Trump-Methode: "Schrittweise wirtschaftliche Strangulation"

Bild: Weißes Haus

Der US-Präsident droht gerne militärisch, folgt aber einer bislang bilateralen ökonomischen Eskalationsdynamik

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Gérard Araud war bis Mitte April französischer Botschafter in Washington. Er hat nach fünf Jahren im Amt seine Erfahrungen mit Barack Obama und Donald Trump gemacht. In einem Interview mit Foreign Policy konnte der Diplomat nun frisch von der Leber sprechen. Er sagt nicht wirklich Neues, aber doch sehr akzentuiert. Seiner Meinung nach kann Donald Trump es nicht verwinden zu verlieren. Aus diesem Grund pflege er eine "Eskalationsdominanz".

Obama sei "letztlich ein Bürokrat, ein Introvertierter, grundsätzlich ein ein wenig unnahbarer, ein zurückhaltender Präsident" gewesen, auch mitunter arrogant. Man habe mit seiner Administration normal arbeiten können, seine Mitarbeiter hätten sagen können, was der Präsident denkt und was er machen wird. Trump hingegen sei ein "Extrovertierter, ein wirkliches Großmaul, der praktisch nichts oder fast nichts liest". Entscheidungen werden spontan gefällt, die Mitarbeiter wechseln über Nacht, viele Posten und Büros seien nicht besetzt. Niemand könne sagen, was der Präsident vorhat, von seinen Entscheidungen werden auch die Minister überrascht. Und wenn der Präsident etwas sagt, wissen seine Mitarbeiter oft nicht, was das bedeutet.

Klar sei Trump nur, wenn es um den Handel geht, den er als "Nullsummenspiel auf einer bilateralen Grundlage und auf der Grundlage des kruden Machtgleichgewichts beider Seiten" versteht. Es sei ein Merkantilismus aus dem 18. Jahrhundert, China werde genauso wie Großbritannien oder die USA behandelt. Der Westen sei dem Präsidenten egal: "Er ist ein Nationalist. Er ist America Alone."

Deals, auch mit der Waffe in der Hand

Trump ist ein Geschäftemacher, als Unternehmer hat er auch gepokert und letztlich alleine gehandelt. Er ist kein Teamplayer, sondern ein Solipsist, der nun eine Großmacht wie ein Familienunternehmen leiten will - oder das nicht anders kann. Trump könnte aber einen Vorteil vor anderen, seriöseren und verlässlicheren US-Präsidenten haben, die letztlich immer die militärische Karte ausspielten. Trump hält zwar an der notwendigen Dominanz der militärischen Macht fest, weswegen er auch die Militärausgaben erhöht hat, aber denkt nicht militärisch, wie man das kurzzeitig im Hinblick auf Nordkorea denken konnte, als er seine Armada auffahren ließ und mit einem Atomkrieg drohte. Krieg scheint für ihn nicht die Fortsetzung der Politik zu sein, sondern militärische Macht ist für ihn ein Mittel, um für die USA einen vorteilhaften Deal zu machen.

Dafür spricht, dass Trump die Tendenz hat, das US-Militär aus Konflikten wie in Syrien oder Afghanistan zurückzuziehen, oder wie im Fall von Nordkorea militärische Gewalt androht, um Verhandlungen zu erzwingen. Wie sich in Bezug auf Venezuela sehen lässt, hat er zwar auch mit militärischer Intervention gedroht, aber sich dann doch zurückgehalten, um die wirtschaftlichen Sanktionen hochzudrehen, auch gegen die Staaten wie Kuba oder Nicaragua, die hinter der Maduro-Regierung stehen.

Die wirtschaftliche Eskalation oder der Wirtschafts- bzw. Handelskrieg ist Trumps Domäne. So agiert er gegen China wie gegen Mexiko oder die EU, wo es geht, werden die wirtschaftlichen Daumenschrauben auch auf Kosten der Beziehungen zu Alliierten wie im Fall von Iran angezogen - kaum verschleiert ist bei der angeblichen Bekämpfung "bösartigen Verhaltens", dass mit der Ausschaltung Irans die USA und die Alliierten Saudi-Arabien und die Vereinigen Arabischen Emirate wirtschaftlich profitieren sollen.

