Braunkohle wird nicht mehr gebraucht

Braunkohlekraftwerk Niederaußem bei Köln. Bild: Heliosteam, Harald Hillemanns/CC BY-SA-3.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Waldbränden, leeren Grundwasserspeichern, überflüssiger Braunkohle, einer ausgebremsten Energiewende und fachlicher Inkompetenz maßgeblicher Ministerien

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Es ist noch gar nicht so lange her, da war der April ein launischer, meist verregneter, aber auf keinen Fall ein Monat, in dem man mit Waldbränden rechnet. Doch die Zeiten und vor allem das Klima ändert sich. Aus Thüringen berichtete am Dienstag die Tagesschau von schweren Waldbränden. Der Katastrophenfall sei ausgerufen worden.

Waldbrandgefahrenindex. In ganz Brandenburg herrschte am Dienstag höchste Warnstufe. In den nächsten Tagen wird sich die Lage aufgrund erwarteten Regens vorerst etwas entspannen. Bild: DWD

Ebenfalls gestern hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) gewarnt, dass die Grundwasserspeicher wesentlich schlechter als 2018 um diese Zeit gefüllt seien. Während die schwere Dürre 2018 aufgrund der üppigen Niederschläge des vorangegangenen Herbst und Winters noch leidlich glimpflich ausfiel - vor allem tief wurzelnde Pflanzen kam noch recht gut davon - sei bei weiterem Regendefizit mit Schäden auch für die Wälder zu rechnen.

Sollte die trockene Witterung in den kommenden Monaten anhalten, könnte sich die Dürre des Jahres 2018 wiederholen oder sogar übertroffen werden.

Udo Busch, Leiter Agrarmeteorologie des DWD

Braunkohle überflüssig

Eigentlich - das demonstrierten die letzten Wochen einmal mehr - könnten alle Braunkohlekraftwerke und damit auch die angeschlossenen Tagebaue sofort stillgelegt werden. Wie die Daten des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zeigen, haben Sonne, Wind & Co. nicht nur über die Ostertage und am gestrigen Dienstag den Strombedarf mehrheitlich abgedeckt. Auch sonst haben sie im April bisher fast 50 Prozent der netto Stromproduktion für das öffentliche Netz geliefert.

Nettostromproduktion in Gigawatt (GW) aufgetragen über die Zeit für April. Der Anteil der Erneuerbaren war in den letzten Tagen am größten und um den 4. April herum am geringsten. Bild: Fraunhofer ISE

Obige Grafik macht anschaulich, wie groß der Anteil der Erneuerbaren an der Stromproduktion inzwischen an manchen Tagen ist. Sie zeigt aber auch, dass an anderen Tagen die konventionellen Kraftwerke überwiegen. Um den 4. April herum war dies zum Beispiel der Fall. Ein Vergleich mit den Daten der installierten Leistung aller deutscher Kraftwerke, die für das öffentliche Netz arbeiten, ergibt jedoch, dass selbst zu dieser Zeit Anfang April die Steinkohle- und Gaskraftwerke ziemlich schlecht ausgelastet waren und die Braunkohle hätten ersetzen können.

Nun ist an windarmen Wintertagen die Auslastung der fossilen Kraftwerke noch etwas größer als im genannten Zeitraum vor drei Wochen. In Spitzen liegt sie zur Zeit insgesamt bei knapp 50 GW. Einer dieser Spitzentage war der 24. Januar 2019. Um 10 Uhr erreichte die Nachfrage nach fossilen Strom ihren Höhepunkt und zugleich einen der höchsten Punkte für diesen Winter. Nur an wenigen Tagen war sie noch um einige Zehntel GW höher.

Zu dieser Zeit lieferten die Braunkohlekraftwerke 16,31 GW Leistung. Hinzu kamen noch 17,41 GW aus Steinkohle- und 16,04 aus Gaskraftwerken. Schaut man sich die in Deutschland installierten Kapazitäten an, so stellt man fest, dass damit bei den Steinkohlekraftwerken noch immer 6,3 GW ungenutzt blieben und bei Gas sogar 13,35 GW. Auch zu dieser Zeit hätten die beiden Energieträger also die Braunkohle ersetzen können.

Allerdings sind zur selben Zeit auch die verbliebenen AKW mit 9,45 GW also mit annähernd maximaler Auslastung gelaufen. Das heißt daher, dass beim derzeitigen Stand des Ausbaus der erneuerbaren Energieträger nicht gleichzeitig aus Braunkohle und Atomkraft ausgestiegen werden kann.

