Weltweite Antibiotika-Belastung von Flüssen

Die Donau ist in Europa am meisten belastet. Schlögener Schlinge. Bild: Techcollector/CC By-SA-3.0

In Europa ist die Donau am stärksten belastet, in Bangladesch sind Flüsse 300 Mal stärker als der "sichere" Grenzwert kontaminiert

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"Das geht den Bach hinunter", sagt man, wenn etwas schief läuft oder im Niedergang befindlich ist. Nach einer Studie britischer Wissenschaftler kann man dies buchstäblich nehmen. Die Wissenschaftler von der University of York haben Flüsse wie die Donau, den Mekong, die Themse, die Seine oder den Tigris in 72 Ländern auf allen Kontinenten nach 14 weit verbreiteten Antibiotika untersucht und sind darauf gestoßen, dass Antibiotika, oft in hohen Konzentrationen, in vielen Flüssen zu finden sind.

Gefunden haben sie Antibiotika-Konzentrationen in Flüssen in Bangladesch, die die als unbedenklich oder sicher geltende Konzentration um das 300-Fache übersteigen. Das ist der Fall bei Metronidazol, einem Antibiotikum gegen Haut- und Mundinfektionen, das die höchste Belastung verursacht. In der Themse und einem ihrer Zuflüsse wurde eine maximale Antibiotika-Konzentration von 233 Nanogramm pro Liter gemessen, in Bangladesch war sie um 170 Mal höher. Nach der AMR Industry Alliance sind Konzentrationen, abhängig von den Antibiotika, zwischen 20 und 32.000 Nangramm pro Liter "sicher".

An 65 Prozent der Stellen, an denen sie gemessen haben, wurden Antibiotika festgestellt. Am meisten kommt Trimethoprim vor, das meist bei Harnwegsinfekten und Infektionen der oberen Luftwege eingesetzt wird. Es wurde an 307 der 711 Messstellen gefunden. Ciproflaxacin, das gegen Darminfektionen und viele andere Infektionen verschrieben wird, überschritt am meisten die Sicherheitswerte, nämlich an 51 Messstellen.

Über die Flüsse verbreiten sich Antibiotika auf Felder oder ins Grundwasser und tragen damit zur wachsenden Antibiotikaresistenz bei. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO gehört die Antibiotikresistanz zu den "größten Bedrohungen der menschlichen Gesundheit und der Lebensmittelsicherheit". Sie führe zu längeren Krankenhausaufenthalten, steigenden Kosten und ansteigender Mortalität. Die Gefahr besteht, dass manche Infektionen nicht mehr behandelt werden können. In manchen Regionen habe die Antibiotikaresistenz bereits eine gefährliche Höhe erreicht.

Besonders gefährdet durch die Belastung der Flüsse sind Asien und Afrika, aber da auch in Europa, Nord- und Südamerika hohe Konzentrationen gefunden wurden, sprechen die britischen Wissenschaftler von einem "globalen Problem". Am schlimmsten belastet sind Flüsse in Bangladesch, Kenia, Ghana, Pakistan und Nigeria, in Europa ergab eine Messstelle an der Donau in Österreich die höchsten Werte. Hier wurden sieben Antibiotika gefunden, darunter vor allem Clarithromycin zur Behandlung von Atemwegsinfektionen. Die Konzentration lag vierfach über dem sicheren Grenzwert. Überhaupt war die Donau in Europa, wo an 8 Prozent der Messstellen erhöhte Konzentrationen gefunden wurden, am stärksten kontaminiert. Aber auch die niedrigen Konzentrationen in Europa können die Resistenzentwicklung fördern und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Resistenzgene weiter gegeben werden.

In aller Regel wird hohe Belastung durch fehlende oder mangelhafte Kläranlagen oder Klärschlammverklappung verursacht, also wenn Antibiotika nicht ausgefiltert werden. Problematisch können aber auch Konfliktgebiete sein wie die Grenze zwischen Israel und Palästina.

Die Untersuchung wird als die bislang umfassendste bezeichnet. Bislang habe man vor allem in Europa, Nordamerika oder China die Antibiotika-Belastung gemessen, und das auch nur für wenige Antibiotika. John Wilkinson, der die Untersuchung koordiniert hat, sagt: "Wir wissen sehr wenig über das Ausmaß des Problems global." Man habe aber jetzt auch in Ländern gemessen, in denen man dies zuvor nie gemacht habe.

Noch ist unklar, wie stark die Antibiotika-Belastung bei Tieren ist. Die Wissenschaftler wollen die Folgen u.a. auf Fische, Wirbellose und Algen untersuchen und erwarten massive Auswirkungen. So sei die Belastung in einigen Flüssen in Kenia so hoch, dass dies keine Fische überleben konnten. Man könnte sich zynisch beruhigen und sagen, dass die Folgen doch lokal beschränkt seien. Aber die durch Antibiotika-Belastung steigende Antibiotika-Resistenz bleibt in einer globalen Welt nicht Kenia.