Israel testet elektronische Kriegsführung bei Angriff auf Syrien

S-300-Raketenabwehrsystem. Bild: Sputnik / Igor Zarembo

Anfang des Jahres hatte Russland Damaskus S-300-Raketenabwehrsysteme geliefert, Israel will demonstrieren, dass diese ihre Angriffsfähigkeit nicht behindern

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Zwischen Syrien und Israel findet eine Art Stellvertreterkrieg statt, bei dem es auch um Waffentechnik geht. Gestern Nacht hat das israelische Militär nach der syrischen Nachrichtenagentur Sana wieder ein Ziel in Syrien beschossen. Behauptet wird, dass die syrische Luftabwehr mehrere Raketen abschießen konnten. Das Ziel war Tal al-Harra in der Nähe der Golanhöhen. Als vor zwei Wochen zwei Raketen auf den Golanhöhen aus Syrien einschlugen, griffen israelische Kampfflugzeuge zunächst verschiedene Ziele der syrischen Streitkräfte an, auch wenn nicht klar ist, ob diese dafür verantwortlich waren, um schließlich in einem zweiten Angriff wieder einmal den Luftwaffenstützpunkt T-4 zu bombardieren, der nach Israel von iranischen Streitkräften benutzt wird.

Syrische Radar- und Flugabwehrsysteme wurden von Israels Luftwaffe gejammt

Der Beschuss von Tal al-Harra könnte in Zusammenhang mit den Raketen stehen, die, ohne Schaden anzurichten, auf den Golanhöhen landeten. Israel gab bislang keinen Kommentar dazu ab, Sana berichtete, dass es Sachschaden gab, aber sprach nicht von Opfern, genannt wurde auch nicht, welche Ziele getroffen wurden. Am Dienstagabend sollen israelische Flugzeuge bereits Aufklärungsflüge über den libanesischen und syrischen Grenzgebiet ausgeführt haben. Nach libanesischen Quellen sollen Stützpunkte der Hisbollah bombardiert worden sein, angegriffen worden seien auch Barracken in der seit langem verlassenen Stadt Qunaitra, die auch von Hisbollah genutzt würden.

Sana bringt den aktuellen Angriff mit dem vor zwei Wochen zusammen. Damals hätte die syrische Armee mit ihrer Luftabwehr die von israelischen Flugzeugen abgefeuerten Raketen auf Ziele südlich von Damaskus abschießen können. Auf Tal al-Harra, der höchsten Erhebung in Südsyrien, die von der Hisbollah als strategisch wichtig bezeichnet wird, befinden sich syrische Radaranlagen, vielleicht auch Luftabwehrsysteme. Nach dem Raketenangriff haben die Israelis nach Sana diese mit elektronischer Kriegsführung angegriffen und versucht lahmzulegen.

Israel hat seit Beginn des Krieges in Syrien Hunderte von Angriffen auf Stellungen und Stützpunkte der syrischen Armee geflogen, während die Anti-Assad-Rebellen und -Dschihadisten verschont blieben. Mit den Angriffen will Israel angeblich verhindern, dass der Iran dauerhafte militärische Stützpunkte einrichten kann, dass iranische Raketen an die Hisbollah gelangen oder die Hisbollah Stellungen in der Nähe der Golanhöhen aufbaut.

Israel testet russische S-300-Luftabwehrsysteme

Neben- oder Haupteffekt dürfte dieses Mal auch wieder der Test gewesen sein, ob Israel die syrischen Luftabwehr- und Radarsysteme ausschalten kann, die in der Regel aus Russland stammen. Russland hatte - stark verärgert - im September 2018, als die veraltete syrische Flugabwehr mit S-200-Systemen bei einem Angriff israelischer Kampfflugzeuge versehentlich ein russisches Aufklärungsflugzeug abschoss, beschlossen, den Syrern neuere S-300-Raketenabwehrsysteme zu geben. Das sollte es Israel schwieriger machen, ungehindert weiter Angriffe zu fliegen, allerdings wollte Moskau Damaskus nicht das neuere S-400-System überlassen (die nächste Generation S-500 ist in Entwicklung). Vermutlich auch, dass es nicht im Ernstfall von Israel getestet werden kann, wohl auch, um zu vermeiden, dass es in die Hände der "Rebellen" gerät.

