Die NATO im Kalten Krieg

Die NATO und der Warschauer Pakt von 1982 bis 1999. 1952 traten Griechenland und die Türkei der NATO bei. Nach Gründung des Warschauer Paktes 1955 trat 1956 die BRD der NATO bei, die DDR dem Warschauer Pakt. 1982 folgte Spanien in die NATO

Von der Geschichte eines Bündnisses, das angetreten war, Europas Freiheit und Sicherheit zu garantieren und dabei selbst zum Sicherheitsrisiko wurde

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The Parties agree that an armed attack against one or more of them in Europe or North America shall be considered an attack against them all and consequently they agree that, if such an armed attack occurs, each of them, in exercise of the right of individual or collective self-defence recognised by Article 51 of the Charter of the United Nations, will assist the Party or Parties so attacked by taking forthwith, individually and in concert with the other Parties, such action as it deems necessary, including the use of armed force, to restore and maintain the security of the North Atlantic area.

Artikel 5 des Nordatlantik-Pakts

Verteidigung zwischen Aufrüstung und Entspannung

Die Zeit von der Gründung der NATO 1949 durch die zwölf Staaten USA, Großbritannien (mit Malta), Frankreich, Italien, Portugal, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Dänemark (mit Grönland), Norwegen, Island und Kanada bis zur Auflösung des Warschauer Pakts und der Sowjetunion 1991 war geprägt vom bipolaren Denken und Handeln des Kalten Kriegs.

So wurde die Sowjetunion als Antagonist für die Existenz des Bündnisses bemüht, eine Rolle, der sie mal mehr, mal weniger gerecht wurde. Problematisch in dieser Sichtweise war, dass die als Verteidigungsbündnis konzipierte Militärallianz sich selbst gerne als Wertegemeinschaft verstand, ohne die eigene, konfliktverschärfende Rolle entsprechend zu reflektieren. So heißt es in der Präambel des Nordatlantik-Pakts:

The Parties to this Treaty reaffirm their faith in the purposes and principles of the Charter of the United Nations and their desire to live in peace with all peoples and all governments. They are determined to safeguard the freedom, common heritage and civilization of their peoples, founded on the principles of democracy, individual liberty and the rule of law. They seek to promote stability and well-being in the North Atlantic area. They are resolved to unite their efforts for collective defense and for the preservation of peace and security. They therefore agree to this North Atlantic Treaty.

Nordatlantik-Pakt

Fragwürdige Werte einer "Wertegemeinschaft"

Doch schon die wiederholt bemühten Werte der "freien Welt", also liberale Demokratie und Marktfreiheit, stießen dort an Grenzen, wo zu viel Sozialdemokratie und Sozialismus befürchtet wurden. So gingen aus von der NATO gegründeten Stay-behind-Zellen, gedacht als terroristische Gruppe hinter den feindlichen Linien im Falle einer sowjetischen Invasion, mehrere Terrorakte hervor, darunter das Attentat auf den Bahnhof von Bologna am 2. August 1980, bei dem 85 Menschen getötet und über 200 verletzt wurden. Zeitgleich entstand im informellen Raum des NATO-Umfelds auch die von rechten italienischen Generälen gegründete Loge P2, die im Falle eines Wahlsieges der Kommunisten in Italien eine Militärdiktatur errichten sollte.1

Der Hauptbahnhof von Bologna nach dem Anschlag vom 2. August 1980. Bild: Beppe Briguglio, Patrizia Pulga, Medardo Pedrini, Marco Vaccari / CC-BY-SA-3.0

Aber auch anderswo haperte es mit dem Anspruch von Freiheit und Demokratie. Das Gründungsmitglied Portugal stand schon seit 1932 unter der faschistoiden Herrschaft von António de Oliveira Salazar und seinem von Einparteiensystem, Terror und Unterdrückung geprägten "Estado Novo" (Salazars Herrschaft dauerte bis 1968). Und zu guter Letzt verdrängte man in Washington und Brüssel über Jahrzehnte hinweg erfolgreich die Tatsache, dass die Gründung einer Militärallianz zwangsläufig zur Entstehung von Gegenbündnissen führt und damit per se konfliktverschärfend wirkt.

