Zuschauer(innen) Pay Gap im Sport

Bild: Fast menschenleeres Stadion in Frankreich, Walkerssk, Pixabay

Im Sport wurde noch nie nach Leistung oder Geschlecht bezahlt, sondern immer nach Zuschauerinteresse und Vermarktbarkeit - ein Interview mit Dirk Westerheide, Ex-Redaktionsleiter beim Kicker

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Die Fußball-WM der Frauen thematisierte auch den Gender Pay Gap - also die geschlechtsbezogene schlechtere Bezahlung. Ist das ein zutreffender Begriff im Sport? Oder gibt es andere Faktoren für unterschiedliche Einkommen der Sportler(innen)?

Dirk Westerheide: Steigen wir mit einigen Zahlen ein. In der aktuellsten Forbes-Liste der bestverdienenden Sportlerinnen und Sportler taucht mit der Tennisspielerin Serena Williams auf Rang 63 nur eine einzige Frau auf - mit einem geschätzten Verdienst von 29,2 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Roger Federer, bei den Herren die Nr. 1 in der gleichen Sportart, wird auf 93,4 Millionen Dollar geschätzt.

Dazu muss man erst einmal feststellen, dass Sport zunächst nichts anderes ist als ein gesundheitsförderndes Training und Hobby. Nur wenn man Zuschauer dazu bewegen kann, dass sie Geld dafür zahlen, mir zuzuschauen, wird aus meinem Hobby ein Beruf. Daraus ergibt sich die Definition, dass Profisport vor allem ein Show Business ist. Das war schon im antiken Rom so bei Wagenrennen und Gladiatoren: Zuschauer machen den Unterschied zwischen Hobby und Einkommen.

Der Pay Gap hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern nur mit Zuschauern. Viel mehr als zwischen Geschlechtern gibt es den Pay Gap zwischen Sportarten. Soll heißen: Leistung ist im Profisport das Mittel zum Zweck der Vermarktung. Ich muss es als Sportart oder/und als Sportler schaffen, vor einer großen Anzahl an Zuschauern aufzutreten, zunächst im Stadion, dann kommt das Fernsehen, dann muss ich hohe Einschaltquoten generieren - und dann kann ich das große Geld verdienen.

Sportarten, denen der Sprung ins Show Business nicht gelingt, bleiben also ein Hobby. Ist die Forbes-Liste der treffendste Maßstab, um das Sport-Show Business abzubilden?

Dirk Westerheide: Die Forbes-Geldrangliste ist bezogen auf Sportarten weder exakt noch vollständig, aber durchaus repräsentativ: Erst Fußball, mit einigem Abstand dahinter Tennis, Boxen, Golf und Formel-1, in den USA American Football, Baseball, Basketball und Eishockey. Die Top 100 bestehen ausschließlich aus Athleten dieser Sportarten., und die Gesamt-Werbegelder verteilen sich ähnlich.

Was an der Liste auffällt: Sie enthält fast ausschließlich Männer.

Dirk Westerheide: Ja, vielleicht mit der Ausnahme Tennis, wo einzelne Sportlerinnen wie Serena Williams ähnlich gut verdienen können wie die erfolgreichsten Männer. Und auch hier gilt: Weil Frauentennis eine ähnliche TV-Präsenz und ähnliche Einschaltquoten hat wie Männertennis. Was auch daran liegt, dass mehr Frauen zuschauen. Ähnlich ist das z. B. beim Beachvolleyball, aber auf einem deutlich niedrigeren Niveau, was die TV-Präsenz angeht. Ansonsten schaffen die Frauen es nur in Ausnahmefällen, in die Spitze aufzusteigen.

Warum funktioniert das im Tennis, aber nicht im Fußball?

Dirk Westerheide: Manche sind der Meinung, der Pay Gap liege daran, dass Frauen körperlich nicht das gleiche Niveau bei Kraft und Schnelligkeit erreichen können, und dass sie taktisch noch nicht auf gleichem Niveau sind wie die Männer. Das taugt nur bedingt als Erklärung. Bei Sportarten wie Tennis, Volleyball und Formel 1 sind Geschick bzw. Ballgefühl oder das Fahrgefühl sowie die taktische und mentale Stärke besonders wichtig. Bei Gefühl, Taktik und mentaler Stärke gibt es zwischen Männern und Frauen keinen Unterschied. Das Problem sind die Zuschauer bzw. die Zuschauerinnen.

Beim Tennis ist die Anzahl weiblicher TV-Zuschauer relativ hoch. Wenn Fußballspielerinnen es schaffen würden, ihre Geschlechtsgenossinnen zum Gang ins Stadion zu bewegen, 50.000, 60.000, 70.000 Zuschauer(innen) pro Spiel zu generieren, dann wäre bald zu jedem Spiel das Fernsehen da. Kämen genügend Zuschauerinnen, kämen die Sponsoren, und dann würden sie wie ihre männlichen Kollegen verdienen. Dabei sind die körperlichen Voraussetzungen nachrangig. Was zählt, ist der sportliche Unterhaltungswert.