US-Regierung greift Lebensmittelversorgung in Venezuela an

Subventionierte Importe aus Mexiko, Brasilien, der Türkei und anderen Staaten sollen die Versorgungskrise mindern. Foto: Harald Neuber

Neue Sanktionen sollen gezielt Nothilfeprogramm CLAP treffen. Experten gehen von rund 40.000 Toten durch Sanktionen seit 2017 aus

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Venezuelas Präsident Nicolas Maduro hat die USA wegen gezielter Aktionen gegen ein staatliches Nahrungsmittelhilfeprogramm kritisiert, das nach Angaben seiner Regierung rund sechs Millionen Familien erreicht. Er reagierte damit auf Berichte von US-Medien, denen zufolge Washington Sanktionen und Strafmaßnahmen gegen venezolanische Beamte und andere Akteure vorbereitet, die an dem Nahrungsmittelprogramm beteiligt sind. Sie nutzten die Initiative, so heißt es zur Begründung, um Geld für die Regierung zu waschen.

Die Maßnahmen gegen die Lokalen Komitees für Versorgung und Produktion (Comités Locales de Abastecimiento y Producción, Clap) sollen binnen der kommenden 90 Tage umgesetzt werden, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf namentlich nicht genannte US-Funktionäre. "(Die USA) bereiten Sanktionen vor, um das Clap-System zu zerstören", entgegnete Maduro in einer Fernsehsendung, in der er mit Mitgliedern des Oberkommandos der Armee auftrat.

Die Clap wurden im April 2016 gegründet, um die Versorgung der Bevölkerung mit staatlich subventionierten Lebensmitteln zu garantieren. Die zuletzt mindestens einmal monatlich ausgelieferten Lebensmittelpakete enthalten Speiseöle, Hülsenfrüchte, Nudeln, Maismehl, Milchpulver und andere grundlegende Nahrungsmittel. Diese Waren werden aus lateinamerikanischen Staaten wie Mexiko, Kolumbien und Brasilien importiert, aber auch aus der Türkei. Die Opposition wirft der Regierung vor, mit dem nicht von unabhängiger Stelle kontrollierten Programm Korruption zu fördern. Zudem sichere sich die Maduro-Regierung mit den Clap politische Loyalität.

Allerdings gaben Ende vergangenen Jahres 86 Prozent der Haushalte an, die Pakete zu erhalten. Während von den Anhängern des Regierungslagers 91 Prozent auf die Clap-Lieferungen zurückgriffen, betrug diese Rate bei Oppositionellen noch 85 Prozent. Trotz der Kritik der Opposition und des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte an der Struktur des Programms, scheinen die Clap somit erheblich zur Notversorgung der Bevölkerung beizutragen.

Maduro zeigte sich angesichts der Drohungen aus den USA gegen das Programm kämpferisch. Ungeachtet etwaiger Sanktionen Washingtons werde seine Regierung die Lokalen Komitees für Versorgung und Produktion aufrechterhalten, sagte er. Das venezolanische Außenministerium reagierte auf eine Reuters-Anfrage zum Thema zunächst nicht.

Mit den angekündigten Sanktionen gegen die staatliche Lebensmittelversorgung erreicht der Konflikt zwischen Washington und Caracas eine neue Stufe. Die Regierung von Donald Trump hat seit der Anerkennung des selbsternannten Gegenpräsidenten Juan Guaidó bei ihrer Regime-Change-Politik zwar immer wieder mit der humanitären Krise in Venezuela argumentiert. Dieser Linie folgten auch meist rechtsgerichtete Regierungen in Lateinamerika und westliche Staaten. Zugleich greifen die USA aber gezielt die Kapazitäten der venezolanischen Regierung an, die Bevölkerung zu versorgen.

Folgen der Sanktionen

Nach einer Berechnung des Washingtoner Center for Economic and Policy Research (CEPR) könnten seit 2017 rund 40.000 Menschen in Venezuela an den Folgen von US-Sanktionen ihr Leben verloren haben. "Noch härter und zerstörerischer als die umfassenden Wirtschaftssanktionen vom August 2017 waren die Strafmaßnahmen, die auf Regierungsanweisung seit dem 28. Januar 2019 verhängt wurden", schreibt das CEPR. Diese Sanktionen hätten der Gesundheit der venezolanischen Bevölkerung schweren Schaden zugefügt.

Das CEPR beruft sich auf Zahlen der "Nationalen Umfrage zu Lebensbedingungen", die von mehreren Universitäten des südamerikanischen Landes durchgeführt wird. Demnach stieg die allgemeine Sterblichkeit von 2017 bis 2018 um 31 Prozent. Dies würde eine Zunahme von mehr als 40.000 Todesfällen bedeuten. "Mehr als 300.000 Menschen wurden aufgrund des fehlenden Zugangs zu Medikamenten oder Behandlungen als gefährdet eingestuft", heißt es dazu weiter. Hinzu kämen schätzungsweise 80.000 Menschen mit HIV, die seit 2017 keine antiretrovirale Behandlung mehr erhalten haben, 16.000 Menschen, die eine Dialyse benötigen, 16.000 Menschen mit Krebs und vier Millionen Menschen mit Diabetes und Bluthochdruck, von denen viele kein Insulin oder Blutdrucksenker erhalten.