#FreeStadler: Blogger darf wieder twittern

Twitter propagiert Richtlinie zur Integrität von Wahlen

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Twitter hat den Account des bekannten Fachanwalts für IT-Recht Thomas Stadler wieder freigeschaltet. Dieser war am Wochenende wegen eines satirischen Tweets gesperrrt worden (Es wird ernst).

Das Unternehmen begründete die zwischenzeitliche Sperrungen mit seiner internen Richtlinie zur Integrität von Wahlen. So will man keine Falschmeldungen dulden, die den Wahlvorgang als solchen betreffen. Insbesondere sollen keine irreführenden Angaben Verbreitung finden, die jemanden von der Wahl abhalten könnten. Stadler hatte vor drei Jahren AfD-Wählerinnen und Wählern in einem Tweet satirisch empfohlen, den Wahlzettel zu unterschreiben, was die Gültigkeit entsprechender Stimmen sabotiert hätte.

Neben irreführenden organisatorischen Hinweisen zur Wahl verbittet sich Twitter allerdings auch

  • Ungenaue Aussagen über einen gewählten Volksvertreter, Kandidaten oder eine politische Partei
  • Organische Inhalte, die polarisieren, parteiisch oder überparteilich sind oder kontroverse Standpunkte zu Wahlen oder Politik enthalten
  • Diskussionen über öffentliche Meinungsumfragen
  • Nutzung von Twitter unter einem Pseudonym oder mit einem Parodie-, Kommentar- und Fan-Account für Diskussionen zu Wahlen oder Politik

Die Unpraktikabilität bzw. subjektive Auslegung dieser Richtlinien liegt auf der Hand: Was unter "genaue Aussagen" zu verstehen sein soll, ist eine eher ungeaue Auflage. Spannend wird es, wenn sich demnach etwa auch Politiker künftig auf Twitter nur genau über ihre politischen Gegner ausdrücken dürfen.Was man sich aber unter "organische Inhalte, die polarisieren, parteiisch oder überparteilich sind oder kontroverse Standpunkte zu Wahlen oder Politik enthalten" vorzustellen hat, bleibt vollends rätselhaft.

Ob ein Diskussionsverbot über öffentliche Meinungsumfragen eine gute Idee ist, darf herzlich bezweifelt werden, zumal zu einem seriösen Umgang mit solchen auch die Kritik an der Methode gehört. Abgrenzungsschwierigkeiten zu Satireaccounts zeichnen sich insbesondere bei Satirikern ab, die für das EU-Parlament kandidieren.

Der Einfluss von Social Media auf Wahlen ist nicht zu unterschätzen, ebenso die Möglichkeiten der Beeinflussung. Nach einer aktuellen Studie sollen 85 % aller geteilten Facebook-Beiträge von Parteien in Deutschland von der AfD stammen.

Ebenfalls wieder freigeschaltet wurde der Account der SPD-Politikerin Sawsan Chebli. Ob sich die in Social Media eher unglückliche SPD mit der Nutzung von Twitter einen Gefallen tut, liegt im Auge des Betrachters. Die Umfragewerte der SPD schwanken derzeit zwischen 15 und 19%.