"Jetzt Job fürs Volk wagen! Mach, was wirklich zählt"

Bundeswehr-Werbekampagne vor dem Ford-Werk. Bild: Bundeswehr Karriere

Die Bundeswehr warb mit Wortspielereien nach Entlassungsankündigungen bei Ford und Volkswagen, die Bundesregierung findet die umstrittene Kampagne "effizient"

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Im März kündigte Volkswagen an, weitere 7000 Stellen abzubauen, im Wesentlichen in Wolfsburg. Ford zog nach und kündigte den Abbau von 5000 Stellen in Deutschland in Köln, Saarlouis und Aachen an. Offenbar sahen die PR-Strategen der Bundeswehr die Chance, den Menschen, die von Entlassung bedroht sind, die Alternative eines Jobs bei der Bundeswehr vorzugaukeln oder einfach ein bisschen Aufmerksamkeit durch Wortspiele zu erzeugen. In Köln hieß der Slogan "Job Fort? Mach, was wirklich zählt." In Wolfsburg: "Jetzt Job fürs Volk wagen! Mach, was wirklich zählt." Oder auch auf Facebook: "Bereit für einen Spurwechsel? Vom Autobauer zur Bundeswehr!"

Da denkt man vielleicht auch an den Slogan der alten Friedensbewegung, aus Kanonen Pflugscharen zu machen, stolpert aber gleich schon mal über die Behauptung, dass das, was zählt, in der Bundeswehr, jedenfalls nicht in der Industrie gemacht wird, in der mitunter auch das hergestellt wird, was die Bundeswehr benötigt, um auszuführen, was angeblich wirklich zählt.

Die Linke verweist darauf, dass die Kampagne bei den Betroffenen oder beim Betriebsrat Proteste ausgelöst habe, sie sei als "zynisch und geschmacklos" bezeichnet worden. Auch beim BundeswehrVerband war man nicht angetan. Vor der Werbeaktion habe zwischen der Leitung von Ford und der Leitungsebene des Bundesverteidigungsministeriums Kontakt gegeben: "Dringende Bitten, die Kampagne zu unterlassen, um die Beschäftigten nicht zusätzlich zu verunsichern, wurden seitens des Ministeriums ignoriert."

Tobias Pflüger und andere Abgeordnete der Linksfraktion sahen sich veranlasst, deswegen eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen (BT-Drucksache 19/9694). Die werden gerne als lästige Interventionen mit vorgefertigten Hülsen pariert. Das offenbart aber, wie in der Antwort der Bundesregierung vom 28. Mai dieses Mal, doch auch einen gewissen Einblick in die Denke.

Nachdem die Wehrpflicht, so heißt es in der Vorbemerkung, seit sieben Jahren beendet sei, müsse die Bundeswehr wie jeder Arbeitgeber "Maßnahmen der Personalwerbung" ergreifen. Dabei werde ein "Bild von der Vielfalt der attraktiven beruflichen Möglichkeiten und Perspektiven" aufgezeigt. Und es gebe da die "Arbeitgebermarke", also "Mach, was wirklich zählt", womit junge Interessenten "unter den Aspekten Sinnstiftung und Qualifizierung" angesprochen werden sollen. Und schließlich würde die Bundeswehr auch ausgebildetem, also älterem Personal der Autohersteller "krisenfeste Jobs und sichere Perspektiven", das die Bundeswehr bislang nicht als Arbeitgeber wahrgenommen hätte.

Für Arbeitslose eine "attraktive und krisensichere Perspektive"

In den sozialen Netzwerken seien "neben Kritik auch sehr viele positive Rückmeldungen … eingegangen". Gekostet habe die Kampagne ca. 18.000 Euro. Zum Thema Geschmacklosigkeit will sich die Bundesregierung nicht äußern. Man werte "keine derartigen Meinungsäußerungen", die Bundeswehr wollte niemanden beleidigen, sondern Betroffenen eben eine "attraktive und krisensichere Perspektive" bieten. Dass eine Tätigkeit bei der Bundeswehr, die zunehmend auf Auslandseinsätze ausgerichtet ist, für den Einzelnen keineswegs nur attraktiv und krisensicher ist, wird natürlich ebenso wenig erwähnt wie irgendein Hinweis darauf, was denn eigentlich wirklich zählt. Man will auf der einen Seite ein ganz normaler Arbeitgeber sein, aber dann doch auch wieder ein ganz besonderer.

