Sudan: Militär stürzt al-Baschir

Omar al-Baschir. Foto: U.S. Navy

Ausnahmezustand zunächst für drei Monate verhängt - in zwei Jahren soll gewählt werden

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Der sudanesische Ex-Präsident Omar al-Baschir kam am 30. Juni 1989 durch einen Militärputsch an die Macht - und verlor sie am 11. April 2019 ebenfalls durch einen Militärputsch. Gestern übernahm ein Militärrat unter Führung des bisherigen Verteidigungsministers Awad Ibn Auf die Amtsgeschäfte und verkündete im öffentlich-rechtlichen Fernsehen einen zunächst für drei Monate geltenden Ausnahmezustand sowie eine einmonatige nächtliche Ausgangssperre und die vierundzwanzigstündige Schließung der Grenzen und des Luftraums. Das Land führen will der Militärrat Awad Ibn Auf zufolge aber zwei Jahre lang, erst dann soll es Wahlen geben.

Omar al-Bashir wurde zusammen mit mehreren seiner Anhänger festgenommen und an einen "sicheren Ort" verbracht. Er hatte sich anfangs stark an den Lehren des Islamisten Hassan al-Turabi orientiert. Das und ein längerer Aufenthalt von Osama bin Ladens brachten dem Sudan in den 1990er Jahren einen Platz auf der amerikanischen Lister der Länder ein, die Terrorismus unterstützen. Eine andere Folge davon war, dass die internationale Unterstützung für eine Abspaltung des Südsudan nach dem dort geführten Dschihad gegen die dort ansässigen nichtislamischen Volksgruppen stark zunahm.

Auf Fahndungsliste des Internationalen Strafgerichtshofs

So stark, dass sich al-Baschir auf eine Unabhängigkeit, des Gebiets einlassen musste, in dem sich nun Dinka und Nuer einen Dauerkrieg liefern (vgl. Sollbruchstellen eines neuen Staates). Die bei der Staatenbildung in den 1950er Jahren propagierte Idee, dass der Norden des Sudan nach der Unabhängigkeit im Süden für Bildung und Entwicklung sorgen werde, wurde von der Realität falsifiziert: Der Südsudan ist auch heute noch ganz überwiegend ohne Infrastruktur und von Hirten geprägt, die staatliche Einrichtungen vor allem als Melkkühe für ihre Verwandten begreifen (vgl. Zahl der Staaten steigt auf 193).

Auf die Fahndungsliste des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag kam al-Baschir aber nicht wegen des "Dschihads" im Südsudan, sondern wegen des Konflikts im islamischen Darfur (vgl. Darfur - Ethnographie und Geschichte eines Konflikts), an dem auch die 1999 erfolgte Spaltung der islamistische Bewegung im Sudan in einen al-Turabi- und einen al-Bashir-Flügel Anteil hatte (vgl. Die Rückkehr der Waffen).

Mit dem Südsudan fielen etwa drei Viertel der Ölvorkommen weg

Der Platz auf der Fahndungsliste hatte jedoch weniger große Auswirkungen als der Wegfall des Südsudan, in dem etwa drei Viertel der Ölvorkommen des ehemaligen Gesamtsudan liegen. Ohne dieses Öl der "Kuffar" produzierte der Restsudan wenig - außer Geburten: Die Bevölkerung wächst jährlich um 2,4 Prozent, das Durchschnittsalter liegt bei lediglich 18,9 Jahren. Dagegen sank das Bruttoinlandsprodukt zwischen 2017 und 2018 von 58,24 auf 41,68 Milliarden US-Dollar. Pro Kopf gerechnet verringerte es sich sogar von 1428,03 auf 992,65 Dollar. 2011 lag das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen noch bei 2308,84 Dollar.

Das führte zu einer Abwertung der Währung und zu Kürzungen der Subventionen für Lebensmittel und Energie. Diese Maßnahmen lösten Ende letzten Jahres Protesten aus, die 2019 nicht abebbten, sondern zunahmen. Vom Wochenende bis zum Donnerstag belagerten Demonstranten den Amtssitzes al-Baschirs und das Hauptquartiers der Armeeführung. Letztere forderten sie in Sprechchören dazu auf, sich auf ihre Seite zu stellen (vgl. Sudan vor dem Umsturz?).

Verstärkte Truppenpräsenz

Inwieweit außersudanesische Akteure am Sturz al-Baschirs Anteil hatten, ist noch unklar. Anlass für Spekulationen dazu boten unter anderem auffällig perfekt inszeniert wirkende und sich in Medien sehr schnell verbreitende Fotos einer jungen Demonstrantin in einem traditionellen Gewand, die an Bilder aus dem "arabischen Frühling", den "orangenen Revolutionen" und dem "Maidan" erinnerten.

Sollten die Demonstranten mit dem Austausch al-Baschirs durch einen Militärrat nicht zufrieden sein, erwartet sie die Armee mit Verstärkungen, die man gestern früh in die Hauptstadt verlegte. Dort kontrollieren Soldaten jetzt Straßen und Brücken. Gleichzeitig wurde angekündigt, dass unter al-Baschir festgenommene politische Gegner des Präsidenten aus der Haft entlassen werden sollen. Mohammed Naji Elasam, einer der Initiatoren der Proteste, soll sich türkischen Medienberichten nach bereits auf freiem Fuß befinden.

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