, Autos und Kartenspiele viel Geld und Zeit aufwenden würden, fehle ihnen für die Beschäftigung mit anderen Themen oftmals die Motivation. Über diese Männer sagt er: "Sie leiden unter Blutarmut und an einem Mangel an Appetit und Neugierde. Der Zugang zur äußeren Welt stellt für sie kein Problem dar. Welten von Interesse warten auf ihre Entdeckung, aber sie werden von ihnen nicht betreten." (Lippmann 2018, S.90) Neben der Konformität mit dem sozialen Umfeld, gibt Lippmann hierfür eine weitere Erklärung: "Wir interessieren uns nicht sehr für Dinge, die wir nicht sehen, und lassen uns von ihnen nicht erregen. Wir alle sehen nur äußerst wenig von den öffentlichen Angelegenheiten…" (ebd. S. 168).

Ergänzend hierzu gibt John Dewey einen Hinweis auf die Ausweitung von Unterhaltungsangeboten, in denen er einen weiteren Grund für das geringe Interesse an der Politik sieht: "Die Zunahme der Amüsements an Zahl, Verschiedenartigkeit und Wohlfeilheit stellt eine starke Ablenkung von der Politik dar. … Bedeutsam ist, daß der Zugang zu den Vergnügungsmitteln unvergleichlich leichter und billiger als je in der Vergangenheit gemacht worden ist." (Dewey 1996, S. 121f) Dieser Befund stammt aus dem Jahr 1927, aus einer Zeit als Radio und Kino die neuen Medien waren. Seitdem ist das Angebot an Unterhaltung in einer damals unvorstellbaren Art und Weise vergrößert worden.

Fernsehen, Video(-streaming) und Videogames haben die eingesetzte Zeit für Medienkonsum vervielfacht. Im Jahr 2016 werden 462 Minuten als durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer audiovisueller Medien (Fernsehen, Radio, Tonträger, Video) in Deutschland genannt. Zwar sind Nachrichtensendungen das beliebteste TV-Format, aber das Gros der Sendezeit wird für Unterhaltung eingesetzt (siehe: Statista-Dossier "Fernsehen in Deutschland").

Im Web 2.0 haben Viele zusätzlich die Möglichkeit, selbst an der Erweiterung des Angebots mit zu wirken. Zwar werden die Möglichkeiten der Erstellung von user-generated-content nur relativ verhalten genutzt. Das Publikum verwendet aber einiges an Zeit darauf, den Content anderer User zu betrachten. Dabei interessiert überwiegend Content zu privaten (speziellen) Interessen und zur Unterhaltung. So ist auch mit Blick auf die rapide steigende tägliche Nutzungsdauer des Internets anzunehmen, dass sie die Berührung mit Fragen von allgemeiner Bedeutung eher einschränkt, wenn die eingesetzte Zeit dann für die Beschäftigung mit allgemeinen Nachrichten fehlt. Denn es kann mit einer gewissen Berechtigung angenommen werden, dass die zunehmende Onlinezeit überwiegende von Videostreaming, Katzenbildern, Emoji-Chatting, Games und ähnlichem absorbiert wird.

Dies bestätigt für Kinder und Jugendliche z.B. die JIM-Studie 2018. In dieser geben beispielsweise 90% der Befragten an, täglich oder mehrmals pro Woche Online-Videos zu schauen. Digital Spiele nutzen 58% in dieser Häufigkeit. Bücher lesen in dieser Häufigkeit 39% der Befragten, Tageszeitungen auf Papier 21% und online 19%. (S. 13)

Ein weiterer grundsätzlicher Irrtum liegt darin, anzunehmen, dass mehr Teilnehmer bzw. Beiträge bei Diskussionen positiv für ihre Ergebnisse sind. Diese Masse alleine kann die Qualität einer Diskussion nicht verbessern. Eine fruchtbaren Diskussion zeichnet sich dadurch aus, dass: a) in ihr möglichst alle relevante Positionen dargestellt werden,
b) die Positionen sachlich begründet werden,
c) Kritik an den Positionen sachlich begründet wird,
d) eine sachliche und faire Abwägung zwischen den Positionen stattfindet (oder zumindest dem Zuhörer ermöglicht wird).

Hierfür ist in der Regel keine große Teilnehmerzahl erforderlich - im Gegenteil, sie ist oftmals eher hinderlich. Dies gilt auch für ihre Wirkung auf das Publikum. Diskussionen allgemeiner Angelegenheiten können nur dann eine Wirkung entfalten, wenn sie ein relevantes Publikum erreichen. Eine große Anzahl an Diskussionsteilnehmern stellt ein Hindernis dar, denn die resultierende Unübersichtlichkeit und die inhaltlichen Redundanzen schrecken potentielle Zuhörer oder Leser ab. Dies gilt in besonderem Maße für schriftlich ausgetragene Diskussionen. Bei diesen ist schnell die Grenze überschritten, ab der die Menge an Text mehr Aufmerksamkeit erforderlich macht, als die Leser bereit sind, einer Sache zu widmen. Bei einem Thema von allgemeiner Bedeutung wird, wenn überhaupt, nur eine konzentrierte Diskussion einer kleinen Zahl kompetenter und relevanter Diskutanten das Interesse eines größeren Publikums gewinnen.

Was von den Optimisten ebenfalls unterschätzt oder ignoriert wurde, ist die simple Tatsache, dass es in öffentlichen Diskussionen eine Rolle spielt, wer eine Position vertritt. Die Meinung einer Einzelperson zu irgendetwas ist für die Öffentlichkeit meist unerheblich. Wenn jemand als Vertreter einer Gruppe Stellung in einer Sache bezieht, die diese Gruppe betrifft, dann ist dies relevanter - zunächst für die Mitglieder dieser Gruppe und für Andere, die von der Sache ebenfalls betroffen sind. Die Relevanz steigt weiter mit der Größe der Gruppe der Betroffenen. Im Web 2.0 haben nun alle die Möglichkeit, ihre Meinung kundzutun. Wenn sie es jedoch tun, wird sich kaum jemand dafür interessieren. Es sei denn, jemand hat dieselbe Meinung oder sieht sich zu einer Erwiderung herausgefordert. Was uns zum nächsten Punkt führt.