Die Bundesregierung, hier Peter Tauber bzw. dessen Büro, war jedenfalls sehr zufrieden mit der crossmedialen Kampagne: "Angesichts eines durch Fachkräftemangel gekennzeichneten Arbeitsmarktes" müsse Werbung "auffallen". Und das sei - man muss sagen mit Geschmacklosigkeit - gelungen, schließlich habe eine "erhebliche Resonanz auf die Werbeaktion erzeugt" werden können.

Der Vorwurf der Geschmacklosigkeit, Beleidigung und Respektlosigkeit ("billige Menschenfängerei") kommt daher, dass die Bundeswehr - eine staatliche Institution - die Not der Betroffenen ausnützen wollte, indem die Kampagne nicht nur in sozialen Netzwerken, sondern provozierend vor den Werkstoren mit Ausstellungsleinwänden stattfand. Auch auf die Kritik des NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet, der die Kampagne als "geschmacklos und nicht akzeptabel" bezeichnete und erklärte, er habe auch von der Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen gefordert, diese zu stoppen, ging die Bundesregierung nicht ein. Ebenso nicht auf die von Geschäftsführung und Betriebsrat von Ford, bestätigt wurden aber Kontakte, in denen über Probleme gesprochen wurde, Leitungsbüros des Bundesverteidigungsministeriums waren informiert. Man habe dann "nach sorgfältiger Abwägung aller Interessen und einer finalen Leistungsentscheid" die Kampagne durchgeführt. Es habe eh keinen Protest seitens der Hauptstadtpräsenz von Ford gegeben, sondern nur eine Bitte, die Kampagne um eine Woche zu verschieben, was aber ohne "hohe Kostenverluste" nicht möglich gewesen sei. Bei Ford war man stinkesauer, offenbar hat Ford jeden Kontakt seitdem abgebrochen.

Die Bundesregierung berichtet, dass eine "personalwerbliche Maßnahme" bereits im Oktober 2017 durchgeführt worden sei, als Air Berlin Pleite ging. Man will das weitermachen, könne aber noch nicht sagen, welches Unternehmen Stellen abbaue. Informationen darüber beziehe aus den Medien: "Die Bundeswehr nimmt die Berichterstattung der Medien in ihrer Vielfalt bewusst wahr", heißt es schön, "und wertet die hier übermittelten Informationen regelmäßig aus."

Tobias Pflüger, Verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, schreibt:

Die Die Bundesregierung duckt sich weg und weigert sich, auf die massive Kritik von Belegschaft, Unternehmen, Medien und Politik an den misslungenen und geschmacklosen Werbekampagnen bei Ford Köln und Volkswagen Wolfsburg auch nur einzugehen. Wir bleiben bei unserer Kritik: Wenn Beschäftigte ihre Arbeitsplätze verlieren, dann ist es nicht Aufgabe von staatlichen Stellen wie der Bundeswehr, sich mit vermeintlich witzigen Sprüchen wie "Job Fort? Mach, was wirklich zählt." darüber lustig zu machen. Die Bundeswehr verhöhnt mit solchen Werbekampagnen die Menschen, die ihre Jobs verlieren. Es ist einfach unfassbar, wie die Bundeswehr im Vorfeld alle Bedenken von Ford ignoriert hat. Die Bundeswehr hat den Autobauer regelrecht gegen die Wand fahren lassen. Es ist mehr als verständlich, dass das Personalmanagement nach dieser rücksichtslosen Werbeaktion den Kontakt zur Bundeswehr abgebrochen hat. Jetzt muss Ursula von der Leyen Stellung beziehen. Die Trendwende Personal ist eines ihrer zentralen Projekte. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, ob es die neue Masche der Bundeswehr ist, Unternehmen in der Krise abzugrasen und die Ängste der Beschäftigten für Rekrutierungskampagnen auszunutzen. Ursula von der Leyen muss diese Praxis sofort stoppen.

Tobias Pflüger

Nicht beantworten wollte die Bundesregierung die Frage, ob der Spruch "Job Fort?" witzig sei. Diese Bewertung stamme nicht von der Bundesregierung "und wird daher von der Bundesregierung nicht weiter kommentiert". Man hält sich lieber in der Blase auf.

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