Das Leben in Griechenland ändert sich

Bei der Erölffnung des Parlaments. Bild: W. Aswestopoulos

Regierungserklärung von Kyriakos Mitsotakis

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Die ersten vierzehn Tage der Regierung von Kyriakos Mitsotakis brachten zahlreiche Änderungen ins alltägliche und politische Leben des Landes. Noch vor dem Vertrauensvotum des Parlaments, welches am Montag abstimmen wird, hat Mitsotakis mit zahlreichen Erlassen und Personalentscheidungen einen Vorgeschmack von seiner Politik gegeben. Am Montagabend wird im Parlament über das Vertrauen des Parlaments in die neue Regierung abgestimmt. Die Abstimmung ist eine reine Formsache.

Law and Order

In den Straßen Athens patrouillieren nun schwer bewaffnete Polizisten. Sie sollen der Bevölkerung ein Sicherheitsgefühl vermitteln. In seiner Regierungserklärung vom Samstag betonte Mitsotakis, dass zu den ersten Plänen und Gesetzen seiner Regierung die Wiedereinführung der "DELTA"-Polizeieinheit gehört. Die Sicherheitspolitik ist die fünfte Säule seines sechs Punkte umfassenden Sofortprogramms.

Die Sicherheit sei "die fünfte Wahrheit":

Dieses demokratische Grundrecht kommt zurück in unsere Nachbarschaften. Die Regierung hat bereits viele Polizisten aus den Büros auf die Straße geschickt. Und das Gesetz, der Zufluchtsort der Schwächeren, wird überall durchgesetzt. Die problematischen Regelungen des Strafrechtskodex werden sofort aufgehoben. Es wird verhindert, zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilte Mörder und Terroristen aus den Gefängnissen zu entlassen. Die Regelungen für den Hafturlaub werden geändert. Und es werden Hochsicherheitsgefängnisse vom Typ Gamma gegründet. Bis zum Ende des Jahres werden 1500 neue Polizisten eingestellt. Sie werden die DIAS Einheit und die DELTA Einheit, die wieder eingeführt wird, verstärken. Innerhalb von sechs Monaten werden die Ausstattung und die kugelsicheren Westen der griechischen Polizei ausgetauscht. Im Jahr 2020 werden neue Streifenwagen und Motorräder eingekauft. Wir werden an den Grenzen und im Inneren die Kontrolle gegen illegale Immigration intensivieren. Die Asylrechtsverfahren werden geändert und beschleunigt. Immer unter dem Hinblick der Achtung der Menschenrechte.

Kyriakos Mitsotakis

Tatsächlich greift die Polizei bereits spürbar härter durch. Das mussten kurdische und türkische Demonstranten spüren, die am Freitag gemeinsam mit griechischen Sympathisanten vor die Deutsche Botschaft in Athen gezogen waren. Die Demonstranten forderten Freiheit für den in Deutschland verurteilten Erdal Gökoğlu.

Einige hatten offenbar versucht, sich vor dem Botschaftsgebäude anzuketten, während andere die Aktion auf Video aufzeichnen wollten. Die Polizei griff ein, es kam zu einem Handgemenge, wobei Polizisten und Demonstranten verletzt wurden. Die staatliche Nachrichtenagentur Athens News Agency - Macedonian News Agency meldete schlicht die Festnahme von sechs Aktivisten, welche laut der Nachricht die Polizisten brutal angegriffen hätten.

In der Nachricht der Agentur, die bis auf weiteres unter der Kontrolle des Premierministers steht, wurden weder die Gründe der Demonstration noch die Anschuldigungen der Demonstranten gegen die Polizei erwähnt. Dafür fand die Tatsache, dass sich alles wenige Stunden nach dem schweren Erdbeben in Athen abgespielt hatte, Eingang in die Meldung. Auf Internetseiten der nun zur Opposition gehörenden früheren Regierungspartei SYRIZA finden sich dagegen Äußerungen beider Seiten, der Polizei und der Demonstranten, samt Fotos.

Die SYRIZA nahe stehenden Journalisten des Staatssenders ERT, die besonders im Wahlkampf jegliche politische Neutralität vermissen ließen, wurden mittlerweile ebenso entlassen, wie die Vorgesetzten der Abteilungen in der staatlichen Nachrichtenagentur.