Jeder, der ein wenig in Foren oder Kommentarspalten gelesen hat, weiß: Kaum etwas behindert den Meinungsaustausch so stark, wie eine unzulängliche Streitkultur. Unsachliche Argumente, v.a. solche ad hominem oder ad personam führen oft dazu, dass die Angegriffenen zu ebensolchen Mitteln greifen und der Streit eskaliert. Dann wird die Aufmerksamkeit des Publikums von der Sache auf die Auseinandersetzung gelenkt. Je nach Präferenz holen die unfreiwilligen Zeugen dann Popcorn raus oder verlassen den Schauplatz. Rauflustige Zeitgenossen werden die Gelegenheit nutzen, um im argumentativen Handgemenge mit zu mischen. Selbst in Fällen, in denen die ursprünglich Angegriffenen das weitere Gespräch verweigern, findet sich oftmals jemand, der für sie Partei ergreift und an ihrer Stelle den Streit weiterführt. Innerhalb kurzer Zeit werden die am Inhalt Interessierten Reißaus nehmen und es bleiben jene, die Randale suchen (siehe so ziemlich das verdammte ganze Internet).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, die technischen Möglichkeiten des Web 2.0 zur einfachen Erstellung von user-generated-content sind alleine nicht hinreichend, um die politische Öffentlichkeit und die Demokratie zu beleben. Die real existierende virtual public sphere zeigt sich in schlechter Verfassung. In der Regel finden hier sachliche Beiträge zu allgemeinen Angelegenheiten nur wenig Publikum. Ein sachlicher Austausch zu allgemeinen Fragen mit relevanten Beiträgen und nennenswerter Reichweite findet nur selten statt. Entwickelt sich zu einer Sache eine längere Diskussion, werden sich nur wenige die Mühe machen, ihr vollständig und aufmerksam zu folgen.

Was das Web 2.0 mit der medialen Öffentlichkeit gemacht hat

Die politische Öffentlichkeit ist seit dem 19. Jahrhundert vor allem eine Öffentlichkeit der Massenmedien, geprägt durch redaktionelle Nachrichtenmedien (Zeitungen, Zeitschriften, Radio, Wochenschau, Fernsehen). Dies bedeutet, dass dem Publikum Zusammenstellungen von ausgewählten Nachrichten, Reportagen, Kommentaren, etc. angeboten werden, die nach bestimmten Kriterien (Nachrichtenwert) ausgesucht und nach bestimmten Standards inhaltlich gestaltet werden.

Diese Standards sind aber keine Garanten für ein inhaltlich korrektes und umfassendes Informationsangebot zur politischen Meinungsbildung durch eine einzelne Zeitung oder einen Fernseh- bzw. Radiosender alleine. Denn zum einen kommen Falschmeldungen und verzerrte Darstellungen zumindest von Zeit zu Zeit vor, auch wenn sich Presseverbände hohe journalistische Standards auferlegt haben, z.B. im Pressekodex des deutschen Presserates. Ein neueres Beispiel ist die Causa Claas Relotius. Zum anderen verfolgen die einzelnen Medienhäuser, auch wenn sie sich als überparteilich und unabhängig bezeichnen, nicht den Anspruch, politisch neutral zu berichten. Sie berichten und kommentieren vielmehr aufgrund eines bestimmten politischen Standpunktes (Redaktionslinie). Entsprechend geben sie jeweils nur Positionen innerhalb eines bestimmten Spektrums Raum.

Erst eine Vielfalt an Publikationen und Sendern bildet eine einigermaßen ausreichende Grundlage der Meinungsbildung. Die interessierten Bürger können sich dann aus dem (hoffentlich vielfältigen) Angebot eines oder mehrere präferierte Medienprodukte auswählen oder auch mehrerer Beiträge zu einer Sache untereinander vergleichen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Publikum so gleichermaßen Zugang zu allen gesellschaftlich relevanten Themen erhält. Denn es gibt blinde Flecke der Berichterstattung, die auf die allgemeinen redaktionellen Auswahlkriterien gründen. Auch die Standards für die Gestaltung von Berichten und Kommentaren sorgen für ein verzerrtes Bild. Sie fordern von den Journalisten die Emotionalisierung, Personalisierung und Dramatisierung der Beiträge. Das ist zwar nicht ideal, doch auch nicht übermäßig dramatisch, da einem interessierten Publikum diese Verzerrungen bekannt sind, oder zumindest bekannt sein könnten.

Mit der Popularisierung des Internets, die mit der Entwicklung von Web 2.0-Angeboten einen weiteren Schub erhalten hat, sind neue, kostengünstige Wege zur Veröffentlichung von Nachrichten und Meinungsäußerungen für nahezu jeden entwickelt worden. Dies bedeutet für die redaktionellen Nachrichtenmedien das Heranwachsen einer ernstzunehmenden Konkurrenz um Aufmerksamkeit und Werbeschaltungen.

Die Nutzung der Angebote von etablierten Medienhäuser hat sich seitdem wie folgt entwickelt: Die Tageszeitungen (Print) haben an täglicher verkaufter Auflage verloren. Im Jahr 2004 betrug diese noch 21,7 Millionen Stück. Im Jahr 2018 waren es nur noch 14,1 Millionen Auch die Zahl der Abonnenten ging deutlich zurück. Liegt der Anteil der Personen, mit einem Tageszeitungsabonnement in ihrem Haushalt im Jahr 2004 noch bei 65,3%, so sind es im Jahr 2018 nur noch 40,3%. Für die Zukunftsaussichten der Tageszeitung betrüblich ist auch der Rückgang des Anteils der regelmäßigen Zeitungsleser unter Kindern und Jugendlichen. Gaben im Jahr 2004 noch 46% der befragten Kinder und Jugendlichen an, täglich oder mehrmals wöchentlich eine Tageszeitung zu lesen, waren es 2018 nur von 21% (Print) und 12,5% (Online), die in dieser Frequenz die Angebote der Zeitungsverlage nutzten. Auch das Fernsehen verliert an Zuschauern unter den Kindern und Jugendlichen. Es war 2004 die häufigste Medienbeschäftigung in der Freizeit. Damals gaben 92,5% der Befragten an, täglich oder mehrmals pro Woche fernzusehen. Im Jahr 2018 ist es auf den fünften Platz zurück gefallen und nur noch 73,5% der Befragten nutzen es in dieser Frequenz (siehe: JIM-Studie 2004 und JIM-Studie 2018)

