Wie eine rot-rot-grüne Regierung Polizeispitzel schützt und einen NSU-Untersuchungsausschuss sabotiert

Thüringen: Mit Tricks und Winkelzügen hindert das Innenministerium das Parlament an der Aufklärung - Gutachten über V-Leute ohne Wert

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23. Mai 2019: Sie feiern 70 Jahre Grundgesetz und hindern zugleich ein gewähltes Parlament an seiner Arbeit.

Tatort Erfurt, Landtag von Thüringen, NSU-Untersuchungsausschuss: Mit einem letzten großen Täuschungsmanöver hat es das Innenministerium des Landes geschafft, dem Parlamentsgremium bis zuletzt Zeugen vorzuenthalten, die für das Landeskriminalamt (LKA) und andere Polizeistellen als Informanten gearbeitet haben.

Und auch ein zweites Innenministerium eines anderen Landes, der Innensenat von Berlin, hat Ähnliches vollbracht: Zwei LKA-Beamte, die eine V-Person mit Kontakt zum NSU-Kerntrio Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe geführt haben, konnten nicht vernommen werden, monatelang, weil sie von ihrem Dienstherren krank gemeldet wurden.

"Abzocke", "große Verarsche" könnte man das nennen, was sich die Exekutive mit den gewählten Abgeordneten erlaubt. Dabei geht es, man muss daran erinnern, um zehn Morde und mehrere Dutzend Verletzte, für die der NSU-Skandal steht.

Um folgenden Sachverhalt handelt es sich konkret: Weil ein Neonazi-Dasein nicht immer nur Selbstzweck ist, weil Neonazis auch Geld brauchen und deshalb Verwendung finden als gedungene Schläger, Türsteher in bestimmten Etablissements, Kuriere von Drogen, Geld und Waffen, kurz als notwendiges Bodenpersonal krimineller Milieus, hatte der NSU-Untersuchungsausschuss von Thüringen, der zweite, den Auftrag erhalten, Verbindungen zwischen der rechtsextremen Szene und organisierter Kriminalität (OK) nachzuspüren. Wo gab es möglicherweise Schnittstellen mit dem NSU-Umfeld? Und was wusste also die Polizei möglicherweise über die Untergetauchten?

Selbst für das NSU-Kerntrio selber stellt sich die Frage, ob es bei seinem Tun nicht auch Aufträge für ein bestimmtes Klientel erfüllte.

Der Untersuchungsausschuss wollte deshalb auch Personen befragen, die als Polizeispitzel in den verschiedenen kriminellen Bereichen eingesetzt werden. Menschliche Quellen, wie sie auch von den Verfassungsschutzämtern geführt wurden. Mehrere Beispiele von Polizeiinformanten sind bekannt, die auch in die NSU-Geschichte hineinspielen. Nebenbei waren für diese Behördenspitzel die staatlichen Honorare, die sie für gelieferte Informationen bekamen, ebenfalls eine willkommene Einnahmequelle.

Allerdings gibt es zwischen Verfassungsschutz und Polizei seit Beginn der rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen einen prinzipiellen Unterschied. Die Quellen des Verfassungsschutzes wurden weitgehend abgeschafft, abgesehen von Ausnahmen, die bestimmten Regeln unterliegen. Das Spitzelwesen der Polizei dagegen wuchert weiter, ungeregelt und unkontrolliert.

Der zweite Thüringer NSU-Ausschuss, der sich im April 2015 konstituierte, biss mit seinem Ansinnen, Akten zu Polizeiinformanten zu bekommen, beim Innenministerium von Anfang an auf Granit. Über ein Jahr lief der Streit, der jetzt ein so ergebnisloses wie unrühmliches Ende gefunden hat. Der Ausschuss muss demnächst seine Arbeit beenden. Im Oktober 2019 wird ein neuer Landtag gewählt.

Das Innenministerium, wie der Ausschuss von einem SPD-Mitglied geführt, hatte zuletzt vorgeschlagen, dass eine "Kommission" aus drei Personen die fraglichen Akten sichten und dann dem U-Ausschuss berichten solle.

