Werden die USA sozialistisch?

Unter dem Rechtspopulisten Trump werden linke Ideen attraktiver, 40 Prozent befürworten nach einer Gallup-Umfrage "eine Art des Sozialismus"

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Der Milliardär Donald Trump, der sich als Mann des Volkes und gleichzeitig als außergewöhnlicher Geschäftsmann darstellt, hat schon mal die Losung ausgegeben: "Freiheit oder Sozialismus". Als wäre man noch im alten Kalten Krieg und nicht unter veränderten Bedingungen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im neuen Kalten Krieg, der allmählich heiß läuft, will der US-Präsident im anlaufenden Wahlkampf eine Alternativenlosigkeit vorgaukeln. Entweder Kapitalismus mit entsprechender Steuerentlastung für die Reichen, was für Freiheit steht, oder Sozialismus, was wirtschaftlichen Niedergang wie in Kuba und Venezuela, beide stranguliert durch US-Sanktionen, bedeuten würde.

Viele Präsidentschaftsbewerber der Demokratischen Partei pflegen hingegen im Land Gottes und des Kapitalismus ungewöhnliche Ideen und treffen dabei auf Resonanz. So fordern die demokratischen Politikerinnen Elisabeth Warren, Ilhan Omar und Alexandria Ocasio-Cortez höhere Steuern für Reiche, um die sich verstärkende Ungleichheit in der Gesellschaft zu mindern. Und in Umfragen wurden diese Forderungen von einer Mehrheit der Amerikaner befürwortet (Höhere Besteuerung der Reichen ist plötzlich mehrheitsfähig).

Die Zustimmung zum Kapitalismus sinkt, die zum Sozialismus steigt, konstatierte auch Tomasz Konicz im Februar: Socialist States of America?. Neben der Steuerpolitik und dem Kampf gegen die Oligarchie geht es wieder um den Ausbau der Krankenversicherung, aber auch um den Umbau der Gesellschaft in einem "Green Deal".

Allerdings hat der Linke Bernie Sanders, der zunächst unter den Demokraten die größten Chancen zu haben schien, inzwischen gegen "Middle-Class Joe" eine Niederlage erlitten. Das weiterhin konservative Establishment der Demokratischen Partei hatte den Ex-Vizepräsident Joe Biden ins Rennen geschickt, um die linken Ideen und Politiker in den Hintergrund zu drängen (Der weiße, alte Mann als Speerspitze der Demokraten gegen Trump).

Ob sich das wirklich erfolgreich sein wird, ist die Frage. Wie die aktuelle Gallup-Umfrage zeigt, sagt zwar noch eine knappe Mehrheit von 51 Prozent, Sozialismus ("some form of socialism") sei schlecht für die USA, aber 43 Prozent sehen in einer Form des Sozialismus etwas Gutes. Dabei kommt es noch gar nicht darauf an, was die Menschen sich so unter Sozialismus näher vorstellen, es ist in den USA schon bemerkenswert, dass dieser verpönte Begriff für zunehmend mehr Menschen nicht mehr zur Abschreckung dient, sondern zum Leitbegriff einer als notwendig erachteten Gesellschaftsveränderung wird. Noch im letzten Jahr sahen nur 37 Prozent Positives im Sozialismus, fast gleichbleibend seit 2010, und war für 61 Prozent der Kapitalismus positiv.

Allerdings hatte eine knappe Mehrheit der Anhänger der Demokraten in Umfragen seit 2010 eine positive Einschätzung des Sozialismus, zurückgegangen ist bei ihnen vor allem die Affirmation des Kapitalismus. Und es sind die jungen Amerikaner, die sich offener für linke Ideen zeigen. Dass wurde 2016 während der Präsidentschaftswahl schon mit dem Zuspruch für Bernie Sanders deutlich, der dann mit unlauteren Tricks vom demokratischen Establishment abgesägt wurde, das auf Hillary Clinton setzte (und vielleicht mit zu verantworten hat, dass Trump Präsident wurde). Bei den 18-29-Jährigen betrachteten 2010 noch 68 Prozent den Kapitalismus als positiv, 2018 waren es nur noch 45 Prozent.

Wie schwierig die Lage in den USA ist, führt Gallup selbst vor. Gefragt wurde, ob in den nächsten 50 Jahren die meisten Staaten eine demokratische, sozialistische oder kommunistische Regierung haben werden. Suggeriert wird damit, dass Sozialismus nicht mit Demokratie einhergehen kann, also letztlich die Losung: Freiheit (und Kapitalismus) oder Sozialismus. Dass Kapitalismus auch in autoritären Systemen funktioniert, wird hingegen ausgeblendet. Auf diese suggestive Frage sagte eine Mehrheit von 57 Prozent, die meisten Staaten würden dann eine demokratische Regierung haben, trotzdem aber noch 29 Prozent, dass sie eine sozialistische Regierung hätten, und sogar 6 Prozent rechnen mit kommunistischen Regierungen.

Trotz des Anfreundens mit dem Sozialismus ist der Kapitalismus, bei Gallup der "freie Markt", tief in den Köpfen verankert. Er ist in vielen Bereichen besser als der Staat, nur beim Daten- und Umweltschutz neigt eine Mehrheit dazu, dass hier der Staat verantwortlich sei. Selbst bei der Verteilung des Wohlstands ziehen 68 Prozent den "freien Markt" gegenüber dem Staat vor, ähnlich bei der technischen Innovation, der Wirtschaft und den Löhnen. Bei der Gesundheitsfürsorge oder der höheren Ausbildung gibt es auch noch eine knappe Mehrheit.

Gallup kommentiert: "Beachtenswert ist, dass mehr Amerikaner beim Gesundheitswesen und der höheren Ausbildung den freien Markt staatlicher Kontrolle bevorzugen. Das sind zwei Bereiche, in denen demokratische Politiker Vorschläge gemacht haben, die Regierung stärker zu beteiligen. Aber mindestens 4 von 10 Amerikanern scheinen einer Politik sympathisch zu finden, die die Rolle der Regierung in diesen Gebieten vergrößert."

Erstaunlich ist auch, dass mit 40 Prozent mehr Amerikaner sagen, die Wirtschaft sei eher staatlicher Kontrolle unterworfen. 34 Prozent sagen, sie sei stärker vom freien Markt kontrolliert, für 25 Prozent ist eine gleichwertige Mischung aus beidem.

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