Vorausgesetzt natürlich, der Strombedarf bleibt konstant. Nun könnte man aber diesen erstens einmal ein bisschen kritischer hinterfragen. Vor allem in der Industrie gibt es noch immer viel Verschwendung unter anderem durch den Standby-Betrieb. Außerdem wird insbesondere in der chemischen Industrie so manches Produkt mit höchst zweifelhaften Gebrauchswert für die Gesellschaft hergestellt. Zweitens ist aber dieser Zusammenhang vor allem ein Argument dafür, endlich beim Ausbau von Wind- und Solarenergie wieder den Fuß von der Bremse zu nehmen. In den Städten könnten deutlich mehr Solaranlagen auf die Dächer gebracht werden, wenn dies politisch unterstützt und Mieterstrommodelle erleichtert würden. Zum Beispiel könnte Wohnungsbau-Genossenschaften und kommunalen Wohnungsunternehmen erlaubt werden, Solarstrom vom Dach an ihre Mieter zu verkaufen. Das geht bisher nur über komplizierte Umwege.

Auch müsste der Deckel für den Solarausbau, der spätestens 2021, aber vermutlich schon früher erreicht wird, dringend weg. Ebenso die Ausschreibungspflicht und die Deckelung für den Windausbau, die den Bürgern und Kommunen in den in Frage kommenden Regionen Einfluss nehmen. Große Windkraftanlagen werden seit letztem Jahr nur noch gefördert, wenn sie zuvor in einem zentralisierten Ausschreibungsverfahren den Zuschlag bekommen haben. Vergeben werden diese nur noch für Anlagen mit einer Leistung von maximal 2,8 GW pro Jahr, d.h. der jährliche Zubau von Anlagen, die 2,8 GW Leistung bereit stellen können, was knapp der Hälfte der bisher besten Ausbaujahre entspricht.

Noch wächst der Anteil der Erneuerbaren und liegt in diesem Jahr bisher bei 46 Prozent. Seit 2011 haben allerdings die Regierungen unter Angela Merkel zunächst den Solar- und zuletzt auch den Windausbau massiv behindert, sodass schon bald Stagnation eintreten könnte. Bild: Fraunhofer ISE

Jobgarantie wäre möglich

Natürlich ist der sofortige Ausstieg aus der Braunkohle für die Beschäftigten eine ziemlich bedrohlich klingende Perspektive, zumal in den Kohlerevieren - insbesondere in der Lausitz - die Jobalternativen begrenzt sind. Aber man könnte ja mit den ohnehin bereits vorgesehenen Strukturhilfen für die betroffenen Regionen die Forderung einer Arbeitsplatzgarantie verbinden.

Mit den eingeplanten Summen - 15 Milliarden über 20 Jahre verteilt allein für das rheinische Revier, die gleicheSumme noch einmal für die anderen Reviere - könnten die Bezüge der gut 20.000 Beschäftigten locker bezahlt werden. Das wären pro Beschäftigten 100.000 Euro im Jahr, wobei viele bereits vor Ablauf der 15 Jahre in Ruhestand gehen werden. Mancher würde ohnehin für die Abwicklung der Kraftwerke und die Sicherung der Gruben benötigt. Einige Kraftwerke lassen sich ansonsten vielleicht noch für Biomasseverstromung oder für die Nutzung als Stromspeicher umrüsten. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) will zum Beispiel mit dem Braunkohlekonzern RWE alte Kohlekraftwerke umwidmen. Zum einen sollen flüssige Salze Wärme speichern, die bei Bedarf für die Dampferzeugung und den Antrieb von Turbinen genutzt wird. Zum anderen sollen die Anlagen für eine Übergangszeit für den Betrieb mit Gas umgerüstet werden. Denkbar sei auch eine Mischung aus beidem, berichtet das Fachmagazin Erneuerbare Energien.

Die Abwärme der Anlage würde nach den bisherigen Konzepten ungenutzt abgegeben werden. Das wirft allerdings Fragen nach dem Wirkungsgrad auf. Dieser ließe sich, heißt es in einem Positionspapier der DLR, von derzeit 40 auf maximal 70 Prozent steigern. 30 Prozent des für die Erhitzung des Salzes genutzten Stroms würde also mindestens verloren gehen, was etwas mehr als bei den meisten Pumpspeicherwerken wäre.

Aber natürlich ist bisher ein Jobgarantie nicht vorgesehen. Wann wäre es schon mal vorgekommen, dass an Unternehmen gezahlte Subventionen tatsächlich vor allem den Beschäftigten zu Gute kommen. Vielmehr soll demnächst ein neues Gesetz regeln, wie das Geld in Anreize für die Niederlassung neuer Unternehmen in den Braunkohle-Revieren aufgewendet wird, wie der Spiegel berichtet. Andernfalls könnte ja auch nicht mehr mit den Ängsten der Kohlekumpel und Kraftwerksarbeiter gespielt und diese politisch ausgenutzt werden.