Friedlicher Machtwechsel in der Ukraine

Wolodimir Selenski auf dem Weg zur Vereidigung. Bild: Presidential Administration of Ukraine/CC BY-SA-4.0

Die radikalen Nationalisten geben nicht mehr den Ton an. Der neue ukrainische Präsident, Wolodimir Selenski, erklärte bei seiner Antrittsrede eine Feuereinstellung in der Ost-Ukraine zu seinem "wichtigsten Ziel"

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Auf dem Weg zur Vereidigung im Parlament ging der neue ukrainische Präsident Wolodimir Selenski vorbei an jubelnden Menschen, die ihm begeistert zuwinkten, ihn mit Handys filmten und Rote-Herzen-Luftballons hielten.

Selenski verhielt sich völlig anders als alle postsowjetischen Präsidenten der Ukraine vor ihm. Er schüttelte nicht nur einige Hände, er sprang sogar in die Menge und küsste einige Bürger. Einer Frau nahm er kurzerhand das Handy weg und machte ein Selfi mit der Dame.

Selenski will ein Mann des Volkes sein

Wie er in seiner Antrittsrede erklärte, sind "wir alle" der Präsident. Er wolle auch nicht, dass die Menschen sein Porträt in die Amtsstuben hängen. Sie sollten sich lieber Bilder von ihren Kindern aufhängen, denen sie vor bestimmten Entscheidungen in die Augen schauen sollen.

"Wir gehen nicht nach Europa", jeder von uns ist Europa, Europa ist hier, sagte der neue Präsident. Das war ein Appell an die Bürger, die sich nicht nur regieren lassen, sondern selbst Verantwortung übernehmen sollen. Selenski will die Ukraine zum Magneten machen. Ein ähnliches Konzept hatte Putin in den 2000er Jahren für Russland entwickelt. Selenski rief die Ukrainer, die im Ausland leben, dazu auf, in die Heimat zurückzukehren und ihr Wissen und ihre Fähigkeiten mitzubringen, um das Land zu entwickeln: "Beim Fußball müssen wir wie Isländer sein, beim Schutz unseres Territoriums wie die Israelis, bei der Technologie wie die Japaner und beim friedlichen Zusammenleben wie die Schweizer."

Hauptziel: Krieg beenden

Wolodimir Selenski hat sich in der Ukraine einen Namen gemacht als Schauspieler und Komiker. In der Fernsehserie "Diener des Volkes" spielt er einen Präsidenten, der sich für die einfachen Menschen einsetzt.

Deutsche Kommentatoren sind sprachlos, wie dieser Komiker es geschafft hat, sich an die Spitze des ukrainischen Staates zu stellen. Unterschwellig hörte man schon nach der Präsidentschaftswahl heraus, Selenski sei einfach zu schwach um sich gegen den Aggressor Putin aufzustellen.

Erstaunlich an Selenski ist, dass er auch bei der Amtseinführung wie ein Polit-Neuling wirkte. Er schwörte die Ukraine nicht auf harte Zeiten ein, er warb nicht um Verständnis, dass man nicht alle Wahlkampfforderungen sofort umsetzen könne. Im Gegenteil. In seiner Antrittsrede erinnerte Selenski an seine wichtigsten Forderungen. Die Rede war zweifellos auch eine Rede, mit der der Wahlkampf um die Werchownaja Rada eingeleitet wurde.

Selenski kritisierte den abgewählten Präsidenten dafür, dass er nicht für alle Ukrainer Politik gemacht und die Menschen in den von Separatisten kontrollierten Gebieten allein gelassen habe. Dem Leiter der ultranationalistischen Radikalen Partei Oleh Ljaschko, der sich darüber beschwerte, dass Selenski beim Thema Ostukraine nicht Ukrainisch, sondern Russisch sprach, verpasste der neue Präsident einen Rüffel, "Herr Ljaschko" wolle die Ukraine "spalten".

Wolodimir Selenski. Bild: Mykola Lazarenko/Presidential Administration of Ukraine/CC BY-SA-4.0

Für eine Feuereinstellung im Donbass will Selenski sogar sein Amt riskieren

Selenski hatte im Wahlkampf versprochen, den Krieg zu beenden. Das war einer der Gründe, warum er mit 73 Prozent der Stimmen gewählt wurde. Auch in seiner Antrittsrede erklärte er eine Feuereinstellung im Donbass sei das wichtigste Ziel.

Ich bin bereit meine Popularität zu verlieren, mein Rating, wenn es sein muss. Ich bin sogar bereit, mein Amt zu verlieren, nur um den Frieden zu erreichen.

Selenski

Der neue Präsident sagte allerdings auch, die Ukraine werde "kein Territorium abgeben". Doch faktisch bedeutet die Absage an kriegerisches Vorgehen in der Ostukraine, dass die sogenannten "Volksrepubliken" zu eingefrorenen Konflikten werden.

Treffen mit den Vertretern westlicher Staaten

Der neue Präsident traf sich nach seiner Antrittsrede mit Vertreter westlicher Staaten im Kiewer Marinski-Palast. Zu den ausländischen Gästen gehörten die Präsidenten von Georgien, Estland, Lettland, Litauen und Ungarn. Auch die Nato und die EU-Kommission hatten Vertreter geschickt. Aus den USA waren Energieminister Rick Perry und aus Kanada Verteidigungsminister Harjit Singh Sajjan angereist.

Der neue Präsident der Ukraine dankte den Vertretern ausländischer Staaten für ihre Unterstützung im Kampf gegen die Korruption, "vor allem aber im Kampf gegen die russische militärische Aggression im Osten in der Ukraine und auf der Krim."

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