Washington erwartet den Einsatz europäischer Bodentruppen in Syrien

Erstmals hat das Pentagon F-22-Kampfflugzeuge gegen den Iran in Katar stationiert. Der Konflikt mit dem Iran dürfte die Abzugswünsche aus Syrien verstärken. Bild: DoD

Die US-Regierung will sich weiter militärisch aus Syrien zurückziehen, die Lücke sollen Mitglieder der Anti-IS-Koalition schließen

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Es wird spannend, wenn etwas dran ist an dem, was der Gesandte des Weißen Hauses für Syrien und der Leiter der Anti-IS-Koalition, Jim Jeffrey, letzte Woche Defensone.com erzählt hat. In dem exklusiven Interview deutete Jeffrey an, dass US-Soldaten offenbar weiter aus Syrien abziehen und ersetzt werden sollen durch Soldaten von anderen Ländern der Anti-IS-Koalition. Das sei das Ergebnis von Gesprächen mit Ländern der Anti-IS-Koalition in Paris und Brüssel während der letzten Tage gewesen. Es gehe dabei einfach um das Prinzip von Trump, die Lasten zu teilen.

Dass US-Präsident Donald Trump lieber früher als später die US-Truppen aus Syrien abziehen will, ist lange bekannt. Wahrscheinlich soll dies nun schnell geschehen, um im begonnenen Präsidentschaftswahlkampf die Karte auszuspielen, dass Trump nicht nur keine neuen Kriege beginnen will, auch wenn das gerade ein wenig problematisch mit dem Iran ist, sondern auch die Auslandseinsätze zu beenden sucht: in Afghanistan, im Irak und vor allem in Syrien.

Die erste Bekanntgabe, die US-Truppen aus Syrien nach dem Sieg über den IS abzuziehen, hatte Trump wohl mehr oder weniger alleine gefällt. Sein Sicherheitsstab reagierte konsterniert, Verteidigungsminister Jim Mattis trat daraufhin von seinem Posten zurück. Trump wurde vorgeworfen, Moskau und Damaskus damit die Macht zu überlassen und die Kurden der SDF zu verraten, da die Türkei schon lange mit Angriffen drohte. Zudem sei der IS keineswegs besiegt, auch wenn Baghuz, das letzte von ihm in Syrien kontrollierte Dorf, nach schweren Kämpfen eingenommen wurde.

Das Pentagon leitete zwar den Abzug ein, aber wie es mit der militärischen Präsenz in Syrien weitergehen soll, blieb offen, nachdem sich auch der Konflikt zwischen den USA und der Türkei wegen des Kaufs des russischen Luftabwehrsystems S-400 zuspitzte. Noch Anfang des Monats schien es, als ob nun die USA eine Vereinbarung mit der Türkei über eine Sicherheits- oder Schutzzone entlang der syrischen-türkischen Grenze anstrebten. Die Türkei hätte gerne eine 30 km breite Zone, die sie selbst kontrolliert. Jeffrey erklärte damals ziemlich apodiktisch, dass es für die Europäer hier "keine Rolle" gebe. Das, obwohl französische und britische Soldaten bereits in Syrien sind und obwohl Washington schon länger davon sprach, dass die europäischen Alliierten in Syrien mehr Verantwortung übernehmen müssten.

Lücke soll mit Koalitionstruppen gefüllt werden

Wie schnell es hin und her gehen kann, macht deutlich, dass die US-Regierung Ende Mai noch eher daran dachten, eine Schutzzone für die Kurden gegen die Türkei einzurichten. Der Spiegel schrieb gar, dass die Bundeswehr mit ihren Tornados mithelfen könnten die Schutzzone abzusichern (Deutschland soll bei Schutzzone mitwirken).

Jetzt also scheint man gerade wieder etwas von der Türkei abzurücken, auch wenn Jeffrey erklärte, man verhandele weiter mit der Türkei über eine Schutzzone in Nordostsyrien. Er sagte, man erwarte innerhalb von Wochen eine Entscheidung von Mitgliedern der Anti-IS-Koalition über eine Beteiligung in Syrien, wenn die USA ihre Bodentruppen abziehen. Das hieße, dass eben auch Bodentruppen entsendet werden sollen. Jeffrey wollte allerdings nicht sagen, an wen man dabei denkt. Möglicherweise würden einige Länder nur "still" teilnehmen: "Das geht für uns in Ordnung." Dringend ist es wohl auch deswegen, weil der IS im Irak wieder an Stärke gewinnt.

"Der Abzug geht weiter", so Jeffrey, aber das betreffe nur die US-Bodentruppen: "Unsere Erwartung ist, dass die Lücke mit Koalitionstruppen gefüllt wird - und wir erhalten von ihnen sehr bestärkende Botschaften. Wir werden unsere wichtige Luftkontrolle und die Lufteinsätze über Nordostsyrien aufrechterhalten, wir werden auch die Präsenz von Bodentruppen in al-Tanf fortsetzen und bereit sein, mehr Truppen zur Bekämpfung spezifischer Terroristenziele einzusetzen.

Man kann davon ausgehen, dass Frankreich und Großbritannien hier weiter militärisch mitwirken wollen. Interessant wird sein, wie sich die Bundesregierung verhält, die weiterhin wegen der Nicht-Erreichung des 2-Prozent-Ziels unter amerikanischem Druck steht. Mit Tornado-Einsätzen wird man sich da wohl kaum behelfen können, um die US-Regierung zufrieden zu stellen und im Land keinen größeren Aufschrei zu provozieren. Bodentruppen in Syrien dürften zu einer Zerreißprobe der Koalition werden.

Hoffnung auf Genfer Friedensgespräche

Jeffrey hofft aber auch, dass die Genfer Friedensgespräche weitergehen. Syrien hat auf Drängen Russlands am Freitag die Ernennung von den letzten sechs Mitgliedern des Verfassungskomitees zugestimmt. Das soll aus jeweils 50 Gesandten der syrischen Regierung, der Opposition und der Zivilgesellschaft bestehen.

Nach Jeffrey würde das Komitee, wenn es zustandekäme, die Richtung des gesamten Konflikts verändern: "Wir sind der Einrichtung eines Verfassungskomitees sehr nahe", sagte er. "Der nächste Schritt wird sein, wenn das gelöst ist, eine Einweihungszeremonie in Genf zu begehen und einen politischen Prozess zu beginnen, der eine dramatische Veränderung im ganzen syrischen Konflikt darstellt." Das werde den Konflikt von einer militärischen Lösung wegbewegen, auf die es bislang Assad abgesehen habe. Verhindert werden soll weiterhin, dass Assad die Kontrolle über Syrien wiederherstellen kann.

Der UN-Gesandte Geir Pedersen scheint von der Wirksamkeit eines Verfassungskomitees nicht so überzeugt zu sein und wünscht parallel dazu die Etablierung einer Gruppe von Staaten, die im Syrienkonflikt mitspielen: die 5 permanenten Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, die Astana-Gruppe (Russland, Iran und Türkei) und die "Kleine Gruppe" (Ägypten, Deutschland, Jordanien, Saudi-Arabien, Frankreich, Großritannien und die USA).

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