Nach Ex-Kanzler Schröder wurden nun auch Sahra Wagenknecht und Gysi zu Feinden der Ukraine erklärt

Vor dem Besuch des neuen ukrainischen Präsidenten Zelenskyi in Berlin provoziert die ukrainische Fahndungsliste Mirotworez erneut, die mit dem Geheimdienst und dem Innenministerium verbunden ist

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Die ukrainische Fahndungsliste Mirotworez ("Friedensstifter" bzw. Peacemaker) wurde mal wieder aktiv und zeigt, dass der neue Präsident möglicherweise gegen den Apparat im Hintergrund (noch) wenig ausmachen kann, zumal er nicht einmal im Parlament eine Machtbasis hat. Das Parlament widersetzt sich auch, Minister zu entlassen und Kandidaten von Zelenskyi einzusetzen, allerdings konnte er einige Gouverneure und Führungskräfte des Geheimdienstes SBU auswechseln.

Jetzt wurden auf einen Schlag 11 Abgeordnete der deutschen Linkspartei ins "Fegefeuer" oder auf den Pranger gestellt, also als Staatsfeinde und "russische Spione" denunziert und damit auch bedroht. Angeblich sollen damit die ukrainischen und deutschen Sicherheitsbehörden und Geheimdienste aufmerksam gemacht werden. Neben Andrej Hunko, der sich schon lange als Staatsfeind der Ukraine gebrandmarkt sieht, kamen dieses Mal u.a. auch Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi dazu.

Aufsehen erregte, als letztes Jahr Ex-Kanzler Schröder auf die Liste gehievt wurde (Gerhard Schröder wird als Feind der Ukraine gelistet). Vorgeworfen wird den Abgeordneten der Linken anti-ukrainische Propganda, Unterstützung der "terroristischen Organisation" der russischen nationalistischen Partei LDPR von Schirinowski, Unterstützung der "russischen Invasoren", die gefangen genommen wurden, sowie die Verletzung der Staatsgrenze der Ukraine, wenn jemand beispielsweise die Krim oder die "Volksrepubliken" besucht hat. Beweise würden vorgelegt.

Bundesregierung verschleppt Reaktion

Vermutet wird, dass dies mit einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke zur "'Mirotworez'-Datenbank der 'Staatsfeinde' der Ukraine" zusammenhängen könnte, die am 7. Juni eingereicht wurde. Hier geht es darum, was die Bundesregierung dagegen unternimmt oder ob sie die Listung im "Fegefeuer" als Aufruf zu politisch motivierter Gewalt betrachtet. Allerdings gibt es hier keine Übereinstimmung der Namen, abgesehen von Hunko. Der ist den Betreibern schon lange ein Dorn im Auge, weil er hartnäckig die Bundesregierung auffordert, ihren Einfluss auf die ukrainische Regierung geltend zu machen, die Website zu schließen (Andrej Hunko: Skandal ohne Konsequenzen seitens der Bundesregierung).

Die Bundesregierung verurteilte zwar die Seite, ebenso wie die OSZE, und forderte die ukrainische Regierung zuletzt Ende 2018 auf, nachdem Schröder zum Feind der Ukraine gestempelt wurde, die Website zu schließen. Die ukrainische Regierung kam dem nicht nach. Es sei eine private Seite einer NGO, so ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrej Melnik, die sei durch Meinungsfreiheit geschützt, womit es ansonsten die ukrainische Regierung nicht so ernst nimmt. Es ist denn auch eine NGO, die offensichtlich persönliche Daten aus dem Innenministerium bezieht (Die Bundesregierung und die 5.400 Staatsfeinde der Ukraine).

Offenbar akzeptiert dies die Bundesregierung und damit auch die Macht der ukrainischen Rechtsnationalisten, die auch noch in der Regierung sitzen. Die Haltung der ukrainischen Regierung hat sich offenbar nicht verändert. Man muss sich nur vorstellen, welche Aufregung herrschen würde, wenn in Russland eine mit dem Kreml zusammenhängende NGO eine solche Website betreiben würde, die deutsche Politiker und Journalisten als Feinde Russlands mit persönlichen Daten listet.

Die Liste war 2014 von Anton Geraschenko, einem Berater des noch immer amtierenden ukrainischen Innenministers Awakow, zumindest initiiert worden, sie kooperiert offensichtlich mit dem Geheimdienst SBU, wenn sie nicht von diesem lanciert wurde. Hier werden die Namen, oft auch Adressen und andere Daten von Personen aufgeführt, die irgendwie anti-ukrainisch sein sollen. Es handelt sich um Separatisten, aber auch um Politiker, Journalisten oder Aktivisten, auch aus dem Ausland, darunter auch Deutsche. Mittlerweile sind es schon einige Tausend, die bei den Betreibern der Seite in Ungnade gefallen sind. Einige der Genannten fielen bereits Mordanschlägen zum Opfer, kurz nachdem sie gelistet wurden. So wurde am 15. April 2015 der Abgeordnete Oleg Kalashnikov und am 16. April 2015 der Journalist Oles Buzina erschossen.

Oppositionelle Ukrainer müssen also die Liste als Bedrohung nehmen, ebenso alle, die in die Ukraine reisen. Die Regierung listet übrigens selbst auch Politiker, Journalisten, Intellektuelle oder Künstler, die als Feinde der Ukraine gelten, weil sie beispielsweise die Krim besucht haben. Sie dürfen nicht in die Ukraine reisen. Die Abgeordneten der Linken werden die wie Gerhard Schröder die Liste der "Friedensstifter" nicht als besondere persönliche Bedrohung wahrnehmen müssen, so lange sie nicht in die Ukraine reisen.

Duldung rechtsnationalistischer, antirussischer Strukturen

Aber der Fall macht weiterhin deutlich, wie seit dem Maidan-Putsch der Westen die rechtsnationalistischen und auch faschistischen Teile der ukrainischen Führung und der in die Streitkräfte aufgenommen rechten Milizen akzeptiert werden, um den Konflikt mit Russland und auch mit Teilen der ukrainischen Bevölkerung zu bestärken. Das zeigt und zeigte sich auch daran, dass auf die Ukraine nie wirklich Druck ausgeübt wurde, das Minsk-Abkommen umzusetzen, die Morde auf dem Maidan oder das Massaker von Odessa aufzuklären. Der Feind deines Feindes ist dein Freund, das ist die bekannte Logik dieses zynischen Verhaltens. Innenminister Awakow scheint in der Ukraine eine besondere Machtstellung zu haben, an der niemand rütteln will. Eine Rolle dürfte auch spielen, dass er besondere Beziehungen zu rechtsextremistischen Milizen wie dem Asow-Regiment besitzt, Teile der Nationalgarde und natürlich die Polizei befehligt.

Heute empfängt die Bundeskanzlerin Angela Merkel den ukrainischen Präsidenten Zelenskyi mit militärischen Ehren im Bundeskanzleramt. Man will sich über die "bilateralen Beziehungen, den Stand der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zur Beilegung des Konflikts in der Ostukraine sowie über den ukrainischen Reformprozess austauschen". Hunko fordert: "Die Bundesregierung muss bei dem Besuch auch die "Staatsfeinde"-Webseite #Mirotworez thematisieren!" Er kritisiert die Untätigkeit der Bundesregierung und schreibt: "#Mirotworez ist eine ultrarechte Webseite, die von der Regierung in Kiew gedeckt und vermutlich vom Inlandsgeheimdienst SBU unterstützt wird."