Rechtswidrige AKW-Laufzeitverlängerung in Belgien, aber keine Abschaltung

AKW Doel. Bild: Torsade de Pointes/CC0

EuGH-Urteil: Für Laufzeitverlängerung von Atommeilern war "zwingend" Umweltverträglichkeitsprüfung nötig, aber abgeschaltet werden müssen sie nicht, um Stromversorgung nicht zu gefährden

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Das war ein typischer Pyrrhussieg, den zwei belgische Umweltverbände am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gegen die Laufzeitverlängerung von den gefährlichen Uraltmeilern Doel 1 und 2 nahe der Grenze zu Deutschland erstritten haben. Eigentlich ist der Sieg von Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaandere vollumfassend, doch die Richter schrecken vor den nötigen Konsequenzen im Urteil zurück und ordnen nicht einmal eine temporäre Stilllegung der Reaktoren an.

Dabei führt der Gerichtshof in seinem Urteil aus, dass die Umweltverträglichkeit im Rahmen der Laufzeitverlängerungen von Doel 1 und 2 nicht geprüft wird und diese "Rechtswidrigkeit" beseitigt werden muss. Im Urteil steht, dass die Entscheidung mit Arbeiten verbunden war, die "Gefahr erheblicher Auswirkungen auf die Umwelt" bergen, weshalb das Projekt nach Auffassung des Gerichtshofs so angesehen werden "muss", dass es mit der "Erstinbetriebnahme dieser Kraftwerke vergleichbar" ist. "Folglich muss ein solches Projekt zwingend einer Prüfung in Bezug auf seine Auswirkungen auf die Umwelt gemäß der UVP-Richtlinie unterzogen werden." Und nicht nur das. Da die Reaktoren in Grenznähe stehen, "muss ein solches Projekt auch einem grenzüberschreitenden Prüfungsverfahren nach dieser Richtlinie unterzogen werden".

Die Konsequenz müsste eigentlich sein, die Reaktoren wenigsten so lange abzuschalten, bis die zwingend notwendigen Prüfungen durchgeführt sind, wenn man schon die Laufzeitverlängerung nicht für null und nichtig erklärt. Doch das Gegenteil führt das Urteil aus und die Richter begründen das mit der "Gefahr einer Unterbrechung der Stromversorgung". Deshalb dürfen die Schrottmeiler am Netz bleiben. Nicht nur die Umwelt, sondern das Recht auf Leben und Unversehrtheit von zahllosen Menschen in der Region wird hintenangestellt.

Damit werden die Region und ihre Bewohner in einem gefährlichen Versuch weiter für den Zeitraum zu Versuchskaninchen gemacht, "der absolut notwendig ist, um die betreffende Rechtswidrigkeit zu beseitigen". So wird schwammig formuliert und nicht einmal eine klare Frist gesetzt, in dem die Rechtswidrigkeit beseitigt werden muss.

Erinnert werden muss an das Gefahrenpotential belgischer Atomreaktoren. Sogar die belgische Atomaufsicht sprach 2016 von einer "alarmierenden Wahrscheinlichkeit" eines GAUs in Atomkraftwerken und kritisierte die fehlende "Sicherheitskultur" beim Betreiber Electrabel.

Letztlich wird eine verfehlte Energiepolitik auch vom EuGH in Luxemburg abgesegnet. Denn Belgien hatte schon 2003 den Atomausstieg beschlossen. Doch bis 2015 wurden keine Ersatzkapazitäten geschaffen. Das zeigte schon die Laufzeitverlängerung um 10 Jahre des rissigen Bröselreaktors Tihange 2012, der als Zeitbombe nur gut 50 Kilometer von Aachen entfernt tickt.

Und weil man auch sonst die Energiepolitik nicht verändert hat, griff man drei Jahre später erneut zu dem Trick mit der Laufzeitverlängerung. So wurden auch die Laufzeiten für Doel 1 und 2 eilig um 10 Jahre bis 2025 verlängert, ohne auch nur die notwendigen Prüfungen durchzuführen. Dabei sind die Meiler ohnehin nur für 40 Jahre ausgelegt und hätten deshalb 2015 vom Netz gehen sollen. Bestätigt ist längst die Telepolis-Einschätzung, dass diese Meiler nicht am Netz sind, weil sie sicher sind, sondern weil sonst in Belgien die Lichter ausgehen. So wurden in Belgien schon Notfallpläne ausgearbeitet.

Auch der EuGH ordnet sich einem angeblichen Sachzwang unter. Dabei wäre die Abschaltung der beiden Uralt-Reaktoren, die gemeinsam nicht einmal 1000 Megawatt Leistung haben, zweifellos über das europäische Netz abfangbar. Man darf gespannt sein, ob angesichts solcher Entscheidungen Belgien endlich die Energiepolitik ändert oder 2022 und 2023 auch die Laufzeiten von Doel 3 und Tihange 2 einfach um weitere zehn Jahre verlängert.

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