OPCW: Wurde ein Bericht von Inspektoren über den Giftgasangriff in Duma unterdrückt?

Der Chlorgas-Kanister auf dem Bett. Bild: Screenshot

Ein angeblicher vertraulicher Bericht eines technischen OPCW-Teams hält es für wahrscheinlich, dass die Gaskanister platziert und nicht von Flugzeugen abgeworfen wurden

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Am 7. April 2018 soll sich nach Berichten der Weißhelme, die, finanziert vornehmlich von Großbritannien und den USA, auffälligerweise nur in den von "Rebellen" und dschihadistischen Gruppen kontrollierten Regionen tätig sind, und der mit diesen verbundenen Syrian American Medical Society (SAMS) und des Violations Documentation Center ein Angriff mit chemischen Waffen in Douma (Duma) ereignet haben (Das lässt aufhorchen: Angeblicher Chemiewaffenangriff in Ost-Ghouta). Hubschrauber sollen sie abgeworfen haben. Markant blieben im Gedächtnis die Bilder von vielen Toten, von mit Wasser abgespritzten Kindern mit Sauerstoffmasken und einem Zylinder mit Giftgas hängen, der das Dach eines Hauses durchschlagen und auf ein Bett gefallen sein soll.

Damals hatten in den anderen Teilen von Ost-Ghuta die islamistischen Gruppen Faylaq al-Rahman und Ahrar al-Sham mit Damaskus und Moskau vor dem drohenden Angriff eine Evakuierung vereinbart. Die Gruppe Jaysh al-Islam, die Duma kontrollierte, wollte hingegen nicht abziehen. Am Tag vor dem auslaufenden Ultimatum geschah dann der Angriff mit dem Giftgas, dann verließen auch Jaysh al-Islam mit Kämpfern und Familien über den Korridor Duma Richtung Idlib oder Afrin.

Im Westen waren sich die meisten Regierungen und Medien einig und schnell bei der Hand mit der Schuldzuweisung. Ohne mehr als die Aussagen und Bilder der Weißhelme zu kennen, war es für sie klar, dass es sich um einen Angriff der syrischen Truppen gehandelt habe. Assad und Moskau wurden verantwortlich gemacht. US-Präsident Donald Trump ließ, sekundiert von Briten und Franzosen, am 14. April, obgleich die OPCW-Inspektoren bereits in Damaskus waren, einige Orte in Syrien bombardieren, die Teile des angeblich noch nicht beendeten Giftgasprogramms sein sollten. Damit konnte man dann auch noch unterstellen, dass Syrien die Chemiewaffenkonvention, der es 2013 beigetreten ist, verletzt haben soll, weil nicht alle Chemiewaffen zerstört worden seien.

Wahrscheinlich Chlorgas

In Duma haben schließlich die OPCW-Inspektoren der Fact-Finding-Mission (FFM) vor Ort die Vorfälle untersucht. Im Zwischenbericht, der im Juli veröffentlicht wurde, hieß es, man habe "keine Rückstände von phosphororganischen Nervengiften oder deren Zerfallsprodukten" gefunden, wohl aber an zwei Orten, wo Kanister auf dem Balkon und auf dem Bett zurückgeblieben waren, verschiedene gechlorte organische Verbindungen nachgewiesen. Die können von Chlorgas, aber auch von anderen Verwendungszwecken von Chlor stammen.

Im Abschlussbericht, der im März 2019 vorgelegt wurde, wird vorsichtig argumentiert, was Medien und Politiker nicht hinderte, daraus eine Bestätigung der Schuld von Syrien und Russland abzuleiten. Aufgrund von Boden- und Blutproben, toxikologischen und ballistischen Analysen, Zeugenbefragungen und weiteren digitalen Dokumenten von Zeugen kommt die OPCW zu dem Schluss, es gebe "gute Gründe, dass der Einsatz einer toxischen Chemikalie am 7. April 2018 stattgefunden hat". Bei der toxischen Chemikalie habe es sich "wahrscheinlich" um Chlorgas gehandelt. Die auf den Bildern der Weißhelme zu sehenden Leichen konnten nicht untersucht werden, da sie gleich vergraben worden seien. So ist nicht nachgewiesen, wo, wann und an was sie gestorben sind (OPCW-Bericht: In Duma war wahrscheinlich Chlorgas als Waffe eingesetzt worden).

