Ungewisse Zukunft für den Jugendschutz im Internet

Staatliche Jugendschützer haben die Zulassung des Windows-Programms JusProg aufgehoben und damit einen lange währenden Kompromiss zum Jugendschutz im Internet aufgekündigt.

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Computer

(Bild: dpa, Ole Spata)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Mitte Mai hat die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) festgestellt, dass das Jugendschutzprogramm JusProg nicht mehr den Vorgaben des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) entspricht. Damit überstimmten die staatlichen Jugendschützer die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM), die als eigentlich zuständige Stelle dem Programm erst Anfang März die Funktionsfähigkeit bescheinigt hatte.

JusProg war offiziell das einzige Jugendschutzprogramm für die Allgemeinheit, das die Anforderungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags erfüllte. Solange diese Zulassung existierte, konnten Betreiber deutscher Online-Angebote darauf vertrauen, dass Eltern den Internetzugang ihrer Kinder mit JusProg absichern können.

Wer vom Gesetz als „Telemedium“ eingestuft wird, muss die eigenen Plattformen komplett von Inhalten bereinigen, die nicht für Jugendliche geeignet sind, oder auf andere Weise dafür sorgen, dass Kinder diese Inhalte nicht zu Gesicht bekommen. Das bedeutet, dass nur angemeldete Nutzer mit verifiziertem Alter auf das Angebot zugreifen dürfen oder es entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte nur noch ab 22 oder 23 Uhr verbreiten darf – analog zu den Regeln im Fernsehen.

„Entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte“ sind ein deutlich vagerer Rechtsbegriff als „jugendgefährdende Inhalte“. Darunter fallen zum Beispiel realitätsnahe Gewaltdarstellungen, diskriminierende Verhaltensmuster oder „Idealisierung von Prostitution oder promiskuitivem Verhalten“. Da diese Kategorien schwer zu fassen sind, hatten sich viele Anbieter bisher für eine Pauschallösung entschieden. Sie kennzeichneten ihre Angebote oder Teile davon kurzerhand als ungeeignet für Jugendliche. Dafür mussten sie nur eine Datei nach dem sogenannten age-de.xml-Standard hochladen. Sie funktioniert ähnlich wie robots.txt für Suchmaschinen und kennzeichnet die Seiten mit entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten.

Eltern, die ihre Kinder vor entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten schützen wollten, mussten eine Software installieren, die die Altersangaben auslesen und entsprechende Inhalte sperren konnte. JusProg war das einzige Jugendschutzprogramm, das mit offizieller Zulassung die Vorgaben des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) erfüllte. Allerdings gibt es das Programm in der offiziell zugelassenen Version nur für Windows, während Jugendliche oft über Mobilgeräte und Smartphones ins Internet gelangen. Und ein Browser-Plug-in bietet es nur für Chrome an, aber nicht für andere Browser.

Die Kinderschutzsoftware JusProg erfüllte bisher als einzige die Vorgaben des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags.

Im Ergebnis sei eine signifikante Schutzlücke entstanden: „Eine Eignung als Jugendschutzprogramm setzt voraus, dass dieses plattform- und geräteübergreifend funktioniert und sich am Nutzungsverhalten der Anwender ausrichtet“, erklärte der KJM-Vorsitzende Wolfgang Kreißig.

Die FSM widerspricht. Sie hat angekündigt, vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen den Bescheid zu klagen. Insbesondere gegen die sofortige Wirkung des KJM-Bescheides will die FSM vorgehen. Eine Übergangsfrist haben weder Staatsvertrag noch die KJM vorgesehen.

Wie es im deutschen Online-Jugendschutz weitergeht, ist damit offen. Sollten die Verwaltungsgerichte im Sinne der KJM entscheiden, wären viele Anbieter gezwungen, ihre Angebote umzustellen. Gleichzeitig würde damit aber auch der Unterschied des Jugendschutz-Niveaus zwischen inländischen und ausländischen Angeboten weiter erhöht. So ist der Porno-Markt bereits fast komplett aus Deutschland abgewandert. Ausländische Angebote wie YouPorn florieren und kümmern sich nur wenig um deutsche Jugendschutzvorschriften.

Als Folge stehen Netzsperren im Raum. So forderte Direktor der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) Tobias Schmid Anfang Mai auf der Media Convention Berlin bessere Möglichkeiten, um gegen ausländische Anbieter vorgehen zu können, wenn sie sich nicht an deutsche Gesetze halten. Anbieter, die sich weder an die deutschen Sendezeitregeln noch an andere Vorschriften halten, könnten dann direkt bei deutschen Zugangsprovidern gesperrt werden.

Dieser Artikel stammt aus c't 13/2019 (jo)