Iran: What's the Plot?

Donald Trump am Mittwoch in Orlando. Bild: Trump2020

Trump scheint sich zurückzuhalten, aber die medial erzählte (in letzter Sekunde vermiedene?) Katastrophe ist nur ein theatralischer Moment in einem fiesen Film

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In der aktuellen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA wird die Arbeit der Trump-Administration seit einiger Zeit offiziell als "realistisch" etikettiert. Das ist in Wahrheit nur ein Tarnwort für den eingeschlagenen nationalistischen und protektionistischen Kurs. Vielsagend für Trump's Nullsummendenken ist seine tatsächliche Konfrontationspolitik. Dazu gehört seine Strategie des maximalen Drohpotenzials, um den Gegner einzuschüchtern und letztlich mehr bei einem Deal herauszuholen (Immer dieselbe Strategie).

Spiel mit dem Feuer

Beobachter sehen Trump bislang nicht als Kriegstreiber. Für die Linie kriegerischer Eskalation (das Spiel mit dem Feuer) sprächen eher die Töne von Hardlinern wie Mike Pompeo aus Washingtons "neuem Kriegskabinett", wie manche kritisch formulieren. Pompeos Äußerungen zum Thema Iran kommen denn in der Tat auch reichlich unverhohlen daher. Der US-Minister vertritt die Ansicht, eine bessere Option als Verhandlungen mit dem Iran wäre "mit nicht einmal 2000 Fliegerstarts alle iranischen Nuklearkapazitäten zu zerstören".

Nur "bestimmte Kräfte" in der US-Regierung sollen in Richtung Krieg arbeiten, unterstützt von Israel und Saudi-Arabien. Dazu passen die gängigen Meldungen, nach denen es in Washington keine Übereinstimmung in der Frage der militärischen Strategie zu geben scheint. Die NYT etwa hatte zuletzt von heftigen Diskussionen im Weißen Haus zwischen dem Präsidenten, seinen höchsten Sicherheitsberatern und Kongressspitzen berichtet.

Gestern äußerte sich Trump gar per Twitter dahingehend, er habe 10 Minuten vor dem Start der Militäraktion einen seiner Generäle gefragt, wie viele Tote der Angriff kosten werde - und daraufhin den bereits erteilten Befehl zurückgenommen. Ecce homo?! Der amerikanische Präsident, Kriegsherr der stärksten Militärmacht des Planeten, in der Rolle des Zweiflers, medientauglich befallen von Gewissensbissen, widersteht seinen Generälen im Angesicht des Fiaskos, ein Präsident, wie es nie einen gab.

Man könnte geneigt sein, an die biblische Geschichte zu denken, wie Abraham im Gespräch mit Gott angesichts der bevorstehenden Vernichtung Sodoms um Überlebende feilscht (1. Mose 18:23-24): "Und Abraham trat hinzu und sprach [zu Gott]: Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen wegraffen? Vielleicht sind 50 Gerechte innerhalb der Stadt; willst du sie denn wegraffen und dem Ort nicht vergeben um der 50 Gerechten willen, die darin sind?"

Ein Drehbuch, das uns frisst

Die Selbstinszenierung erreicht damit ihren vorläufigen Höhepunkt. Um mit Georg Seeßlen zu formulieren: Eine Drehbuch-, eine Montagekonzeption erfasst uns.1

Die österreichische Publizistin Kathrin Röggla, die sich mit Fakes und Narrativen im politischen Raum beschäftigt, hat in einem Essayband etwas Interessantes über das Drehbuch geäußert, das uns regelrecht "frisst":

nur leider ist dieses drehbuch, das uns frisst, ein genre-drehbuch, d.h. in eine wiederholungsstruktur eingespannt. denn die medial erzählte katastrophe verweist immer auf eine vorgängige und auf eine nächste. und leider ist das genre selbst so ziemlich auf den hund gekommen.

Kathrin Röggla

Also - what's the plot? Ist Trumps medial erzählte und im letzten Moment verhinderte Katastrophe ein Stück ermutigender politischer Wirklichkeit inmitten einer aus den Fugen geratenen Welt, oder am Ende doch nur einfach ein theatralischer Moment in einem miesen Film? Anders gefragt, um an Trumps Strategem des maximalen Drohpotenzials anzuknüpfen: Wird hier mit neuen Mitteln und erweiterten Methoden an der fiktiven Drehschraube gedreht? Nach dem Motto: Seht her, ich habe es im letzten Moment verhindert - ABER ES WÄRE MÖGLICH GEWESEN. WIR WAREN KURZ DAVOR.

"Dann ist alles denkbar"

Und was wäre, wenn …? Außenseiter Michael Lüders, Publizist und Nahostkenner, bilanzierte die Lage Dienstagabend bei Markus Lanz dahingehend, dass eine kriegerische Auseinandersetzung letztlich so oder so bevorsteht:

Dieser Krieg, der uns jetzt propagandistisch vorbereitet ins Wohnzimmer getragen wird über das Fernsehen, über die Medien - dieser Krieg wird kommen.

Michael Lüders

Die Amerikaner würden "ein begrenztes Maß an Zielen" angreifen nach dem Motto: "Das ist jetzt die letzte Warnung an euch im Iran." Die Iraner würden dann natürlich zurückschießen, und von dem Moment an wäre "nichts mehr kontrollierbar". Lüders: "Dann ist alles denkbar." Der Iran werde, wenn es hart auf hart komme, darauf achten, dass der Krieg nicht nur im Iran, sondern auch in den Nachbarländern geführt werde, "damit sie [die Iraner] die Wucht des Krieges nicht alleine abbekommen".

Was ist real?

Lüders zufolge geht es um die öffentliche Deutung über einen Krieg. So ist schon seit Wochen zu beobachten, wie die Weltöffentlichkeit schrittweise in einen Empörungszustand manövriert wird: Teil der politischen Strategie, die nicht unbedingt Trumps ureigene ist, sich jedoch ein Stück weit auch medial verselbstständigt. Iran wird da mit den Wort- und Bild-Inszenierungen in die Rolle des Schurken versetzt.

Das kann auch gesehen werden als politische und mediale Choreografie. Umgekehrt nutzen die Hardliner der iranischen Revolutionsgarden jede Möglichkeit, den Konflikt im eigenen Interesse zu inszenieren, und das vor dem Hintergrund, dass die iranische Führung möglicherweise dabei ist, an Popularität im eigenen Land zu verlieren. Da kann es verlockend sein, nationalistische Emotionen zu schüren.

"Abraham 2.0"

Die Weltöffentlichkeit im Zustand der Erstarrung. Trumps "ultimativ darwinistisches Verständnis internationaler Handels- und Sicherheitspolitik"2 treibt neue Blüten. Man reibt sich die Augen. Was läuft da gerade?

Die mediale Inszenierung jedenfalls läuft auf Hochtouren. Trump probiert eine neue Maske aus, er mimt den neuen Abraham. Trump, der Exportweltmeister in der Sparte News and Fakes. Die Verbraucher folgen ihm weltweit auf Twitter. Die fiktive Drehschraube am Golf von Oman ist derweil ein Stück weiter angezogen, ein Stück weiter in Richtung - so what?

In jedem Fall, ein mieser Film. Und wie Kathrin Röggla schon sagte: Das Genre ist längst auf den Hund gekommen.

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