Werden Kinder zu Recht behandelt oder wurden sie Teil einer Inszenierung? Bild: SNHR

Zeugenaussagen geben kein eindeutiges Bild wieder. Dass die gefundenen Kanister Chlorgas enthalten haben, sei nur "möglich", so der Bericht. Nach Experten und Berechnungen sei der im Bett gefundene Kanister durch das Dach durchgebrochen, allerdings wird konstatiert, dass der Kanister im Bett mehrere Male bewegt worden sein muss, dass er gereinigt wurde, dass Geröll verändert wurde und manches, was auf den Videos zu sehen war, wie etwa ein Metallrahmen oder weißes Pulver, bei der Inspektion verschwunden war. Auch die auf den Bildern zu sehenden Toten seien bewegt worden, es wurden einige Unstimmigkeiten festgestellt.

Zwar benannte die OPCW, was auch nicht die Aufgabe war, keine Verantwortlichen, aber man hielt daran fest, dass die Kanister, die wahrscheinlich Chlorgas enthalten haben, nach den Spuren an den Häusern und Berechnungen heruntergefallen seien, also dass sie, was explizit nicht gesagt, aber suggeriert wird, von Flugzeugen abgeworfen wurden. Auffällig ist, dass nur untersucht worden zu sein scheint, ob die Kanister tatsächlich abgeworfen sein könnten, alternative Szenarien wurden nicht geprüft.

9.9 The analyses indicated that the structural damage to the rebar-reinforced concrete terrace at Location 2 was caused by an impacting object with a geometrically symmetric shape and sufficient kinetic energy to cause the observed damage. The analyses indicate that the damage observed on the cylinder found on the roof-top terrace, the aperture, the balcony, the surrounding rooms, the rooms underneath and the structure above, is consistent with the creation of the aperture observed in the terrace by the cylinder found in that location.

9.10 At Location 4, the results of the studies indicated that the shape of the aperture produced in the modulation matched the shape and damage observed by the team. The studies further indicated that, after passing through the ceiling and impacting the floor at lower speed, the cylinder continued an altered trajectory, until reaching theposition in which it was found.

Aus dem Abschlussbericht

Der angeblich unterdrückte Bericht eines OPCW-Teams

Die Working Group on Syria, Propaganda and Media berichtet nun, sie habe einen Berichtsentwurf über die technische Bewertung der Kanister zugespielt bekommen, der zwar nicht geheim ist, aber als vertraulich eingestuft wurde und nicht zirkulieren sollte. Er wurde im Februar verfasst und war eine Grundlage des Abschlussberichts, falls es sich tatsächlich um einen authentischen Bericht handeln sollte. Es gibt allerdings kaum Zweifel, dass es sich um einen Bericht von OPCW-Inspektoren handelt.

Im Unterschied zum Abschlussbericht, wurden hier auch alternative Szenarien diskutiert. Geprüft wurde an beiden Orten und mit den vorhandenen Informationen, ob die Kanister - wahrscheinlich von einem Hubschrauber aus unbekannter Höhe - abgeworfen oder ob sie nur platziert wurden, also ob ein Angriff wirklich stattgefunden hat oder ob er inszeniert wurde.

Richtig heißt es, zur wissenschaftlichen Prüfung habe man Hypothesen darüber aufstellen müssen, was geschehen sein könnte. Das habe auch so geschehen müssen, um keinen Vorannahmen zu folgen oder vorzeitig falsche Schlüsse zu ziehen. Untersucht wurden so etwa die Kanister, deren Deformationen und die Schäden bzw. das Loch, die oder das sie mit welcher Geschwindigkeit und aus welcher Höhe verursacht haben könnten, die Ergebnisse wurden mit Simulationen verglichen, um zu erkennen, ob die beobachteten Deformationen der Kanister tatsächlich durch den Aufprall bzw. den Durchschlag durch die Betondecke verursacht sein konnten.