Bei sinkender Nachfrage verschärft sich die Konkurrenz zwischen den Anbietern. Dies zeigt sich insbesondere am Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt. Die wirtschaftliche Situation der Rundfunkanbieter ist wegen der starken Stellung der öffentlich-rechtlichen Sender eine andere. Ein Blick auf die Entwicklung der Umsätze auf dem deutschen Zeitungsmarkt zeigt, dass die Gesamtumsätze seit einem Höchststand von 9.278 Mrd. EUR im Jahr 2007 stagnieren. Sie fielen auf 7,778 Mrd. EUR im Jahr 2017. Für die kommenden Jahre wird mit weiter sinkenden Gesamtumsätzen gerechnet. Betrachtet man die Entwicklung der Umsatzsegmente, so zeigt sich, dass die Werbeeinnahmen der Printausgaben deutlich geschrumpft sind und die wachsenden Vertriebs- und Werbeeinnahmen der Digitalangebote diese Verluste bisher nicht ausgleichen können.

Die Einnahmen für Online-Werbung landen in steigendem Maße beim Google-Mutterkonzern Alphabet und bei Facebook. Im Jahr 2018 haben sich die beiden Konzern 56,4% vom weltweiten Online-Werbekuchen gesichert und es werden für sie weiter steigende Anteile erwartet. Der Anteil der Publisher an den Werbeeinnahmen im Netz, insbesondere der Verlagshäuser, ist deshalb bereits rückläufig. Dennoch sehen die Verlagshäuser ihre Zukunft im Digitalen. Sie bauen die Angebote aus und versuchen Bezahlmodelle am Markt zu etablieren. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass dadurch in einer vergleichbaren Verlässlichkeit Einnahmen und Reichweite generiert werden können, wie dies bislang bei den Abonnenten der Printausgaben der Fall ist.

Umso mehr stehen die Verlage in einem starken Wettbewerb um traffic auf ihren Online-Angeboten. Durch den verschärften Wettbewerb begünstige laut dem Medienwissenschaftler Wolfgang Schweiger folgendes Handlungsmuster auf Seite der Nachrichtenproduzenten: "Und je höher die Abhängigkeit von Reichweiten, desto mehr achten Journalisten auf massenattraktive Inhalte mit Promis, Skandalen, Sex & crime. Komplexe politische Argumentationen interessieren den Großteil des Publikums nicht - seien sie noch so gesellschaftsrelevant und rational." (Schweiger 2017, S. 58)

Entsprechende Anpassungen der Redaktionslinien sind in den Publikationen vieler Verlagshäusern zu beobachten. Über alle Sparten hinweg ist spätestens seit den neunziger Jahren ein wachsendes Bemühen zur weiteren Steigerung der Konsumierbarkeit der Medienprodukte zu beobachten. Vermeintlich schwierige Sachthemen werden mehr und mehr in der Form von kleinen Geschichten verpackt und die Sachverhalte dabei oftmals grob vereinfacht dargestellt. Es gilt nun als Ausweis guten, preiswürdigen Journalismus, wenn die Beiträge emotional berühren und den Lesern oder Hörern Kino im Kopf erzeugen. Wer Zweifel hegt, dass sich die Berichterstattung derart geändert hat, dem ist zu empfehlen, sich eine beliebige Ausgabe der Tagesschau aus den 70er- oder 80er-Jahren anzusehen oder einen Blick in eine Süddeutsche, Frankfurter Rundschau, FAZ oder Die Zeit aus diesem Zeitraum zu werfen.

Um traffic für die Online-Angebote zu generieren, sind die Redaktionen darüber hinaus gezwungen, ihre Angebote im Hinblick auf eine vordere Platzierung in den Ergebnissen der Suchmaschinen (SEO) zu optimieren. Auch deshalb wird die Gestaltung der Portale und Beiträge der unterschiedlichen Häuser immer ähnlicher. Eine weitere wichtige Quelle für traffic sind die Social-Networking-Sites. Hier müssen die Häuser nicht nur mit eigenen Accounts oder Pages auffindbar sein, vielmehr ist es für die Nachrichtenanbieter wichtig, dass ihr Content geteilt wird, also "viral geht". Dafür werden zum einen gerne Multimedia-Elemente eingesetzt. Zum anderen setzt man auf einschlägige Themen mit entsprechend zugespitzten Überschriften.

Die Anbieter bemühen sich zudem darum, eine möglichst lange Verweildauer der Nutzer auf ihren Online-Portalen zu erreichen. Hierzu werden zum einen die Seiten in ihrer Gestaltung aufgrund von Nutzeranalysen optimiert. Zum andern wird auch spezieller Content wie Fotostrecken und interaktive Animationen produziert, der die Nutzer zum Verweilen einladen soll. Dies trägt dazu bei, dass mehr und mehr Beiträge der Presse nicht mehr (nur) in Textform aufbereitet werden.

Zusammenfassend ist festzustellen: Auch die Reaktionen der Massenmedien auf die neue Konkurrenz des user-generated content und der Einsatz von Web 2.0-Technologien durch die Medienhäuser haben die mediale Öffentlichkeit verändert - jedoch nicht nur zum Guten im Sinne einer informierten Meinungsbildung. Obwohl noch nie so viel geschrieben, publiziert und gesendet wurde wie heute, wirkt die mediale Öffentlichkeit merkwürdig öde. Sie ist nicht leer. Aber sie ist eintönig im Hinblick auf Themenwahl, Formate und Gestaltung der Beiträge.

Gründe hierfür sind nicht nur journalistische Moden, sondern auch ökonomischen Zwänge auf Seiten der Redaktionen in einem Wettbewerb um Aufmerksamkeit im medialen Überangebot. In diesem Wettbewerb setzen die Redaktionen auf die Homogenisierung der Form als Optimierung im Dienste besserer Auffindbarkeit und Maximierung der Verweildauer, sowie auf die ständige emotionale Stimulation des Publikums zur Vergrößerung der Reichweite.