Selbst die Behauptung, dass das Bündnis Stabilität im Inneren erzeugt und damit einen weiteren innereuropäischen Konflikt verhindert habe, ist wenig überzeugend, wenn man an den griechisch-türkischen Konflikt in der Ägäis denkt. Dieser ist bis heute ungelöst und eskalierte im Kampf um Zypern, als Griechenland die integrierte Kommandostruktur der NATO verließ - unbeschadet der Tatsache, dass beide Parteien seit 1952 Mitglieder im selben Bündnis sind.

Das Konzept der atomaren Abschreckung

Im Verlauf des Kalten Krieges sollten die USA zur bisher größten Militärmacht der Geschichte werden, und entsprechend prägten sie das Transatlantische Bündnis. So übernahm die NATO 1953 auch die US-amerikanische Nuklearstrategie der "Massiven Vergeltung", die bei einem Angriff, egal ob atomar oder konventionell, die vollständige Vernichtung des Feindes vorsah. Diese Idee der "atomaren Abschreckung" sollte fortan für Jahrzehnte die europäische Sicherheitspolitik bestimmen.

Die Blockbildung in Europa führte dabei auch wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zur Re-Militarisierung Deutschlands. Die BRD trat am 9. Mai 1955 der NATO bei, die DDR wurde fünf Tage später Gründungsmitglied des Warschauer Pakts. Dabei war die Politik der Konfrontation nicht alternativlos. Doch Entspannungssignale wie die durch Washington und Moskau gemeinsam beschlossene Neutralität Österreichs, am 15. Mai 1955 durch den Staatsvertrag Wirklichkeit geworden, blieben in dieser krisenhaften Zeit Seltenheit:

Der Mauerbau in Berlin 1961 und die Stationierung sowjetischer Atomraketen auf Kuba führten 1962 zu gefährlichen Krisen unvorhersehbaren Ausmaßes. Vorausgegangen war dem Ganzen die Stationierung US-amerikanischer Jupiter-Raketen im NATO-Mitgliedsland Türkei 1959. Hier zeigte sich einmal mehr, dass die NATO keineswegs nur, wie in ihrer Selbstdarstellung behauptet, der Verteidigung und dem Schutz des Bündnisgebiets diente, sondern im Gegenteil durch ihre Eskalationspolitik zum Sicherheitsrisiko werden konnte.

Luftaufnahme der Raketenstellung in Kuba (1962). Bild: U.S. Air Force

Doch auch innerhalb der NATO kriselte es: Nachdem die USA Frankreich 1954 in der entscheidenden Schlacht von Dien Bien Phu gegen den Vieth Minh militärische Unterstützung verweigert hatten, verlor Paris nicht nur den Krieg, sondern auch seine Kolonie Vietnam. 1958 wurde General Charles de Gaulle Präsident, der Frankreich in mehreren Schritten von der NATO distanzierte, bis er 1966 durch den Austritt aus der integrierten Kommandostruktur sogar den völligen Abzug kanadischer und US-amerikanischer Einheiten aus Frankreich erzwang. Seit damals befindet sich das europäische NATO-Hauptquartier nicht mehr in Paris, sondern in Brüssel.

Während Paris erst 2009 wieder NATO-Vollmitglied wurde, blieben die Streitigkeiten innerhalb der Allianz nicht das einzige Thema der 1960er Jahre. Nach dem Engagement im Korea-Krieg 1950 bis 1953, das mit einer Patt-Situation schloss und keine Grenzänderungen zwischen dem kommunistischen Norden und dem kapitalistischen Süden brachte, sollte sich auch der erneut als Zurückdrängen des Kommunismus und als "Kampf für die Freiheit" gerechtfertigte Krieg in Vietnam zunehmend als Bumerang erweisen. Auch wenn es offiziell kein NATO-Krieg war, so kämpften doch mit den USA die mit Abstand stärkste Macht des Bündnisses in Vietnam gegen den von Nordvietnam, der UdSSR und China unterstützten Vietcong.