Iran: Schiitische Milizen im Irak als Proxy-Kräfte gegen USA?

Hashd-al-Shaabi-Kämpfer im Irak. Foto (2016): Tasnim News Agency / CC BY 4.0

Pompeos Besuch im Irak zeigt, wie groß das Risiko ist, das Land mit dem Feindbild Iran aus der Balance zu bringen. Aber auch das Interesse der USA am irakischen Öl wird deutlich

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In Nordkorea, Syrien und Iran versucht US-Präsident Trump mit spürbar harten Sanktionen, einen Deal zu erreichen. In allen drei Ländern geht die Rechnung des "großen Dealmakers" bislang nicht auf. Es kam bisher nicht zu Ergebnissen, die sich als eindeutige Erfolge ausweisen lassen. Diplomatie zeigt sich doch um einiges komplizierter.

Nordkorea ließ die letzte Verhandlungsrunde scheitern, wo sich die USA mit ihren Forderungen allzu grob auftrat, und führte vor, dass man weiter an Waffenprogrammen arbeitet, die Ängste in den mit den USA verbündeten Nachbarländern Südkorea und Japan auslösen können. Die Bedrohung bleibt also, egal wie stark sich Trump gibt. In Syrien macht Baschar al-Assad weiter, ohne nach Außen irgendein Zeichen zu geben, dass ihn die tatsächlich schmerzhaften Sanktionen dazu bringen, irgendetwas an seiner Regierung zu ändern.

Auch die Führung des Iran hat bisher nicht um Nachverhandlungen der Vereinbarung zur zivilen Nutzung von Nuklearenergie - JCPOA "gebettelt", wie es Trump in Aussicht stellte und was er als Position der Stärke mit unterschiedlichen Aussagen variiert: "Sie sollen mich anrufen!" . Die öffentlichen Signale aus Teheran gehen eher in die Richtung, dass man sich auch auf eine Konfrontation einlassen will, falls nötig. Sie bedienen damit Sorgen, dass sich das Land dafür entscheiden könnte, die Uran-Anreicherung dann doch für nicht-zivile Zwecke zu nutzen.

Die Signale, die dann von Vertretern der härteren politischen Flügels in Iran oder von Militärs an die Öffentlichkeit kommen, spielen stets mit der Möglichkeit, Bedrohungen wahr zu machen. Egal welche Folgen sie in Wirklichkeit nach sich ziehen würden, deuten sie an, auf welchen Schmerz sich die Gegner gefasst machen müssten. Sie gehören zu einem größeren Spiel mit Informationen, das nur teilweise an die Öffentlichkeit gelangt.

Verborgene Dimensionen der Signale

Die verborgene Dimension zeigt sich in Syrien: Wo sich Milizen, mit engen Verbindungen zu Iran, aufhalten, welche Lager sie mit welchen Waffen bestücken können, wie ihr "Standing" bezüglich der Regierungstruppen und der syrischen Regierung aussieht, das sind Signale, für die sich Israel sehr interessiert.

Unverkennbar ist, dass Raketen iranischer Bauart, die bei den Golanhöhen herumfliegen, Botschaften sind, die an das israelische Kommando gerichtet ist. Wie auch jeder Luftangriff aus Israel, egal ob die israelische Regierung ihn öffentlich anerkennt oder nicht, seine genaue Adressaten auf der anderen Seite hat, die das Signal schon einzuschätzen wissen.

Pompeos dringender Besuch im Irak

Ganz ähnlich liegt der Fall bei den Bedrohungen, die den US-Außenminister Anfang der Woche dazu brachten, nicht, wie angekündigt, seinen Deutschlandbesuch abzustatten, sondern überraschend nach Bagdad zu reisen, um dort mit Premierminister Adel Abdul Mahdi, seinem Außenministerkollegen Mohamed Ali Alhakim und dem Präsidenten Barham Salih darüber zu reden, "wie wichtig es ist, dass der Irak sicherstellen kann, dass die Amerikaner im Land ausreichend geschützt sind" (US-Außenminister Pompeo).

Welche Zusicherungen Pompeo in der Sache erhalten hat, wurde der Öffentlichkeit nicht bekannt. Bemerkenswert ist eine Randnotiz im Artikel der New York Times, die darauf verweist, dass es am Tag des Pompeo-Besuchs in Irak Nachrichten gab, wonach ein 53-Milliarden-Dollar-Vertrag zur Nutzung von Ölfeldern im Süden Iraks mit Exxon Mobil und PetroChina kurz vor der Unterzeichnung stehe. Von Pompeo wird dazu eine Aussage zitiert, wonach solche großen "Energy-Deals" für den Irak besonders wichtig seien, weil sie das Land von der Abhängigkeit der Energiezufuhr aus Iran ablösen.