Entwicklung der Nutzung von Informationsquellen

Wie oben beschrieben, ist seit 2004 ein Rückgang bei der Leserschaft der Tageszeitungen zu verzeichnen. Anstelle der Printausgaben werden zunehmend die Online-Angebote der Medienhäuser genutzt. Positiv im Hinblick auf eine umfassende Information ist hier die Möglichkeit, einfach und kostengünstig die Beiträge verschiedener Redaktionen zu einem Thema nebeneinander zu stellen. Hinsichtlich des Leseverhaltens sind deutliche Unterschiede bei Print und Online-Angeboten anzunehmen.

Es ist davon auszugehen, dass die Käufer von Zeitungen oder Zeitschriften im Print diese in der Regel von vorne bis hinten durchblättern und Beiträge in verschiedenen Rubriken lesen. Radiohörer und Fernsehzuschauer mit Interesse an allgemeinen Angelegenheiten hören oder sehen regelmäßig Nachrichten. So gewinnen die Leser, Hörer und TV-Zuschauer mit der Zeit einen "integrierten Nachrichtenüberblick" (Schweiger 2017, S. 34). Von Besuchern von Online-Portalen von Zeitungen und Zeitschriften, Radio- oder TV-Sendern kann nicht in gleicher Weise davon ausgegangen werden, dass sie einen solchen Überblick über die Nachrichtenlage erlangen. Vielmehr kann erwartet werden, dass die meisten Besucher zunächst nur die Startseite mit den Top-Themen betrachten und von hier den Links auf einige Beiträge folgen. Darüber hinaus werden von einigen Besuchern eventuell noch die favorisierten Rubriken über das Navigationsmenü aufgerufen.

Es ist also insgesamt eine selektivere Rezeption zu vermuten, bei der v.a. geklickt wird, was die Neugierde unmittelbar weckt oder in die Themenbereiche fällt, die den Einzelnen besonders interessieren. Erfolgt der Zugang zu Beiträgen über Aggregatoren wie Suchmaschinen, Social Network Sites oder Feeds, ist der Nachrichtenkontakt personalisiert. Die Auswahl der Meldungen erfolgt dann aufgrund von angegebenen oder angenommenen Interessen der einzelnen Nutzer, was einen noch engeren Fokus bei der Auswahl von Berichten begünstigt. Schweiger nennt dies "granularsierten Nachrichtenkontakt" (ebd. S. 81f). Neben der Verringerung der Vielfalt an unterschiedlichen Nachrichten, die dann noch zu Kenntnis genommen werden, ist hierbei auch davon auszugehen, dass oftmals der Kontext der Nachrichten nur unzureichend bekannt ist, was für das Verständnis hinderlich ist.

In ihrer Untersuchungen zur Nutzung von algorithmisch personalisierten Nachrichtenkanälen (APN) haben Wolfgang Schweiger et al. bei Studienteilnehmern aus Deutschland keine direkte Korrelation zwischen dem APN-Nutzungsanteil und polarisierten Meinungen festgestellt. Jedoch konnten eindeutige Zusammenhänge zwischen der individuellen Neigung zur Nutzung algorithmisch personalisierter Nachrichtenkanäle und extremeren (rechten) Meinungen gezeigt werden, wenn auch Interaktionen mit den Items Alter und formaler Bildung in den Blick genommen werden. Dann korreliert der APN-Nutzungsanteil und Polarisierung stark, jedoch bei Älteren und Jüngeren bzw. bei Niedriger- und Höhergebildeten diametral entgegengesetzt. Bei über Fünfzig-Jährigen und bei Niedriggebildeten zeigt sich ein Zusammenhang dergestalt, dass mehr APN-Nutzung und extremere (rechte) Meinung korrelieren. Bei Jüngeren und Höhergebildeten hingegen korrelieren mehr APN-Nutzung mit moderateren Meinungen (Schweiger et al. 2019, S. 104ff).

Die Autoren weisen ausdrücklich darauf hin, dass hiermit keine Kausalitätsrichtung festgestellt ist. Neben einem Einfluss der Nutzung bestimmter Nachrichtenkanäle auf die politische Einstellung, könne auch die umgekehrte Kausalität vorliegen. Als genauso plausibel könne auch angenommen werden, dass Individuen mit extremen Meinungen vorzugsweise solche Nachrichtenkanäle nutzen, die sie vor meinungsdissonanten Inhalten "schützen" bzw. in denen sie ihre extremen Meinungen selbst am besten verbreiten können (ebd. S. 81).

Im Internet sind zudem die Angebote "alternativer Medien" aller Couleur zu finden. Als alternativ werden Medien bezeichnet, die das Kriterium der Ausgewogenheit für sich ablehnen und mit ihren Veröffentlichungen eine bestimmte (ggf. politische) Absicht verfolgen. Begünstigt durch die geringen Bereitstellungskosten im Web, können hier zahlreiche kleine und kleinste Medienunternehmungen abseits des Mainstreams ihre Angebote dem Publikum bereitstellen. Vor allem alternative Medien aus dem rechten Spektrum erreichen ein wachsendes Publikum. Hier haben die neueren Online-Angebote eine deutlich höhere Reichweite als ihre gedruckten Vorgänger und frühere Online-Angebote. Ein wichtiger Faktor bei der Gewinnung von Lesern ist hierbei das Teilen ihrer Inhalte auf Social-Networking-Sites. Die Social Media Charts der Website 10000flies.de dokumentieren die Erfolge von rechtsalternativen Medien auf diesem Wege (ebd. S. 48f).

Neben der journalistischen Nachrichtenwelt finden sich im Internet weitere Angebote und Inhalte in unüberschaubarer Menge. Mit der Entwicklung von Web 2.0 hat das Informationsangebot durch user-generated-content, oder in Schweigers Worten "öffentliche Bürgerkommunikation", explosionsartig zugenommen. Ob in Blogposts, Videos, Podcasts aber auch auf offenen Facebook-Fanpages und in Facebook-Gruppen, usw. - zu allen erdenklichen Themen sind Beiträge unterschiedlichster Qualität zu finden. Jüngere Internet-User nutzen bevorzugt diese Angebote als Informationsquellen.