Erstmals seit Jahrzehnten hatte im Februar 2018 die syrische Luftabwehr mit den veralteten russischen Luftabwehrsystemen nach einem Luftangriff eine F-16 über israelischem Territorium abgeschossen. Teheran verkündete damals: "Die Zeit der israelischen Luftangriffe auf Syrien ist vorbei." Israel bezeichnete es als Pilotenfehler. Allerdings hatte Israel zur Ankündigung der Lieferung der S-300-Systeme mit einer Reichweite von 200 km gedroht, weiterhin Angriffe zu fliegen. Im Februar waren bereits einige S-300-Systeme in Syrien disloziert worden, gerätselt wurde, ob die israelische Luftwaffe damit fertig werden wird.

Im April hatten israelische Kampfflugzeuge aus dem libanesischen Luftraum einen militärischen Stützpunkt in der Nähe der Stadt Massyaf angegriffen. Nach Sana wurden zwar angeblich einige der Raketen abgeschossen, aber es seien einige Gebäude zerstört und 3 "Kämpfer" verletzt worden. Israelische Medien berichteten, die israelische Luftwaffe habe für den Angriff erstmals die neu entwickelte Luft-Boden-Überschallrakete "Rampage" eingesetzt, angeblich in Reaktion auf die installierten S-300-Raketenabwehrsysteme. Die soll besonders auf Ziele zugeschnitten sein, die durch Luftabwehrsysteme geschützt sind, weil sie so schnell sind, auf unterschiedlichen Bahnen fliegen können und zwei Sprengköpfe haben, die nacheinander explodieren. Nach einem Sprecher der Hersteller könne die Rakete zwar entdeckt, aber schwer abgeschossen werden. Wichtig ist, dass damit Ziele angegriffen werden können, ohne die Kriegsflugzeuge, die sie abschießen, zu gefährden (Israel soll neue Überschallraketen in Syrien eingesetzt haben).

Sana berichtet nicht, ob die elektronische Kriegsführung zur Ausschaltung der Radar- und Raketenabwehrsysteme erfolgreich war. Auch aus israelischen Berichten geht dies nicht hervor. Klar aber dürfte sein, dass es sich um einen Test gehandelt hat, der vermutlich auch im Sinn der USA ausgeführt wurde, zumal in Syrien alle Seiten neue Waffen einsetzen und auch elektronische Kriegsführung ausprobieren. SOCOM erklärte letztes Jahr, in Syrien würde elektronische Kriegsführung am aggressivsten eingesetzt.

Drohne aus dem Libanon ist in den israelischen Luftraum eingedrungen

Heute Nachmittag schickte vermutlich die Hisbollah aus in Reaktion auf die Angriffe in Syrien eine Drohne in den israelischen Luftraum, wie sie dies schon mehrmals gemacht hat, einmal konnte eine Drohne bis in die Nähe des Kernforschungszentrums Dimona fliegen, bis sie abgeschossen wurde. Israel startete Kampfflugzeuge, aber offenbar konnte die Drohne wieder unbeschadet in den Libanon zurückkehren. Angeblich habe das israelische Militär dauernd die Drohne verfolgt.

Wenige Stunden zuvor hatte Generalmajor Amir Baram, der Befehlshaber des Nordkommandos, Hisbollah und denen, die die Organisation unterstützen, mit schweren Angriffen gedroht, wenn weiter "Terrorinfrastruktur" an der Grenze aufgebaut wird. Man werde die Sicherheit Israels verdeckt und offen verteidigen und auch nicht vor einem Krieg zurückschrecken. Der Staat Libanon müsse "mit einem hohen Preis für seine Kooperation mit dem schiitischen Terror im nächsten Krieg" rechnen.