Bodenspekulation stoppen und das Klima schützen durch Bürgergeld

Mit einem Bürgergeld von 200 €/mtl. für alle in Deutschland lebenden Menschen könnte man sofort klimaschädliches Verhalten verringern und den Anstieg der Bodenpreise und Mieten bremsen

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Gesellschaftlicher Wandel ist möglich, wenn man, an eingefahrenen Ideologien und gekauften Lobby-Positionen vorbei, in die Zukunft schaut. Zwei Ressourcen müssen verstärkt in den Focus genommen werden: die Verschmutzungsrechte durch CO2-Emissionen und die Bodenrente, die den größten Posten darstellt, mit dem der Reichtum Weniger immer weiter gesteigert wird. Ein Bürgergeld aus Lenkungsabgaben ist absolut mehrheitsfähig und stärkt die Demokratie.

Die CO2-Dividende

Der Ausstoß von CO2-Gasen muss sofort und möglichst weltweit verringert werden. Darin sind sich Wissenschaftler weitgehend einig. Dies muss allerdings in einer Form geschehen, die Menschen mit geringen Einkommen nicht übermäßig belastet. Nur dann kann man Akzeptanz für die notwendigen Maßnahmen erzeugen.

Die Lösung besteht darin, den CO2-Ausstoß durch eine Abgabe auf die Energieträger kontinuierlich zu verteuern. Gleichzeitig jedoch wird das eingenommene Geld pro Kopf an die Wohnbevölkerung zurückverteilt. Auf diese Weise werden nur Personen belastet, die sich einen überdurchschnittlich hohen CO2-Ausstoß leisten können. Sozial Schwache, Kinder und alle Menschen, die bereits heute auf ihren ökologischen Fußabdruck achten, erhalten einen Bonus in Form eines Bürgergeldes. So hat jeder Mensch einen finanziellen Anreiz, ein klimaneutrales Konsumverhalten anzustreben.

Beate Bockting, Redakteurin der Fairconomy, macht dazu folgende Rechnung auf: Für das Jahr 2017 wurden vom Umweltbundesamt Gesamt-Emissionen in Höhe von knapp 907 Mio. t berichtet. Zieht man die in Schweden durchaus akzeptierten CO2-Steuern von derzeit umgerechnet 115 Euro pro Tonne CO2 Verschmutzungskosten heran, ergibt sich folgende Gleichung: 907 Mio. t x 115 Euro = 104.305 Mio. Euro / 83 Mio. Gesamtbevölkerung DL = 1.257 Euro pro Jahr oder rund 100 Euro pro Person und Monat.

Im Klartext heißt das, schon die heute in Schweden anfallenden 115 € pro Tonne CO2 reichen aus, um allen in Deutschland lebenden Menschen monatlich 100 € auszuzahlen. Erhöht man diesen Betrag nach und nach, hat jeder Bürger ein steigendes Interesse daran, klimaschädliches Verhalten zu vermeiden und seine Konsumgewohnheiten möglichst klimaneutral zu organisieren.

Diese Summe wird auch nicht pauschal wirtschaftliche Prozesse abwürgen, da sie nicht verloren geht. Das Geld wird durch die Bürger lediglich für nachhaltigeren Konsum ausgegeben. Die CO2-Dividende ist die Lösung des Gordischen Knotens. Sie beschreibt einen Weg, "wie sich klimaschädliches Verhalten gerecht steuern ließe". Doch leider waren weder Andrea Nahles noch Annegret Kramp-Karrenbauer in der Lage, die Dynamik zu erkennen, die in diesem Ansatz liegt. Ob sie "zu dämlich" sind, das Prinzip zu verstehen, wie SPIEGEL-Kommentator Benjamin Bidder annimmt, mag dahingestellt sein. Sicher ist, dass sie eine Chance verpasst haben, nicht nur den jungen Wählern, einen glaubhaften Richtungswechsel anzubieten. Sie haben auch die Chance vertan zu zeigen, dass man Probleme durchaus grundsätzlich angehen kann und angehen sollte.

Den Menschen wird der Boden unter den Füßen weggenommen

Neben der Veränderung Klima zerstörenden Verhaltens ist die finanzielle Belastung der Menschen durch exorbitant steigende Bodenpreise eine dringend zu lösende Herausforderung. Während wenige Großgrundbesitzer ihre Vermögen und ihre Einkommen aus dem Bodenbesitz vervielfachen, zahlen Millionen Menschen höhere Mieten und Pachten für die Nutzung des Bodens. Immer mehr Menschen fürchten um ihre Existenzgrundlage oder verlieren sie. Wohnraum wird immer mehr zur Handelsware, zur Zweit- und Drittwohnung, zur kommerziellen Ferienwohnung und zum Luxusgut, wie die aspekte-Sendung vom 17. Mai anschaulich macht. Wohnraum ist heute, mehr denn je, ein Spekulationsobjekt, und zur Dimension der Vermögensentwicklung heißt es dort: "die Summe aller Immobilien, die als Vermögenswerte gehandelt werden, ist mehr als doppelt so hoch, wie das Bruttosozialprodukt der ganzen Welt zusammengenommen". Dabei ist die Entwicklung der Bodenpreise eine kontinuierliche. Doch sie hat sich mit dem weltweiten Rückgang der Guthaben-Zins-Gewinne in den letzten 20 Jahren dramatisch beschleunigt.