Die Informationssuche macht laut der JIM-Studie 2018 bei Kindern und Jugendlichen rund 10% der Online-Aktivitäten aus (S. 33). Bei der Suche nach Informationen greifen Kinder und Jugendliche zu 61% täglich oder mehrmals pro Woche auf YouTube zu. Die Videoplattform ist damit nach den Suchmaschinen das zweitmeist gewählte Informationsangebot. Zudem suchen 25% täglich oder mehrmals pro Woche Nachrichten bei Facebook und Twitter. Die Wikipedia nutzen zu diesem Zweck 33% in dieser Häufigkeit, die Nachrichtenportale von Zeitungen nur 23%, von Zeitschriften 18% und von TV-Sendern gar nur 8% (S. 52).

Zusammenfassend ist festzuhalten: Alle drei dargestellten Tendenzen tragen zu der scheinbar paradoxen Situation bei, dass nun, da ein breites Informationsangebot und der Zugang zu Nachrichten in historisch beispielloser Weise gegeben sind, bei weiten Bevölkerungsteilen eine Verschlechterung im Hinblick auf die Informiertheit zu allgemeinen Belangen angenommen werden muss. Aus der Menge der Nachrichten und Informationen werden zunehmend die "Aufreger" oder die Berichte zu Themen, für die man ein besonderes Interesse hegt, wahrgenommen. Daneben werden mehr und mehr Angebote von tendenziösen, alternativen Medien rezipiert, die sich weder zu Wahrhaftigkeit noch zu Ausgewogenheit verpflichten, sondern die Beförderung von politischen Zielen verfolgen. Zudem werden zumindest von Jugendlichen in hohem Maße Quellen von unzuverlässiger Qualität zur Information herangezogen.

Neuere Kommunikationskanäle und ihr Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung

Neben der Nutzung von Nachrichten- und Informationsangeboten übt auch die Nutzung von Apps und Social-Networking-Sites als Kommunikationsmittel einen prägenden Einfluss auf die Meinungsbildung aus. Hier zeichnet sich ein Trend ab, der einen Rückbau der virtual public sphere bedeutet: Dark Social.

Während in den Kommentarspalten sowie in Blogs und auf Social-Networking-Sites die Beiträge meist öffentlich oder für eine größere Teilöffentlichkeit zugänglich sind, findet die Online-Kommunikation nun mehr und mehr in geschlossenen Chats auf Messengerdiensten statt. Diese von außen nicht zugänglichen Kanäle werden "dunkel" genannt, weil es für Websitebetreiber nicht ersichtlich ist, von wo die Besucher auf ihre Site kommen, wenn sie z.B. auf Links klicken, die in Chats geteilt werden. Politische Kommunikation auf diesen Kanälen bringt ihre eigenen Probleme mit. Eine Besonderheit hierbei ist, dass sie praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgt.

Da sie überwiegend zwischen Gleichgesinnten stattfindet, bleiben auch die aberwitzigsten Fehlinformationen oftmals unhinterfragt und unwidersprochen. Aufgrund des Vertrauensvorschuss, den vertraute Personen gegenüber Unbekannten oder anonymen Institutionen genießen, werden solche Botschaften auch arglos und unkritisch weiterverteilt. Es gibt Hinweise darauf, dass die Verbreitung von Falschnachrichten zu politischen Zwecken professionell betrieben wird, so z.B. im Wahlkampf des brasilianischen Präsidenten Bolsonaro oder von Hindu-Nationalisten in Indien.

Auch auf Social-Networking-Sites werden Falschnachrichten verbreitet. Hierzu haben Soroush Vosoughi, Deb Roy und Sinan Aral haben in ihrer Studie "The spread of true and false news online" (2018) festgestellt, dass sich Fehlinformationen auf Twitter signifikant schneller und weiter verbreiten als Tweets mit zutreffenden Information. Dabei sind falsche politische Nachrichten stärker viral gegangen und haben mehr Menschen erreicht als falsche Nachrichten aller anderen Kategorien. Als Erklärungsansatz haben die Autoren geprüft, ob die Tweets mit Falschinformationen in höherem Maße Neuigkeiten enthielten. Denn Neuigkeiten werden hier als Informationen angesehen, die für die Kommunikation besonderen Wert haben. Sie erregen die menschliche Aufmerksamkeit, da sie zu produktiver Entscheidungsfindung beitragen. Zudem werde das Teilen von Informationen durch Neuigkeiten begünstigt, da sie unser Verständnis von der Welt erneuern.

Neue Informationen sind dabei nicht nur überraschend, sondern auch wertvoll, sowohl in informationstheoretischer als auch in sozialer Hinsicht. Tatsächlich konnte festgestellt werden, dass die Tweets mit falschen Nachrichten in signifikant höherem Maße Neuigkeiten enthielten. Da Dark-Social-Kommunikation den Blicken einer potentiell kritischen Öffentlichkeit in (noch) geringerem Maße ausgesetzt ist als öffentliche Tweets, kann davon ausgegangen werden, dass hier die Neigung zum Verbreiten falscher Nachrichten mindestens genauso ausgeprägt ist.

Die Frage, ob der Einsatz neuer Kommunikationskanäle einen wesentlichen Beitrag zu einer wachsenden Polarisierung der politischen Meinungen leistet, wird in Feuilleton und Wissenschaft diskutiert. So stellt beispielsweise die Studie "Beyond Binary Labels: Political Ideology Prediction of Twitter Users" (2017) von Daniel Preoţiuc-Pietro et al. fest, dass unter US-amerikanischen Twitter-Usern diejenigen, die sich als extrem liberal oder konservativ einschätzen, deutlich mehr zu politischen Inhalten twittern als politisch moderate User.

Die Studie "Emotion shapes the diffusion of moralized content in social networks" (2017) von William J. Brady et al. untersucht die virale Verbreitung von Tweets. Im Hinblick auf die politische Polarisierung wird folgendes Ergebnis erzielt: Wenn Tweets Ausdrücke von moral emotion enthalten, begünstigt dies ihre Ausbreitung in political in-group networks stärker als in out-group networks. Dieses Resultat wird als Hinweis auf einen Prozess gesehen, der möglicherweise einen Beitrag zur Erklärung der wachsenden Polarisierung zwischen Liberalen und Konservativen leisten kann. In dem Maße, in dem die Verbreitung von Nachrichten mit moral-emotional content durch Gruppengrenzen eingeschränkt werde, finde die Kommunikation über morality eher innerhalb von Echokammern statt. Dies könnte die ideologische Polarisierung verschärfen.