Schon vor Wochen war das Ergebnis dieses Berichtes an die Presse durchgesickert, möglicherweise absichtsvoll: Es habe keine Schnittstellen oder Vernetzungen zwischen Kriminellen und Rechtsextremen gegeben, hieß es, V-Personen der Polizei seien folglich diesbezüglich auch nicht im Einsatz gewesen.

Gezinktes Spiel

Die Frage schien erledigt - und wäre wohl auch ad acta gelegt worden, ganz im Interesse des Innenministeriums, wenn der Ausschuss nicht beharrlich darauf bestanden hätte, den Leiter der "Kommission", Bernd von Heintschel-Heinegg, noch als Zeugen zu befragen und zwar in öffentlicher Sitzung. Auch das wollte das Innenministerium zunächst verhindern, fürchtete dann aber wohl öffentliche Proteste des U-Ausschusses, obendrein am heiligen Grundgesetztag, der 2019 demonstrativ wie selten zuvor begangen wurde. Das Ministerium willigte einer Zeugenvernehmung in öffentlicher Sitzung ein und änderte dafür noch in der Mittagspause kurzfristig die Aussagegenehmigung für den Zeugen.

Dieser öffentlichen Vernehmung ist es nun zu verdanken, dass wir das gezinkte Spiel einer rot-rot-grünen Landesregierung darstellen können. Denn das Ergebnis, es habe keine Schnittstellen zwischen Rechtsextremismus und OK gegeben, ist zweifelhaft und nicht belegt, kein Ergebnis jener "Kommission", sondern strenggenommen eine Behauptung des Landeskriminalamtes, das jene "Kommission" an der kurzen Leine führte und jede unabhängige Nachforschungstätigkeit unterband.

Die jedoch ließ es geschehen. Kommissionsleiter Bernd von Heintschel-Heinegg war einst Vorsitzender Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht und führte den Prozess des Staatsschutzsenates von München gegen den Neonazi Martin Wiese, der einen Sprengstoffanschlag auf das jüdische Kulturzentrum in München geplant hatte. In mehreren NSU-Untersuchungsausschüssen war Heintschel-Heinegg ebenfalls als "Sonderermittler" im Einsatz und sichtete für die Abgeordneten Akten: so im Bundestag, in Hessen oder in Baden-Württemberg. Jetzt hatte der Jurist die Seiten gewechselt und war für die Exekutive im Einsatz.

Heintschel-Heinegg wurde unterstützt durch Winfried Bischler, der einst Präsident der Thüringer Polizei war und am Ende seines Berufslebens im Innenministerium die Abteilung "Öffentliche Sicherheit" leitete, sowie durch den früheren Richter Reinhard Maul, zuletzt Vizepräsident des Landgerichtes Gera.

Heintschel-Heinegg begann seinen Auftritt im Untersuchungsausschuss mit dem Satz, der schon von der Presse vor Wochen kolportiert worden war: "Das Ergebnis unserer Untersuchungen ist: Wir haben überhaupt nichts gefunden." Das sollte sich im Laufe seiner Befragung allerdings in einem etwas anderen Lichte darstellen.

Er gab folgende Bilanz wider: Das Thüringer LKA führte seit 1990 genau 427 V-Personen im Bereich Organisierte Kriminalität, davon seien 326 bereits wieder abgeschaltet, 101 seien noch aktiv. Von den abgeschalteten fielen 142 Personen in den Überprüfungszeitraum von 1990 bis zum 3. November 2011, dem Tag vor der Entdeckung des NSU. Dieser Zeitraum war vom LKA selber festgelegt worden. Eine zweite Einschränkung des Amtes war, dass nur abgeschaltete V-Personen untersucht werden dürften. Außerdem durfte die "Kommission" weder die Decknamen der V-Personen erfahren noch die Klarnamen. Deshalb wurden ihr auch keine Personenakten vorgelegt. Die Feststellung, ob Personenüberschneidungen vorlagen, die man nur treffen konnte anhand der Namen, oblag einzig und allein dem LKA. Die Heintschel-Heinegg-Kommission musste sich ganz in die Hände der Polizei begeben.