Iran als Energie-Konkurrent

Das erinnert an die Argumentation, die US-Vertreter im Fall Nord Stream 2 gelten machen, wo man insistierend Druck damit ausübt, dass das Erdgas aus Russland sicherheitspolitisch riskant sei. Bei der EU-Kommission hat das bereits zu beträchtlichen Konzessionen und Geschäftserfolgen der US-Energieverkäufer geführt.

Der Deal mit Exxon führt vor Augen, dass die USA gerade unter dem Geschäftsmann Trump ("But I always said: Take the oil") auch andere Interessen verfolgen, die nicht unbedingt unwichtiger sind, ganz im Gegenteil. Iran ist nicht nur eine "sicherheitspolitische Frage", sondern auch eine der Konkurrenz auf dem Energiemarkt.

Iranische Drohungen

Indessen förderten US-Medien zuletzt immer neue Insiderinformationen zur iranischen Bedrohung zutage. NBC meldete gestern mit Berufung auf drei ungenannte US-Vertreter, die "mit Geheimdiensterkenntnissen vertraut sind" - also selbst keine Geheimdienstmitarbeiter sind -, dass die iranische Führung "einigen ihrer Proxy-Streitkräften gesagt habe, dass sie nun gegen amerikanisches Militärpersonal und Anlagen in der Region vorgehen können".

Das mögliche Schlachtengemälde wird noch etwas bunter ausgemalt mit Andeutungen, dass auch von iranischen Daus im persischen Golf aus Raketen abgeschossen werden könnten und dazu gibt es auch eine offizielle Aussage U.S. Centcom-Sprechers Bill Urban: "Wir haben aktuelle und deutliche Hinweise darauf, dass iranische und iranische Proxy-Streitkräfte Vorbereitungen zu möglichen Attacken auf US-Streitkräfte in der Region treffen. Das schließt Angriffe zur See und auf dem Land ein."

Da Bill Urban dezidiert sagt, dass er nichts Präzises dazu verraten will, ist das Spielfeld offen für nicht genau unterlegte Bedrohungen. Sie führen letztlich auf bekanntes Gelände: Zur Erkenntnis, dass die schiitischen Milizen im Irak angesichts von 5.000 Amerikanern im Irak (offen bleibt, was aus der politischen Forderung im Irak wird, die US-Truppen aus dem Land zu zwingen) je nach Lager und Lage gewisse Möglichkeiten und eine gewisse Bedrohung darstellen, wie dies auch in anderen Publikationen, etwa in The Atlantic weiter dargelegt wird.

Mehr als eine Ambivalenz

Dort wird einmal darauf aufmerksam gemacht, was News-Hysterie übersehen lässt - dass die schiitischen Milizen im Irak seit jeher als Bedrohung in mal stärker und mal weniger starken Ausmaß geschildert werden, je nach politischer Lage, und es wird auf den interessanten Punkt verwiesen, dass die schiitischen Milizen vor Kurzem noch Partner im Kampf gegen einen gemeinsamen Feind, nämlich den IS, waren. Das hat mehr als nur eine Ambivalenz.

Es zeigt an, dass US-Militärs mit schiitischen Milizen zusammenarbeiten können - wenn auch nicht mit den radikalen Fanatikern, die es gibt -, dass Positionen nicht in Stein gemeißelt sind. Dass die schiitischen Milizen, die als PMU, Volksmobilmachungskräfte oder al-Haschd asch-Scha'bī, in die irakischen Streitkräfte integriert wurden, dass sie offiziell dem irakischen Verteidigungsministerium unterstellt sind und nicht Iran.

Dass die Sache also komplizierter liegt, als dass aus Teheran einfach nur eine Angriffsanweisung kommen müsste und die schiitischen Milizen würden einfach so losschlagen gegen die US-Militärs, die offiziell ebenfalls Partner der irakischen Sicherheit sind, ist auch an der komplizierten Regierungsbildung im Irak zu sehen, bei der Iran wie auch die USA ihre Fäden ziehen. Ein einfaches Hau-Drauf ist in solchen Konstellationen nicht sehr wahrscheinlich.

Die Gefahr, die im Atlantic-Artikel erwähnt wird, liegt nun genau darin begründet, dass ein gemeinsamer Feind bisherige Kontrahenten zur Kooperation bringen kann. Die bange Frage lautet, was daraus folgt, wenn die USA mit großem Aufwand versuchen, Iran als den großen gemeinsamen Feind darzustellen? Das Risiko besteht darin, dass dies alte Gräben aufreißt.

Wie man beispielsweise beim irakischen Schiitenführer Muqtada as-Sadr sehen kann, sind die Positionen der Schiiten im Irak zur Führung in Iran weder gleichförmig noch eindeutig, sondern auch kritisch, distanziert, "in Arbeit", Veränderungen unterworfen ...

Im Irak kann einiges falsch laufen, wenn man solche Dynamiken nicht miteinbezieht und zu bullig herangeht. Die USA müssten das eigentlich aus jahrelangen Erfahrungen wissen.