Bei der Analyse stießen die Inspektoren auf Inkonsistenzen zwischen den Deformationen und den Schäden, die die Kanister an den Gebäuden verursacht haben sollen. So habe man für den Kanister, der auf dem Bett gelandet sein soll, keine Bedingungen für die Flugrichtung und den Fall nach dem angeblichen Durchschlag durch die Decke konstruieren können, die mit den Beobachtungen übereinstimmen. Festgehalten wird, dass der Kanister bewegt wurde und überhaupt erheblich korrodiert gewesen sei, was nicht nach dem Einschlag in dem Schlafzimmer entstanden sein könne.

Die Inspektoren ziehen den Schluss aus ihren Untersuchungen, dass sie nicht sicher sagen können, dass die beiden Kanister von einem Flugzeug abgeworfen wurden. Sie wurden aber noch viel deutlicher:

Die Ausmaße, die Eigenschaften und das Aussehen der Kanister und der umgebenden Szene der Vorfälle waren inkonsistent mit dem, was man in dem Fall erwarten müsste, wenn einer der Kanister von einem Flugzeug abgeworden wurde. In jedem Fall erzeugte die alternative Hypothese die einzig plausible Erklärung für die Beobachtungen am Tatort.

Aus dem technischen Bericht

Sie kommen zu dem Schluss, der in keiner Weise im Abschlussbericht als Erwägung auftaucht, dass beide Kanister "mit einer höheren Wahrscheinlichkeit händisch an diesen beiden Orten platziert wurden, als dass sie von einem Flugzeug abgeworfen wurden".

Wie unabhängig ist die OPCW?

Die Working Group on Syria, Propaganda and Media sagt, sie habe mit OPCW-Mitarbeitern kommuniziert. Diese hätten bestätigt, dass ein technisches Subteam der FFM 2018 vor Ort Untersuchungen durchgeführt und eine Analyse mit der Hilfe von Computermodellen in Zusammenarbeit mit zwei europäischen Universitäten erstellt hätten. Der Bericht sei aber nicht in den Abschlussbericht aufgenommen worden.

Der technische Bericht sei von Ian Anderson, einem OPCW Inspection Team Leader, unterzeichnet worden. Er habe die Untersuchung der Kanister geleitet, allerdings erklärte das OPCW gegenüber der Working Group, Anderson sei kein Mitglied der FFM gewesen und der Bericht kein Teil der FMM-Untersuchungen. Die Working Group entgegnet, dass Anderson nicht Vor-Ort-Untersuchungen hätte machen können, wenn er und sein Team nicht Teil der FFM gewesen wären.

Die Working Group kommt zur Schlussfolgerung, auch nach Berichten über die Weißhelme, den Nowitschok-Anschlag auf die Skripals und das Wirken der Integrity Initiative, dass die OPCW nicht unparteiisch ist, sondern unter Druck vor allem der USA, Großbritanniens und Frankreichs steht (was Parallelen zu den Inspektionen über die angeblichen Massenvernichtungswaffen vor dem Krieg gegen den Irak hat). Vertuscht worden seien die Beweise für eine Inszenierung des Giftgasangriffs.

Dabei gehe es nicht nur um das Ansehen der Organisation, schließlich habe die Inszenierung zu einem Raketenangriff der USA, Großbritanniens und Frankreichs geführt, der auch einen Krieg hätte auslösen können. Aufgerufen werden OPCW-Mitarbeiter, weiter als Whistleblower Informationen über kriminelles Verhalten weiterzugeben, befürwortet werden Bemühungen, Whistleblower finanziell durch Spenden zu unterstützen.

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