Die 142 abgeschalteten V-Personen (VP), die im fraglichen Zeitraum 1990 bis 3.11.2011 aktiv waren, wurden dann abgeglichen mit einer Liste von 11000 Namen von Personen aus dem Bereich "politisch-motivierte Kriminalität rechts" (PMK Rechts). Auch diese Liste wurde vom LKA zusammengestellt. Dabei gab es ganze vier Treffer, zumindest wenn man dem LKA Glauben schenkt. Heintschel-Heinegg wörtlich: "Wir sind auf die vier extra aufmerksam gemacht worden." Zu diesen vier Personen seien der Kommission dann die sogenannten "Einsatzakten" vorgelegt worden und aus denen hätten sich eben, so der Zeuge, "keine Anhaltspunkte" ergeben, dass es eine Überschneidung mit OK gab.

Einsatzakten sind weder Personenakten noch Ermittlungsakten, sondern betreffen einen singulären temporären Vorgang: Die Polizei informiert die Staatsanwaltschaft, dass ein Informant einen Tipp auf Täter und eine Tat gegeben hat, und die Staatsanwaltschaft entscheidet dann, ob es zur Aufklärung der Tat einen VP-Einsatz gibt. Mehr nicht. Einsatzakten sind deshalb auch relativ dünn und umfassen nur wenige Seiten. Auch die Namen, die in den Einsatzakten auftauchen, durfte die "Kommission" nicht erfahren.

Ein Anti-Auftrag mit einem Ergebnis ohne Wert

Vor den Abgeordneten räumte Heintschel-Heinegg ein, es wäre besser gewesen, er und sein Team hätten selber in den Akten suchen können.

"Aber dann konnten Sie doch gar nicht richtig prüfen!", meinte die Ausschussvorsitzende Dorothea Marx (SPD), und der Jurist im Ruhestand gab ihr "vollumfänglich" Recht. Marx: "Letztlich konnte der Auftrag also nicht geklärt werden." Und Heintschel-Heinegg: "Ja." Das hänge mit den V-Personen zusammen. Er hätte gerne die VP-Führer vernommen, was ebenfalls nicht möglich war. Selbst die VP-Beauftragten in den Polizeidienststellen durfte die Kommission nicht befragen.

Das, was untersucht werden sollte, diente als Begründung, um es nicht zu untersuchen zu lassen.

Die Abgeordnete Katharina König-Preuss (Linke) spitzte den Befund noch weiter zu. Sie bezweifelte, dass die Tätigkeit der Kommission "dem Untersuchungsauftrag gerecht" wurde und formulierte die Frage: "Ist die Schlussfolgerung überhaupt möglich, dass keine Verbindungen zwischen Rechtsextremismus und OK nachweisbar seien?" Die Antwort des Gutachters, der strenggenommen keiner war, ist ein Offenbarungseid: "Nein. Aber das war doch nicht meine Aufgabe, sondern ist der Auftrag der Landesregierung gewesen. Ich diskutiere doch nicht mit meinem Auftraggeber, unter welchen Bedingungen ich es mache oder sonst nicht."

Im Klartext: Der "Auftrag" des Innenministeriums an die "Gutachter" war das Gegenteil dessen, was der Untersuchungsausschuss wollte. Es war eine Art Anti-Auftrag mit einem Ergebnis ohne Wert. Für König-Preuss hatte dieses Ergebnis das LKA selber erzielt, nicht die Kommission.

Das lag schon an den Arbeitsbedingungen der Dreier-Kommission Heintschel-Heinegg, Bischler, Maul. Sie wollte ursprünglich zu den einzelnen Polizeidienststellen reisen, Gespräche führen und Akten sichten. Das LKA bremste sie aus und holte die jeweiligen Akten nach Erfurt. Ob neben den "VP-Akten" auch Akten von "Informanten" darunter waren, ist eine weitere ungeklärte Frage. Heintschel-Heinegg hatte den Eindruck, dass es sich nur um "VP-Akten" gehandelt habe. Die Polizei unterscheidet aber zwischen "Informanten", die ihr konspirativ Informationen zukommen lassen, und "V-Personen", die verpflichtet werden und in den jeweiligen Einsatzbereichen auch aktiv handeln. Insofern wäre auch das Wissen von Informanten von Interesse gewesen.