Dafür berief Kyriakos Mitsotakis mit Konstantinos Tsouvalas den Polizeigeneral zum Generalsekretär des Ministeriums für Bürgerschutz, dem seine Partei vor ziemlich genau einem Jahr die Hauptverantwortlichkeit für die 102 Toten der Brandkatastrophe in Mati, bei Athen, zugeschrieben hatte. Sein Rücktritt wurde damals von Tsipras angenommen, weil der damalige Premier seinen Chef der Polizei nicht gegen die Anschuldigungen der Nea Dimokratia schützen konnte.

Patriotismus und Religiosität

Die Nea Dimokratia hat sich eine Aufhebung der von Tsipras teilweise durchgeführten Trennung von Staat und Kirche auf die Fahnen geschrieben. Das manifestierte sich direkt bei der Vereidigung von Ministern und Parlamentariern darin, dass nun alle Regierungsabgeordneten und Minister den religiösen Eid ablegten. Zudem kündigten Erzbischof Ieronymos und Mitsotakis die Vereinbarungen zur Trennung von Staat und Kirche, welche Ieronymos mit Tsipras getroffen hatte, auf.

Auf der anderen Seite betonte die Nea Dimokratia im Wahlkampf ihren Patriotismus. Nach gewonnener Wahl distanziert sie sich vorsichtig von den Fallen, die sie sich damit selbst stellte. Von der vorher lautstark geforderten Aufkündigung des Vertrags zur Beilegung des Namensstreits mit Nord-Mazedonien will plötzlich niemand mehr etwas wissen. In seiner Regierungserklärung sparte Mitsotakis nationale und patriotische Themen offenbar bewusst aus. Er vergaß sogar zu erwähnen, dass seine Regierungserklärung auf den Tag genau 45 Jahre nach dem türkischen Einmarsch in Zypern stattfand. Dieser Umstand wurde Mitsotakis von allen Vertretern der Opposition vorgehalten.

"Auf dem Balkan, hat, wie wir mehrmals gesagt haben, Vorrang, die schlechten Folgen der Umsetzung des Vertrags von Prespes (dem Kompromiss im Namensstreit) abzuschwächen. Unsere Speerspitze hierbei ist das Wirtschaftsprogramm für Nordgriechenland. Absoluten Vorrang hat der Schutz unserer makedonischen Produkte und eine großangelegte, internationale Kampagne für unser Makedonien", ist Teil von Mitsotakis "sechster Wahrheit".

Kyriakos Mitsotakis. Bild: W. Aswestopoulos

Niedrigere Steuern schon ab diesem Jahr

Die erste Säule der Politik von Mitsotakis, die "erste Wahrheit", sind niedrigere Steuern.

Wenn die Griechen weniger Steuern zahlen, wird die Wirtschaft anspringen. Es wird neue Investitionen geben und gut bezahlte Arbeitsplätze. Wir schreiten mit tiefen Einschnitten in unserer Art, wie wir uns die fiskalische Politik vorstellen, fort. Steuern sind nicht nur eine Einnahmequelle, sondern auch ein Instrument zur Wirtschaftsentwicklung. Die Steuern von Unternehmen werden auf 20 Prozent gesenkt und zwar in zwei Schritten. Insbesondere werden wir im September abstimmen, dass sie von 28 Prozent auf 24 Prozent sinken, was die Unternehmensgewinne angeht, und von 10 Prozent auf 5 Prozent, was die Dividendenzahlungen angeht.

Kyriakos Mitsotakis

Den Bürgern verspricht Mitsotakis ebenfalls eine Steuersenkung des Eingangssteuersatzes, lässt aber offen, wie die Staffelung der Steuersätze konkret aussehen soll und welche Höhe eventuelle Steuerfreibeträge haben werden.

Zudem stellte Mitsotakis ein Investitionsankurbelungsgesetz für die energetische Optimierung von Gebäuden in Aussicht. Noch vor seiner Regierungserklärung ließ Mitsotakis die unabhängigen Behörden der Steuerfahndung, SDOE, und das Amt für die Überwachung des Arbeitsrechts abschaffen. Sie sollen durch neue Organisationen ersetzt werden.