Trump will nicht einmarschieren oder die USA in einen neuen Krieg ziehen lassen, um einen Regime Change zugunsten der Geo- und eben vor allem Wirtschaftspolitik der USA zu bewirken. Er will Staaten aushungern, in die Pleite schicken, zusammenbrechen lassen, egal ob darunter nicht nur die politische Führungsklasse, sondern auch das Volk leidet. Und vor allem sollen auch andere Staaten, inklusive der Verbündeten, abgeschreckt werden, Handel mit den Stigmatisierten zu treiben. Das geschieht wie im Fall von Iran, Venezuela oder Iran, ohne dies abzusprechen oder auch gegen den Widerstand der Alliierten. Das ist die Strategie der "schrittweisen wirtschaftlichen Strangulation".

Trump agiert mit der Brechaxt in der Komplexität der Weltpolitik

Ansonsten wird versucht, mit Zöllen oder dem Ausspielen des Gewichts der USA wirtschaftliche oder finanzielle Vorteile zu erzielen oder politische Ziele durchzusetzen (Ökonomie als Waffe). Auch wenn Washington Lateinamerika hinter sich bringen will, um die störrischen Staaten zu unterwerfen, scheint er die Fäden nicht zu einer koordinierten Aktion zusammenbringen zu können. Offenbar sieht er nur ein Problem nach dem anderen. So kam die Anti-Maduro-Koalition mit der Lima-Gruppe zustande, aber weil sich Trumps Migrationspolitik zu einem Fiasko entwickelte, drohte er gleichzeitig Honduras, El Salvador und Guatemala, die Hilfsgelder zu sperren, wenn sie Migranten nicht zurückhalten, oder Mexiko, die Grenze ganz zu sperren.

Die Nato gilt ihm so als von den USA dominiertes und abhängiges Unternehmen, weswegen die Partner auch für Dienstleistung, den militärischen Schutz, zahlen sollen - und das am besten zum Profit der USA, um die Investitionen zu rechtfertigen (Polen als Türöffner für Trumps Militärpolitik?, Trump-Regierung will Kosten und 50 Prozent für US-Truppen im Ausland fordern).

Die Frage wird sein, ob Trumps nationalistischer Ansatz, Machtkonflikte unilateral zu lösen, Erfolg haben wird. Seit geraumer Zeit sind die USA der Strategie gefolgt, die Vereinten Nationen und den UN-Sicherheitsrat zu schwächen oder zu unterlaufen, um mit "Koalitionen der Willigen" Entscheidungen und Interventionen durchzusetzen. Trump scheint, obgleich gegen Venezuela noch eine sehr brüchige Koalition vor allem mit der Lima-Gruppe und der EU zustande kam, zunehmend auf Alleingänge mit der ökonomischen Brechstange zu setzen. Bloß nicht die USA in multilaterale Bündnisse und Verpflichtungen einbringen, die nicht beherrschbar und jederzeit veränderbar sind, scheint die nationalistische oder autistische Devise zu sein, die auch deswegen immer klarer zu Tage tritt, weil Trump alle Personen, die ihm widersprechen oder einen multilateralen Ansatz haben, aus dem Weißen Haus entfernt hat.

Auch wenn Trump trotz Drohungen mit militärischer Gewalt vermutlich kein gesteigertes Interesse hat, diese auch wirklich anzuwenden, eskalieren mit seinen einsamen, oft plötzlichen Entscheidungen und seinem unkooperativen Stil auf vielen Fronten die Risiken, dass militärische Konflikte ausbrechen können. Auch deswegen, weil zunehmend der Eindruck entstehen wird, dass Trump nicht ernst zu nehmen ist und niemand sich auf ihn verlassen kann.

Man könnte ihm aber zumindest zugutehalten, dass er die amerikanische Politik vom ideologischen Überbau befreit hat. Er hat sie nicht grundsätzlich verändert, sondern die leitende Machtpolitik nur deutlich gemacht, so dass kaum mehr jemand den Anspruch der USA, als führende Nation Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte zu verteidigen oder zu bringen, wie ihn transatlantische Kreise gerne verbreiten, glaubhaft vertreten kann.

Die Desillusionierung, dass es letztlich nur um wirtschaftliche Dominanz und die Durchsetzung der amerikanisch-kapitalistischen Ordnung geht, lässt womöglich auf die Dauer neue multilaterale Verhältnisse und eine wirkliche Globalisierung möglich werden, ein Klima, in dem sich Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit vielleicht besser durchsetzen können als im manichäischen, ökonomisch erpresserischen und waffenstarrenden Dauerkonflikt, der von US-Führungen seit langem geschürt wird und der auch Europa spaltet.

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