Neben der spontanen Kommunikation von Privatleuten, sind Social-Networking-Sites auch ein Schauplatz von Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und politischem Campaigning. Verbände, Parteien und einzelne Amts- und Mandatsträger nutzen die Möglichkeiten des Web 2.0 um ihre Positionen zu kommunizieren, ihre Bekanntheit zu erhöhen und in den Austausch mit interessierten Bürgern zu kommen. Neben dieser legitimen und transparenten Öffentlichkeitsarbeit, sind auch Versuche bekannt geworden, die technischen Möglichkeiten des Web 2.0 zum Zwecke der Manipulation ein zu setzten. Es gibt Hinweise, dass "Troll-Armeen" in staatlichem Auftrag Desinformationskampagnen durchführen. Dabei sollen in großem Stil Falschmeldungen (Fake-News) verbreitet werden. Durch koordinierte Twitter-Tiraden, Aufrufe zu Shitstorms oder massenhaften Kommentieren versuchen verdeckt operierende Netzwerke von Netzaktivisten, wie "Reconquista Germanica" den Eindruck zu erwecken, eine Meinung sei weiter verbreitet oder eine Gruppe größer und wichtiger, als sie tatsächlich ist. Dabei werden auch Fake-Accounts (Sockenpuppen) und möglicherweise social bots eingesetzt.

Die Koordination zu gemeinsamen Irreführung ist ein internationales Phänomen und hat ein Ausmaß erreicht, dass z.B. Facebook dazu veranlasst hat, Maßnahmen zu ergreifen, um dem entgegen zu wirken. Dazu hat das Unternehmen begonnen, Seiten und Accounts wegen coordinated inauthentic behavior zu entfernen. So z.B. wenn vermutet wird, dass mehrere Accounts dabei zusammen arbeiten, andere durch Täuschung zu Clicks, Shares und Likes zu bewegen.

Zusammenschau: Mehr Bewirtschaftung der Emotionen und weniger öffentliche Meinungsbildung

Obwohl die neue Vielfalt an medialen Angeboten und Kommunikationskanälen für Viele eine enorme Bereicherung darstellt, kann die Entwicklung der Öffentlichkeit der letzten 15 Jahren nicht nur positiv gesehen werden. Als Schattenseiten der Entwicklung zeigen sich eine Vereinheitlichung und Verflachung der Angebote redaktioneller Medien, eine stärkere Hinwendung des Publikums zu Unterhaltung und Belanglosigkeiten bei schwindender Neigung zu allgemeinen Nachrichten, wobei zunehmend unzuverlässige Quellen herangezogen werden.

Beim Austausch über Social-Networking-Sites und Messenger werden Effekte beobachtet, die auf eine Bevorzugung von hoch emotionalen oder gleich frei erfundenen Nachrichten hinweisen. Als Folgen dieser Entwicklungen muss angenommen werden, dass anstelle der sachlichen Information und dem Abwägen von Interessen, noch stärker leidenschaftliches Befürworten oder ebenso impulsive Empörung treten. Es zeichnet sich ab, dass die Bewirtschaftung der Emotionen des Publikums durch Parteien, Interessengruppen und Medien bei der politischen Meinungsbildung mehr und mehr an Dominanz gewinnt. Ja, man kann mit einer gewissen Berechtigung sagen, dass sie an ihre Stelle tritt.

Verbunden ist dies mit einer Erosion der Erfahrung von Politik und Öffentlichkeit. Die Erfahrung der Politik ist bei der großen Mehrheit der Bevölkerung eine durch Massenmedien vermittelte, da die Bevölkerungsmehrheit kaum am Politischen teilnimmt. Ebenso ist die Öffentlichkeit selbst ganz überwiegend medial vermittelt, da es ein öffentliches Leben im physischen Raum nur noch vereinzelt und für viele nur noch in besonderen Situationen (z.B. Demonstrationen oder Wahlkampf) gibt.

Die bedenkliche Verfassung der Öffentlichkeit schlägt sich in der Politik nieder. Denn, wie ich aus eigener Anschauung bestätigen kann, beginnen Amts- und Mandatsträger und ihre Mitarbeiter den Arbeitstag wie eh und je mit der Lektüre des Pressespiegels. Davor haben sie wahrscheinlich ihre Social-Media-Accounts gecheckt. Die neuen Eindrücke integrieren sie in ihr Bild der Lage. Aus dem Feedback der redaktionellen Medien und dem Rauschen der Social-Media-Peer wird abgeleitet, welche politischen Handlungen gerade öffentlich vermittelbar sind und welche nicht.

Zwar ist die Frage der öffentlichen Vermittelbarkeit bei der Entscheidung, welche politischen Initiativen ergriffen werden, nicht das einzige Kriterium, aber es ist ein bedeutendes. Denn der Opportunismus, der mit der Abhängigkeit der Regierungen und der Mandatsträger von Wahlen notwendig einhergeht, sorgt in der Regel dafür, dass alle, die sich einen Vorteil davon versprechen, die aktuelle Themenkonjunktur bedienen. Der Betrieb ist darauf ausgelegt, dass auf den Wellen der Aufmerksamkeit bzw. der Aufregung gesurft wird. Jede Sau muss durchs Dorf getrieben werden. Wenn Unsinn im medialen Gespräch ist, wird auch dieser aufgegriffen. Günstigstenfalls werden dabei nur Ressourcen gebunden, die dann für anderes fehlen - auch für anderen Unsinn. Schlimmstenfalls wird übertriebene bzw. fehlgeleitete Aufregung oder viel Lärm um nichts zum Anlass genommen, Entscheidungen durchzudrücken, die ohne die öffentliche Unruhe nicht mehrheitsfähig wären. Dann werden Dinge gemacht, von denen Viele nicht überzeugt sind. Aber Einige stimmen dennoch zu, da sie denken, dass dies von ihnen erwartet wird. Durch solche Entscheidungen werden selten sachgerechte Maßnahmen eingeleitet.

Gefahr für die Demokratie?