Die Akten konnten nur in einem abhörsicheren Geheimschutzraum des LKA in Erfurt gesichtet werden. Sämtliche Aufzeichnungen der Kommissionsmitglieder mussten dort verbleiben, was dazu führte, so Heintschel-Heinegg, dass er gleich gar keine ausgiebigen Notizen machte. Im Dezember 2018 konnte die Kommission mit ihrer Arbeit beginnen, insgesamt dauerte sie zwei bis drei Wochen. Das Gutachten umfasst ganze 15 Seiten.

Auch die Begrenzung auf den Untersuchungszeitraum bis zum 3. November 2011 erscheint willkürlich. Ausschussmitglied König-Preuss wies darauf hin, dass die Polizei nach dem Auffliegen des NSU am 4. November 2011 ihre V-Personen zum Trio Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe befragen sollte und es dabei mindestens eine Rückmeldung gab. Die V-Person will bei einer Kontaktperson Gegenstände gesehen haben, wie man sie bei Banküberfällen benutzt. Die Beobachtung war vor dem 4. November, die Befragung aber danach, so dass es sinnvoll gewesen wäre, den Untersuchungszeitraum mindestens auf den 4. oder 5. November 2011 zu erstrecken.

Dass im NSU-Komplex nicht nur V-Leute des Verfassungsschutzes eine Rolle spielten, sondern auch Spitzel der Polizei, ist mehrfach belegt. Eine kriminelle Bande in Jena aus der ersten Hälfte der 1990er Jahre, die sogenannte Ehrhardt-Bande, wurde von mindestens einer V-Person des LKA angeführt. Bei der Gang machte auch Uwe Böhnhardt mit. In Kassel bewegte sich der Polizeiinformant Volker B. in einer Mischszene aus rechtsextremen Blood and Honour-Leuten und Hells Angels-Rockern. Er will in der Szene auch Uwe Mundlos gesehen haben. In Heilbronn war einst eine rechtsextreme Kellerkneipe, in der unter anderem die Wohlleben-Anwältin Nicole Schneiders verkehrte, unter Kontrolle mehrerer Informanten des polizeilichen Staatsschutzes. Auch die baden-württembergische Neonazi-Band "Noie Werte" arbeitete mit der Polizei zusammen.

Ein weiterer ungeklärter Fall

Eine der wichtigsten V-Personen der Polizei war Thomas Starke, der sich heute Müller nennt. Und mit der Causa Starke kommen wir zum zweiten Teil der Tragödie im Thüringer Landtag.

Starke war einst Blood and Honour-Aktivist in Chemnitz, kurzzeitig mit Beate Zschäpe liiert, Sprengstofflieferant für das Trio in Jena und erster Anlaufpunkt der drei nach ihrem Abtauchen im Januar 1998. Er war an Herstellung und Vertrieb der letzten Musik-CD der Band Landser beteiligt, zusammen mit drei oder vier Kameraden, die V-Leute des Verfassungsschutzes waren. Als es zum Strafverfahren gegen Landser kam, rekrutierte ihn das Landeskriminalamt (LKA) Berlin im November 2000 als V-Person. Als solche spitzelte er bis zum Auffliegen des NSU im November 2011 in dessen Umfeld.

Bekannt wurde das erst nach fast einem Jahr NSU-Aufklärung 2012. Immer wieder ist der Verdacht aufgekommen, Starke habe schon vor seiner Verpflichtung für das LKA Berlin mit einer anderen Sicherheitsbehörde zusammengearbeitet. Geklärt ist die Frage nicht. Heute gehört Thomas Starke/Müller zu einer der neun Personen, gegen die die Bundesanwaltschaft nach wie vor Ermittlungen wegen des Verdachtes der Unterstützung des NSU führt.