Weniger Bürokratie

Außer durch Steuersenkungen möchte Mitsotakis, seine "dritte Wahrheit", die Wirtschaft, mit einer Straffung der Bürokratie ankurbeln. Es handelt sich dabei um fast die gleichen Versprechen, die Tsipras vor viereinhalb Jahren im Parlament abgab. Die Griechen sollen nicht mehr von einer Behörde zur nächsten rennen, um zum Beispiel die Geburt eines Kindes anzumelden.

Bislang ist jeder griechische Premier an diesem Unterfangen gescheitert. So ist es immer noch erforderlich, dass Bürger die gleichen Dokumente, die sie von einem Amt erhalten haben, zu sämtlichen anderen, für den Sachverhalt zuständigen Ämter bringen müssen. Im Fall von Unternehmensgründungen gestaltet sich solch eine Odyssee noch komplizierter.

Yannis Yaroufakis, jetzt für MeRA25 im Parlament. Bild: W. Aswetsopoulos

Gesundheitspolitik und Bildung

Mit Neuanstellungen fehlender Ärzte und Pfleger möchte Mitsotakis das Gesundheitswesen reformieren. Zu seinen Visionen, einem Teil der "zweiten Wahrheit", gehört der Gesundheitstourismus, mit dem er dem Land neue Einnahmequellen bescheren will. Insgesamt avisierte er 3500 neue Arbeitsplätze im Gesundheitswesen. Auch hier möchte er die Bürokratie beschränken, so dass chronisch Kranke nicht mehr stundenlang vor den staatlichen Ausgabestellen für Medikamente anstehen müssen.

In der Bildungspolitik setzt Mitsotakis ebenfalls seine Law & Order-Politik als Lösungsmittel für die teilweise chaotischen Zustände an griechischen Hochschulen an. Er möchte das akademische Asyl abschaffen und damit das Wirkungsfeld linker Gruppen erheblich einschränken. Zu Mitsotakis "vierter Wahrheit" gehört auch die Beibehaltung der von Tsipras bereits beschlossenen Neuanstellung von 4500 Lehrkräften für Sonderschulen.

Fünf Baumaßnahmen

Mitsotakis stellte zudem zahlreiche öffentliche Baumaßnahmen in Aussicht. Er möchte Korydallos, das größte Gefängnis des Landes, das mitten im urbanen Zentrum der Region Attika liegt, abreißen lassen und einen Park an seiner Stelle errichten. Das Gefängnis selbst soll am Rand der Hauptstadt und an einer Autobahn neu errichtet werden. Ähnliches hat Mitsotakis mit dem Gelände der internationalen Messe von Thessaloniki vor.

In Athen möchte er zudem das Archäologische Museum der Stadt mit den historischen Bauwerken der Athener Technischen Hochschule erweitern. Damit möchte er das Exarchia Viertel mit der anliegenden Patission Avenue und dem Omonia Platz grundlegend neu ordnen.

Es handelt sich um eine der wenigen Maßnahmen, bei denen Mitsotakis explizit die Geldquelle erwähnte. Die Niarchos-Stifung der Reeder-Familie Niarchos soll bereits diesbezügliche städtebauliche Studien finanzieren. Mitsotakis will die früher königliche Residenz in Tatoi, im Norden Attikas, in Zusammenarbeit mit privaten Investoren in einen Hotelkomplex mit agrotouristischen Prestigeprojekten als Attraktion umwandeln. Zudem verspricht er einen Stadtpark in Keratsini, einer Gemeinde des urbanen Komplexes der Hafenstadt Piräus.

Auffällig ist, dass Mitsotakis keine Baumaßnahmen für die Provinzen des Landes in Aussicht stellte. Seine Ankündigungen bezogen sich nur auf die Umgebung von Thessaloniki und Attika.

Privatisierungen

Mitsotakis ließ zudem keinen Zweifel daran, dass er in der Privatisierung des staatlichen Elektrizitätsunternehmens Public Power Company ein Allheilmittel für die Probleme der Energiewirtschaft im Land sieht. Er möchte sich zudem zügig von der staatlichen Beteiligung am Großflughafen Eleftherios Venizelos trennen. Dies ist insofern erwähnenswert, weil die Anteile in wenigen Jahren, bei Pachtende des Betreibers, massiv an Wert gewinnen werden.

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