Aber ist deshalb die Demokratie gefährdet? Im Feuilleton, in Blogs und sogar in den Wissenschaften wird die Zukunft der Demokratie in düsteren Farben gemalt. Seit der Entscheidung der Briten im Brexit-Referendum und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten wird mit einer guten Portion Angst-Lust die Zerstörung ihrer Basis durch Social Media befürchtet. Mal ist es Facebook, mal sind es Fake News, mal Bots oder Algorithmen, die unsere Demokratie gefährden.

Ist die Furcht gerechtfertigt? Oder wird hier - aus welchen Gründen auch immer - etwas übertrieben? Um dies zu beurteilen, ist es notwendig zu bestimmen, was mit "Demokratie" gemeint ist. Denn die vorliegenden Beiträge eint, dass sie die Demokratie zwar akut gefährdet sehen, aber keine Hinweise dazu geben, was sie jeweils mit Demokratie meinen. Dies wäre hilfreich, denn obwohl (oder gerade weil) Demokratie als grundlegende Eigenschaft von modernen Verfassungsstaaten gilt, wird der Ausdruck mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Bedeutungen belegt.

Bernard Crick gibt hierzu in seiner Schrift "Democracy: A very short introduction" folgenden Hinweis: "Mit dem Wort Demokratie sind viele Bedeutungen verbunden. … Das Wort ist einer jener Ausdrücke, die einige Philosophen als 'essentiell umstrittenes Konzept' bezeichnet haben, einer, bei dem wir uns nie darauf einigen können, wie er zu definieren ist, da jede Definition eine andere soziale, moralische oder politische Agenda stützt" (Crick 2002, S. 1, eigene Übersetzung). Auch der Beck'sche Online Kommentar zum Grundgesetz betont die "Unschärfe und Vielschichtigkeit des Begriffes der Demokratie" (BeckOK Grundgesetz/Huster/Rux, 38. Ed. 15.8.2018, GG Art. 20 Rn. 131-137).

Die Demokratie des Grundgesetzes

Hier sollen zunächst die oben dargestellten aktuellen Entwicklungen im Hinblick auf ihr Gefährdungspotential für die demokratische Verfasstheit der BRD betrachten werden. Gemäß GG Art. 20 Abs 1 ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Durch GG Art. 79 Abs. 3, die Ewigkeitsklausel, sind solche Änderungen des Grundgesetzes unzulässig, die im Artikel 20 niedergelegten Grundsätze berühren. Das Grundgesetz legt die Bundesrepublik Deutschland also dauerhaft auf eine demokratische Verfassung fest. Laut Kommentar bedeutet dies inhaltlich, "dass die Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der Staatsorgane zumindest mittelbar auf das Volk zurückführbar sein müssen."

Als wesentliche Bestandteile des Demokratiekonzepts des Grundgesetz gelten daher:

- Die rechtliche Ausgestaltung der staatlichen Willensbildung und staatlichen Herrschaft nach Maßgabe der Leitgedanken Freiheit und Gleichheit.

- Parlamente als Volksvertretung mit Gesetzgebungshoheit und Budgetrecht.

- Volkssouveränität, die verlangt, dass alles staatliche Handeln demokratisch legitimiert sein muss. D.h. jegliche Ausübung von staatlicher Herrschaftsgewalt muss sich in einer ununterbrochenen Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden.

- Periodische Wahlen, wobei die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 zumindest grundsätzlich in den Schutz der Ewigkeitsgarantie einbezogen sind.

- Das Mehrheitsprinzip als fundamentales Prinzip der Demokratie. Hierbei ist sicherzustellen, dass der politische Prozess offen bleibt und Minderheiten zu Mehrheiten werden können ("Herrschaft auf Zeit").

- Ein Mehrparteiensystem, in dem sich verschiedene Ansichten in Parteien organisieren können.

- Die freie Meinungsbildung des Volkes. (BeckOK Grundgesetz/Dietlein, 39. Ed. 15.11.2018, GG Art. 79 Rn. 31-53 )

Vor diesem Hintergrund sind die Gefährdungen der Demokratie im institutionellen Sinne durch die neueren Entwicklungen der medial vermittelten politischen Öffentlichkeit einzuschätzen. Hierbei zeigt sich kein unmittelbares Gefährdungspotential. Die Öffentlichkeit allein ist nicht in der Lage, den Fortbestand der demokratischen Institutionen in Frage zu stellen.

Auch mittelbar sind die Risiken überschaubar. Denn die Demokratie des Grundgesetzes kann nicht durch verfassungsgemäßes Handeln beseitigt werden. In der streitbaren, wehrhaften Demokratie können bereits die Bestrebungen einer Aufhebung der Demokratie juristisch verfolgt und unterbunden werden. Bei festgestellter Verfassungsfeindlichkeit kann eine Vereinigung (z.B. Verein, Partei) verboten werden. Dafür muss sie eine aktive kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung einnehmen. Zudem muss sie planvoll das Funktionieren dieser Ordnung beeinträchtigen, und die Absicht verfolgen, im weiteren Verlauf diese Ordnung selbst zu beseitigen (BVerfG, Urteil vom 17. August 1956).

Wenn man dies berücksichtigt, kann man nur zwei denkbare Wege benennen, wie die Demokratie des Grundgesetzes abgeschafft werden kann. Neben der Auflösung des Staates nach einer Eroberung ist dies theoretisch auch durch einen Putsch denkbar, der die Parlamente und die Gerichte auflöst. Dann greift allerdings das Widerstandsrecht (GG Art. 20 Abs. 4). Denn dieses Recht kann von jedem deutschen Staatsangehörigen gegen jeden ausgeübt werden, der es unternimmt, die in Art. 20 niedergelegte Ordnung zu beseitigen, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist (BeckOK Grundgesetz/Huster/Rux, 38. Ed. 15.8.2018, GG Art. 20 Rn. 225-231.1 ). Bei allen Ärgernissen, die einem in der virtual public sphere begegenen können, scheint es bisher außerhalb jeder Möglichkeit, einen solchen Putsch mittels Web 2.0-Anwendungen durch zu führen.

Demokratie als Herrschaft der öffentlichen Meinung oder öffentliche Meinung als erfundene Macht

Gibt es dennoch nachvollziehbare Gründe dafür, weshalb eine Gefährdung der Demokratie durch Facebook, Fake-News, Social-Bots, etc. postuliert werden kann? Zumindest sind in der Literatur demokratietheoretische Ansätze zu finden, die solche Gefahren begründen können.