Die V-Person Starke (VP 562) bewegte sich bis zum Ende des NSU-Trios in dessen Umfeld. Sein volles Informationsaufkommen an die Sicherheitsbehörden ist bis heute nicht bekannt. Unter anderem soll er dem Berliner LKA schon 2002 einen Hinweis auf das untergetauchte Trio gegeben haben. Die Berliner jedoch sollen die Informationen nicht an die Thüringer weitergegeben haben, wie die selbst erklären.

Was es damit genau auf sich hatte, wollte der Thüringer NSU-Ausschuss schon lange wissen. Als Beschuldigter hat Starke jedoch das Recht, eine Auskunft zu verweigern, weshalb die Abgeordneten jene zwei LKA-Beamten aus Berlin hören wollten, die den V-Mann Starke einst geführt haben: Michael W. und Michael T.

Wie in Thüringen regiert auch in Berlin eine rot-rot-grüne Koalition. Bereits zur ersten Zeugenladung Anfang April 2019 hat der SPD-geführte Innensenat die beiden Beamten krankgemeldet. Dasselbe wiederholte sich jetzt für die Ladung am 23. Mai. In der Konsequenz wird der Ausschuss die Zeugen nicht mehr hören können, der Komplex bleibt ungeklärt, inklusive einer neuen Frage, die sich vor allem an den Zeugen Polizeioberkommissar Michael W. knüpft.

In der Abteilung Staatsschutz war W. nämlich nicht nur mit der Causa Starke befasst, sondern auch mit der Causa Anis Amri, dem mutmaßlichen Attentäter des LKW-Anschlages von Berlin im Dezember 2016. Dabei wiederum wurde ein Verhalten bekannt, das auf eine rechtsextreme Gesinnung des Staatsschützers schließen lässt. An Silvester 2016, wenige Tage nach dem Anschlag, schickte W. eine SMS-Nachricht unter anderem an seinen Vorgesetzten Kriminalhauptkommissar O., in dem er schrieb, er möge sich von "Merkel & Co und ihren scheiß Gutmenschen" fernhalten. Eine andere SMS-Botschaft an O. unterschrieb W. mit der Grußformel "88". "88" steht in der Szene für "Heil Hitler", zweimal der achte Buchstabe im Alphabet.

Bekannt wurde das, weil O. an Manipulationen der Amri-Akte nach dem Anschlag beteiligt war, was durch die Recherchen eines Sonderermittlers zu Tage kam und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen nach sich zog. Die hatten zwar keine Konsequenzen, dabei wurden aber die verdächtigen SMS-Nachrichten gefunden.

Auch diese Affäre bleibt nun vor dem Ausschuss wie der Öffentlichkeit verborgen.

Wie gesagt, das Schauspiel kam am 23. Mai 2019 zur Aufführung, als Regierungen den 70. Jahrestag des Grundgesetzes feierten und zugleich das wichtigste Prinzip einer Demokratie missachteten - Öffentlichkeit. Auch in der Verfassung der DDR standen schöne Dinge ("Achtung und Schutz der Würde und Freiheit der Persönlichkeit", "Gewissens- und Glaubensfreiheit sind gewährleistet", "Recht auf Arbeit", "Recht auf Bildung", "Recht, seine Meinung frei und öffentlich zu äußern", "Freiheit der Presse", "Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzbar", "Unverletzlichkeit seiner Wohnung", "Das persönliche Eigentum der Bürger und das Erbrecht sind gewährleistet", "Enteignungen sind nur für gemeinnützige Zwecke und gegen angemessene Entschädigung zulässig") - was fehlte und die Garantierung dieser schönen Dinge vereitelte, war die Möglichkeit Öffentlichkeit herzustellen. In ostdeutschen Gefilden wie Thüringen müsste dafür eigentlich eine besondere Sensibilität bestehen.

Wenn man wissen will, warum der NSU-Skandal bis heute, fast acht Jahre nach seinem Bekanntwerden, nicht aufgeklärt ist, muss man diese Konstellationen mit berücksichtigen. Es ist letztendlich die Politik, die die Aufklärung verhindert - auch eine rot-rot-grüne Politik.