Was ist die Elitehochschule ENA?

ENA-Gebäude in Straßburg. Bild: ENA

Macron spielt mit dem Gedanken, als Reaktion auf die Forderungen der Gelbwesten die in Straßburg angesiedelte École nationale d’administration (ENA) aufzulösen

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In seiner Rede im Elysée-Palast am 26. April erwähnte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, dass er die Elitehochschule ENA, die er selbst besucht hatte, abschaffen will.

Die Nationale Hochschule für Verwaltung wurde 1945 von Charles de Gaulle in Paris eingerichtet, um in Frankreich eine Verwaltung aufzubauen, die nicht von Vichy belastet war. Sie zählt zu den Grandes Écoles, die sich auf ein Fach oder eine Gruppe verwandter Fächer konzentrieren, und entstanden, nachdem die französischen Universitäten während der Revolution im 18. Jahrhundert geschlossen wurden.

Die Grandes Écoles unterstehen, anders als die auch in Frankreich wieder etablierten Universitäten, nicht dem Bildungsministerium, sondern jeweiligen Fachministerien. Die französischen Wirtschaftshochschulen sind üblicherweise den Industrie- und Handelskammern angegliedert, welchen sie auch unterstehen.

Die staatlichen Einrichtungen verlangen eher niedrige Studiengebühren, manche bezahlen sogar während des Studiums ein Gehalt, wenn sich die Studenten verpflichten, nach dem Studium in den Staatsdienst einzutreten und dort mindestens zehn Jahre zu bleiben. Demgegenüber verlangen die privaten Hochschulen meist durchaus hohe Studiengebühren, welche für ausgewählte Studenten als Stipendium übernommen werden.

Die Auswahl der Studenten und ihre vergleichsweise geringe Anzahl führt in der Praxis zu einem Elitedenken, das zudem durch die Tatsache unterstützt wird, dass viele Absolventen eine Führungsposition schon alleine aufgrund ihres Abschlusses in der Tasche haben. Zu den fachlichen Schwächen der Grandes Écoles wird häufig gezählt, dass sie sich im Gegensatz zu den Universitäten oftmals nur auf die Lehre konzentrieren und eher wenig Forschung betreiben.

Wie die ENA zur Elitehochschule wurde

Die eher geringe Zahl der Studienplätze, die sich in erster Linie am Bedarf der staatlichen Verwaltung orientiert und mit Hilfe der Aufnahmeprüfungen gesteuert wird, sorgt dafür, dass der erfolgreiche Abschluss für mindestens zehn Jahre zu einer Stelle in der staatlichen Verwaltung führt. Ein Großteil der französischen Spitzenpolitiker zählt zu den "Enarchen".

Unter Édith Cresson erfolgte im Jahre 1991 die Verlagerung des Sitzes der ENA von Paris nach Straßburg und in der Folge wurde das ebenfalls auf eine Initiative von de Gaulle im Jahre 1966 gegründete "Institut international d'administration publique" (IIAP) von der ENA übernommen. Bis 2005 wurden alle Einrichtungen der ENA in Straßburg konzentriert.

Ursprünglich nur auf den Bedarf des französischen Staats ausgerichtet, erweiterte man das Spektrum sowohl auf internationale Behörden und öffnete sich für Studenten aus anderen Ländern. Zu den bekanntesten deutschen ENA-Absolventen zählt die Politikwissenschaftlerin Edda Müller, die nach zahlreichen Positionen in der öffentlichen Verwaltung heute Vorstandsvorsitzende von Transparency International Deutschland e. V. ist.

Die französischen Enarchen rekrutieren sich in der Hauptsache aus einer etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung umfassenden Gruppe, die schon ihre schulische Ausbildung zumeist auf Eliteeinrichtungen verbracht hat und damit auch über hervorragende Ausgangsbedingungen für die Aufnahme der Ausbildung an der ENA verfügt.

Die Ausbildung dauert 24 Monate. Die vergleichsweise geringe Zahl der Studenten hat dazu geführt, dass sich praktisch alle Studenten eines Jahrgangs kennen, was den Aufbau umfangreicher Netzwerke erleichtert. Die vergleichbare Ausbildung aller Absolventen sorgt dann in der Praxis dazu, dass sich die Netzwerke erst über die Behörden und in der Folge auch über die Privatindustrie legen.

Im Laufe der 70jährigen Geschichte der ENA hat sich so ein Netz gebildet, das für die ENA-Absolventen hervorragende Karrieremöglichkeiten bietet, für Außenstehende jedoch kaum Gelegenheiten, in diese Kreise vorzudringen.

Vergleich zur Situation in Deutschland

Hatte man in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg besonderes Augenmerk auf eine zentrale Ausbildungsstätte für die Führungskräfte der staatlichen Verwaltung gelegt, hat sich in Deutschland aufgrund der Föderalisierung auch die Ausbildung der Staatsbediensteten auf die Länder verlagert. Ursprünglich in Fachhochschulen organisiert, wurden diese in der Zwischenzeit in Hochschulen umgewandelt, die auch die Möglichkeit der Promotion anbieten.

Aufgrund der größeren Zahl der Ausbildungsstätten läuft die Vernetzung in Deutschland weniger über die formale Ausbildung, sondern in der Regel über die Mitgliedschaft in einer politischen Partei. Die parteiinterne sogenannte Ochsentour hat in Deutschland die Aufgabe übernommen, welche in Frankreich die ENA bietet.

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