So weist beispielsweise John Stuart Mill, ein bedeutender Vertreter des englischen Liberalismus, in seinen politischen Schriften der Öffentlichkeit eine grundlegende Bedeutung für die Demokratie zu. An mehreren Stellen bezeichnet Mill die öffentliche Meinung als die herrschende Macht (z.B. in: De Touqueville on Democracy in America II; On Liberty, beide in: CW, Vol. XVIII; Thoughts on Parliamentary Reform, in: CW, Vol. XIX). Die Demokratie ist für ihn nichts anderes als die Herrschaft der öffentlichen Meinung (Civilisation, in: CW, Vol. XVIII). Entsprechend kann es für ihn auch ohne eine vereinigte öffentliche Meinung keine Repräsentativregierung geben (Considerations on Representative Government, in: CW, Vol. XIX).

Wenn man sich innerhalb dieser Vorstellungen des Zusammenhangs von Öffentlichkeit und Demokratie bewegt, dann muss jede Beschädigung der Öffentlichkeit als Gefahr für die Demokratie angesehen werden.

Diese Überhöhung der öffentlichen Meinung geht einigen politischen Autoren zu weit. So fordert Walter Lippmann in seiner Schrift "The Phantom Public" (1925) einen realistischeren Blick in dieser Sache. Er kritisiert Demokratietheorien, die aufgrund der Annahme argumentieren, dass die öffentliche Meinung grundlegend für demokratische Regierung sei. Diese Theorien würden es versäumen, zu bestimmen, welche Funktion die Öffentlichkeit habe. Stattdessen behandeln sie die Öffentlichkeit als unbestimmten, geheimnisvollen Manager aller Dinge (immature, shadowy executive of all things). Dann fehle der Demokratie eine klare Idee ihrer eigenen Grenzen und ihrer erreichbaren Ziele.

Die Überhöhung der öffentlichen Meinung, die Lippmann als eine erfundene Macht (fictious power) ansieht, müsse überwunden werden. Es gelte, die öffentliche Meinung als das zu denken, was sie ist (Lippmann 1993, S. 137, 190). In diesem Sinne versucht Lippmann die Funktion der öffentlichen Meinung darzustellen. Als wesentlichen Punkt hebt er dabei hervor, dass die Öffentlichkeit nicht ihre Meinungen ausdrücke, sondern sich in der Unterstützung oder Ablehnung eines Vorschlags ausrichte. Hiermit verbindet Lippmann, dass man die Idee fallen lassen müsse, eine demokratische Regierung könne ein unmittelbarer Ausdruck des Volkswillens sein. Ebenso müsse die Idee aufgeben werden, dass das Volk regiere. Anstelle dessen gelte es die Theorie anzunehmen, dass das Volk die Personen, die tatsächlich regieren, durch gelegentliche Mobilisierung als eine Mehrheit unterstütze, oder sich ihnen entgegen stelle. Es sei festzustellen, dass der Volkswille nicht beständig lenke, sondern dass er lediglich gelegentlich interveniere (ebd., S. 51f).

Doch auch aus dieser Perspektive betrachtet haben öffentliche Diskussionen eine wichtige Funktion. Lippmann weist darauf hin, dass für nicht unmittelbar Betroffene bei öffentlichen Streitfragen das öffentliche Interesse nicht klar zu erkennen ist. Denn in den Diskussionen beteiligen sich auch Vertreter von Interessengruppen, die ihre Eigeninteressen als Interessen der Allgemeinheit darstellen. Deshalb sei es wichtig, dass Mittel dazu gefunden werden, um die Vertreter von Partikularinteressen kenntlich zu machen und ihre Positionen aufgrund dessen ggf. unberücksichtigt lassen zu können (ebd., S. 100ff).

Die Stimmen der Vernunft als Rufer im Wind

Was beide Autoren - Mill und Lippmann - eint, ist die Sorge darum, wie gewährleistet werden kann, dass die Stimmen der Vernünftigen in der Öffentlichkeit zur Sprache kommen und Gehör finden können. Mill will durch Wahlrechtsreformen gewährleisten, dass wenigstens eine kleine Anzahl ausreichend gebildeter und gemeinwohlorientierter Abgeordneter (superior intellects and characters) im Parlament vertreten sind (siehe: J. S. Mill, Considerations, Chapter VII). Lippman schlägt eine systematische Beteiligung von Experten bei politischen Entscheidungen vor (siehe: Lippman 2018, S. 312-348).

Diese Vorschläge erscheinen in der gegenwärtigen Situation als nicht hinreichend, denn die Hürden, vor welche die Öffentlichkeit heutzutage die sachlichen und moderaten Stimmen stellt, erscheinen höher denn je. Hieran hat auch der Wandel der Öffentlichkeit seinen Anteil, der von der Entwicklung und Anwendung webbasierter Kommunikationstechnologien mit gestaltet wird. Heute sind die Stimmen der Vernunft stärker denn je gezwungen, gegen eine Kakophonie aus Belanglosigkeiten und Irreführung anzuschreien. Sie stehen mehr denn je vor dem Problem, ihre Anliegen so zu formulieren, dass sie die Aufmerksamkeit einer abgelenkten und ohnehin eher desinteressierten bis ignoranten Öffentlichkeit gewinnen können.

Überspitzt formuliert kann die gegenwärtige Situation wie folgt skizziert werden: Wir sehen heute deutlicher denn je, dass ein gar nicht mal so kleiner Teil der Bevölkerung nicht mehr in die öffentlichen Meinungsbildung integriert werden will. Diese Leute reklamieren aber gleichzeitig, berücksichtigt und wahrgenommen zu werden. Der Spagat, den die politischen Repräsentanten versuchen, um diese unmöglich zu erfüllenden Anforderungen zu erfüllen, kann zu nichts Gutem führen. Zwar ist die Demokratie des Grundgesetzes nicht in Gefahr. Aber die Verfassung der Öffentlichkeit begünstigt Politik, die wenig Anlass zur Hoffnung darauf gibt, dass die Weichen zur Lösung der bestehenden komplexen politischen Probleme und somit für eine bessere Zukunft gestellt werden können.