Überschwemmungsgeplagte indonesische Hauptstadt zieht um

Überflutetes Jakarta 2013. Foto: VOA Indonesian Service. Lizenz: Public Domain

Favorit für den neuen Standort ist das Innere der großen Dschungelinsel Borneo

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Die indonesische Hauptstadt Jakarta (übersetzt: "Großer Sieg") wurde 1527 gegründet, als das javanische Sultanat Demak das javanische Hindu-Königreich Pajajaran eroberte. 1619 übernahm Jan Pieterszoon Coen den Ort für die Niederländische Ostindien-Kompanie und benannte ihn in Batavia um. Das wurde 1942 wieder rückgängig gemacht, als die Japaner die Niederländer vertrieben.

Nun hat der indonesische Staatspräsident Joko Widodo bekannt gegeben, dass er die Regierung und die Landesverwaltung aus dem 30-Millionen-Menschen-Ballungsraum Jakarta abziehen will. Die Gründe dafür sind neben häufigen Überschwemmungen (die die Hafenstadt erst letzte Woche wieder heimsuchten) umgerechnet etwa 6,3 Milliarden Euro Schaden, die Staus und blockierte Nahverkehrsmittel jedes Jahr in der völlig überfüllten Region verursachen.

Weil die gesamte Region so überfüllt ist, verwarf man der Jakarta Post zufolge auch die zuerst in Betracht gezogene Möglichkeit, den Sitz der Regierung nur etwa 50 bis 70 Kilometer landeinwärts auf der Insel Java zu verlagern, auf der fast zwei Drittel der über 260 Millionen Indonesier leben.

Voraussetzung Wiederwahl

Voraussetzung dafür, dass der von der indonesischen Entwicklungs- und Planungsagentur BAPPENAS mit zehn Jahren Dauer veranschlagte Umzug tatsächlich stattfindet, ist, dass Widodo bei der Präsidentschaftswahl am 17. April wiedergewählt wurde. Das offizielle Ergebnis dazu liegt noch nicht vor, aber Hochrechnungen billigen den Amtsinhaber mit über elf Prozentpunkten Vorsprung gute Chancen zu.

Die auch von deutschen Medien verbreitete Meldung, dass während der Wahl und den ersten zehn Tagen der Auszählung 272 Helfer an Krankheiten starben, bei denen Überarbeitung eine Rolle spielt, erweckte insofern einen irreführenden Eindruck, als sie unerwähnt ließ, dass es insgesamt sieben Millionen Helfer gab - woraus sich bei einer Sterberate in Höhe von 6,5 Promille pro Jahr mehr als 1.200 reguläre Sterbefälle errechnen.

Dayak vs. Zuwanderer aus anderen Teilen Indonesiens

Dem indonesischen Planungsminister Bambang Brodjonegoro nach steht noch nicht offiziell fest, wo die neue Hauptstadt entstehen soll. Inoffiziell gilt dem Nachrichtensender Sky News aber die im Inneren der Dschungelinsel Borneo gelegene 250.000-Einwohner Stadt Palangka Raya als Favorit. Ihre Umgebung bietet viel Raum zu Expansion, der nicht nur vor Überschwemmungen, sondern auch vor Erdbeben und den Folgen von Vulkanausbrüchen deutlich besser geschützt wäre als Jakarta.

Ob die Verlegung spannungsfrei abläuft, wird sich zeigen. Im Inneren Borneos leben nämlich Dayak-Völker. Diese Dayak setzten dem 1969 eingeleitete Umsiedlungsprogramm Transmigrasi, das den Umzug von indonesischen Moslems aus dem dicht besiedelten Java nach Borneo, Sulawesi und Irian Jaya förderte, blutigen Widerstand entgegen. Auch in Palangka Raya kam es mehrmals zu Auseinandersetzungen. Heute gibt es im indonesischen Teil Borneos etwa 3,2 Millionen Dayak, die mindestens 13 Millionen Zuwanderern gegenüberstehen.

In der Vergangenheit verlegten Staaten aus ähnlichen Überlegungen wie in Indonesien ihre Hauptstädte aus Metropolen heraus: Brasilien stampfte in den 1950er und 1960er Jahren im Landesinneren ein vom Architekten Oscar Niemeyer mitgeplantes neues Verwaltungszentrum aus dem Boden (dessen Baustelle Philippe de Broca im Filmklassiker L’Homme de Rio ein eigenes Denkmal setzte), Nigeria entlastete die überbevölkerte Hafenmetropole Lagos 1991 mit einer Verlegung der Regierung in das vom japanischen Architekten Kenzo Tange entworfene Reißbrettzentrum Abuja, und die Staatsführung von Birma zog 2005 von Rangun nach Naypyidaw um.

Nur Deutschland ging mit einem teuren Umzug von Bonn nach Berlin den umgekehrten Weg. Das hatte für beide Städte negative Konsequenzen: Bonn verslumte in Teilen (vgl. Saudis schließen Bonner Wahabitenschule), und Berlin bewältigte weder den Bau von ausreichend Wohnungen (vgl. Berlin: Hält sich die "Bausenatorin, die nicht baut"?) noch den eines neuen Flughafens (vgl. Noch 11.519 Mängel, aber die Entrauchungsanlage funktioniert).

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