Auch Telepolis hat das Thema wiederholt dargestellt (Mietpreis-Explosion und Wohnungsnotstand) und zitiert aus einem isw-report folgende "Schlussfolgerungen und Alternativen":

Eine soziale Wohnungs- und Mietenpolitik erfordert deshalb drastische Eingriffe in die am Profit orientierte kapitalistische Verwertung des Grund- und Hausbesitzes. Wohnungen sollten als soziale Infrastruktur angesehen werden und müssen jenseits der Profitlogik bereitgestellt, bewirtschaftet und verteilt werden. In der Konsequenz geht die Durchsetzung einer sozialen Wohnungsversorgung mit dem Umbau der Eigentümerstruktur einher und ist mit der Ausweitung eines gemeinwirtschaftlichen und nicht-profitorientierten Wohnungssektors verbunden.

isw-report

Mit dieser Forderung jedoch droht man das Kind mit dem Bade auszuschütten. Der geforderte Eingriff kann über die Bodenrendite ausreichend vorgenommen werden. Ohne großen Aufwand kann man einen Teil der leistungslosen Spekulationsgewinne mit einer Bodenabgabe abschöpfen, und auf die Wohnbevölkerung zurück verteilen. Damit könnten Millionen Menschen spürbar entlastet und gleichzeitig die Bodenspekulation eingedämmt werden.

Der Wert des Bodens in Deutschland beträgt ca. 5,5 Billionen Euro, wovon der allergrößte Teil einer verschwindend kleinen Zahl der Haushalte gehört. Würde man diesen Besitz mit einem Liegenschaftszins von nur 2% belasten und zu gleichen Teilen pro Kopf verteilen, ergäbe sich ein Betrag von 1300 € pro Person. Der allergrößte Anteil dieser Abgabe ginge zulasten meist anonymer Großgrundbesitzer und der bekannten Hedgefonds.

Eine derartige Abgabe könnte den Kapitalanteil am Boden weitgehend abschöpfen, ohne direkt in die Eigentümerstruktur eingreifen zu müssen. Das schwierige Abwägen, welches Erbe, welche Größe an Wohnraum, welcher Preis und welche Nutzungsart gerechtfertigt sind oder eben nicht, würde entfallen. Ebenso würden die öffentlichen Haushalte die hohen Kosten für Entschädigungen und Risiken vermeiden.

Schon mit einer Abgabe, die dem 7,5-fachen der heutigen Grundsteuer entspräche, wäre ein Bürgergeld von über 1200 € pro Kopf und Jahr finanzierbar. Da heute bereits jeder Mieter und Eigentümer Grundsteuer bezahlt, kann er sich leicht ausrechnen, wie seine persönliche Bilanz ausfällt, wenn eine bundesweite Bodenabgabe auf diese Weise verteilt würde. Zu den Gewinnern gehörten alle, die als Single heute weniger als 160€ Grundsteuer zahlen, als Paar weniger als 320€, oder als 4-köpfige Familie weniger als 640€. Die Differenz zwischen höherer Grundabgabe und der Rückerstattung fällt umso höher aus, je geringer meine Ansprüche an die Wohnfläche sind. Zu diesem Personenkreis gehören die meisten Mieter und viele Hauseigentümer.

Kaum einem Bürger, selbst engagierten Sozialpolitikern und progressiven Journalisten, ist die Dimension bewusst, mit der der Bodenbesitz durch die arbeitende Bevölkerung Monat für Monat alimentiert wird. Der Ökonom Prof. Dirk Löhr spricht bei der Verteilung des Volkseinkommens von einer "bodenlosen Geisterdiskussion".

Politisch ist dieses Thema auch deswegen problematisch, weil die vielen Eigenheimbesitzer, die in allen politischen Gremien gut vertreten sind, Sorge davor haben, selbst stärker belastet zu werden. Dabei schützen sie in erster Linie die Profite von Leuten, deren Reichtum sie sich nicht einmal vorstellen können. Wertsteigerungen, die nur auf die kollektive Leistung der Allgemeinheit zurückzuführen sind, steigern die Profite der Grundbesitzer auf Kosten von Mietern und Pächtern. Durch erfolgreiche Lobbyarbeit werden diese Zusammenhänge selbst in einer verzweifelt nach Ideen suchenden SPD nicht aufgegriffen. Und wenn sie mal diskutiert werden, überlagert man einfache Ursachen gerne mit moralischen und ideologischen Anforderungen. In der Folge versucht man Mietsteigerungen zu bremsen oder zu vermeiden, ohne dabei jedoch die Gewinne der Grundeigentümer ernsthaft zu schmälern.

Den Irrsinn dieser Entwicklung macht das ZDF in dem Frontal-21 Beitrag "Gerechte Grundsteuer" erfrischend deutlich. Während die Grundstückspreise auf ein Vielfaches angestiegen sind, gelingt es der Spekulantenlobby mühelos, den sozialdemokratischen Finanzminister Scholz von einem wirkungsvollen und effizienten Vorschlag für die zu reformierende Grundsteuer abzuhalten. Dabei hat die SPD seit Jahrzehnten den notwendigen Sachverstand in ihren Reihen.

Seit den 70er Jahren argumentiert der inzwischen der 93-jährige SPD-Bodenpolitiker und ehemalige Oberbürgermeister von München, Hans-Jochen Vogel, aktuell unterstützt vom regierenden SPD-Oberbürgermeister von Düsseldorf, Thomas Geisel, dass eine Besteuerung der Bodenspekulation für die Stadtentwicklung dringend notwendig ist. Noch 2016 hatte selbst der Bundesvorstand der FDP beschlossen: "Die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer soll … ausnahmslos die Größe der Grundstücke und die Bodenrichtwerte" sein. Nachdem die Propagandamaschine von Haus&Grund, Blackrock & Co. in Schwung kam, ging diese Position sang- und klanglos verloren.