Österreich: Regierungsfestplatte unter falschem Namen geschreddert

Symbolbild: TP

"Normaler Vorgang" oder unmittelbarer Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre?

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In Österreich gibt es nach der Ibiza-Affäre jetzt eine "Schredder-Affäre", nachdem herauskam, dass ein inzwischen zur ÖVP gewechselter ehemaliger Mitarbeiter des Bundeskanzleramts wenige Tage vor dem Misstrauensantrag gegen die Regierung Kurz die Festplatte eines Kopierers professionell vernichten ließ. Ein merkwürdiger Umstand dabei ist, dass er das unter einem falschem Namen machte. Noch merkwürdiger ist aber, dass er die 76 Euro für die Vernichtung der Festplatte nicht bezahlte, aber seine richtige Telefonnummer hinterließ.

Mit dieser Telefonnummer stellte die Vernichtungsfirma auf der Suche nach ihrer Vergütung eine Betrugsanzeige, welche dazu führte, dass die Polizei an den richtigen Namen gelangte, den sie an die nach der Ibiza-Affäre eingesetzte Sonderkommission weitergab. Dem Kurier zufolge kam dieser "Soko Ibiza" die Angelegenheit so merkwürdig vor, dass sie den Mann nicht nur aus der ÖVP-Zentrale abholen, sondern auch seine Wohnung durchsuchen ließ.

Kurier: Blümel wusste davon

Bei der Befragung durch die Polizei gab der Mann an, er habe keine Beweismittel unterschlagen, sondern lediglich dafür sorgen wollen, dass Informationen über die auf dem Kopierer gefertigten Ausdrucke und Kopien nicht an Parteien gelangen, die sie im Wahlkampf einsetzen. Dem Kurier zufolge handelte er dabei nicht alleine, sondern mit dem Wissen des damaligen Kanzleramtsministers Gernot Blümel, dessen Name auch in den Affären um ein "schwarzes Netzwerk" im österreichischen Verfassungsschutz (vgl. Österreich: Kurzer Dienstweg zwischen Verfassungsschutz und ÖVP) und illegale Parteienfinanzierung über Vereine auftaucht (vgl. Staatsanwältin will "genaue Landkarte politiknaher Vereine") und der eine Quasi-Klarnamenspflicht im Internet durchsetzen wollte (vgl. "Digitales Vermummungsverbot").

Der damalige österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, der gerade das kalifornische Silicon Valley besucht, verteidigte die Festplattenvernichtung gestern als "üblichen Vorgang" vor einem anstehenden Regierungswechsel. Es müsse schließlich "sensibel mit Daten umgegangen" werden. "Nicht korrekt gewesen" sei lediglich, dass der Mitarbeiter "schlampig agiert" und das beauftragte Unternehmen nicht bezahlt hatte. Das habe er jedoch inzwischen nachgeholt und "sich entschuldigt". Einen anderen Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre als die Vorbereitung auf den daraus resultierenden Regierungswechsel gebe es bei der Festplattenvernichtung nicht.

"In weiten Teilen der SPÖ zugerechneten Spitzenbeamtenschaft im Kanzleramt nicht unbedingt getraut"?

Aus Kurz' Partei verwies man darüber hinaus darauf, dass die Festplatte ja nur Daten von ausgedruckten und kopierten Dokumenten enthalten habe, und keine Videos. Das schließt jedoch nicht aus, dass es in Dokumenten um Informationen über diese Videos gegangen sein könnte. "Auch bei der Übergabe von Kanzler Kern an Kanzler Kurz im Dezember 2017" wurden einem ÖVP-Sprecher zufolge "leere Büroräume und keine Datenträger oder Unterlagen aus der Ära Kern vorgefunden".

"Daten, die nicht Bestandteile von Akten sind" würden bei einem Regierungswechsel nämlich ebenso "aussortiert, gelöscht oder geschreddert" wie "persönliche Arbeitsunterlagen". Einen falschen Namen habe der Mitarbeiter dabei angegeben, weil er "keine Gerüchte schüren" wollte. Dem ORF gegenüber hat die Partei außerdem "angedeutet", "dass man der in weiten Teilen der SPÖ zugerechneten Spitzenbeamtenschaft im Kanzleramt nicht unbedingt getraut hat".

Dort, in der SPÖ, hat der Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda "zahllose Fragen" zum Vorgang. Die haben auch Stephanie Krisper von den Neos, Peter Pilz von der Grünen-Abspaltung "Jetzt" und Hans-Jörg Jenewein, der Sicherheitssprecher der FPÖ. Er hat dazu eine offizielle parlamentarische Anfrage angekündigt und mutmaßt, dass die der ÖVP Mitte Juni von EU Infothek vorgelegten E-Mails zwischen dem Ex-Kanzler und Blümel vielleicht doch nicht alle so gefälscht sind, wie die beiden behaupten.

Das Medium, das in der Ibiza-Affäre die Spuren in eine Münchner Detektivbüro, eine Wiener Anwaltskanzlei und zu einem zahlungskräftigen deutschen Verein aufdeckte, hatte der ÖVP Screenshots und einen Teil der ihm zugespielten Mails vorgelegt, die nahe legen, dass Kurz und Blümel bereits vor dem öffentlichen Bekanntwerden des Ibiza-Videos von den Aufnahmen von Johann Gudenus und Heinz Christian Strache wussten. Die ÖVP ließ daraufhin von der Firma Deloitte ein forensisches Gutachten anfertigen, das zum Ergebnis kam, es handle sich dabei um Fälschungen. Allerdings wurden von den zwölf Seiten des Gutachtens nur sechs veröffentlicht.

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