Bolsonaro: Entlarvende Enthüllungen und Drohungen gegen Greenwald

Bolsonaro mit Sérgio Moro, der Lula als Ermittlungsrichter hinter Gitter brachte und von Bolsanaro als Justizminister eingesetzt wurde. Bild: Marcos Corrêa/PR/CC BY-SA-2.0

Brasilien unter dem Rechtsaußen-Präsidenten: Dokumente legen nahe, dass Justizminister Moro als Richter auf die Verurteilung des Bolsonaro-Gegners Lula hingearbeitet hat

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Der Skandal und die Enthüllungen der Enthüllungsplattform The Intercept sorgen für immer mehr Wirbel in Brasilien. Über die ersten Enthüllungen hatte Telepolis schon im Juni berichtet, als die ersten Reportagen mit brisanten Inhalten veröffentlicht worden waren.

Drehten die sich vor allem um die Verurteilung des ehemaligen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, mit der dessen erneute Wahl ausgehebelt wurde, haben es auch die seither veröffentlichten Dokumente in sich.

Die lassen deshalb nun ganz offensichtlich auch Jair Bolsonaro ziemlich nervös werden, der statt Lula zum Staatsoberhaupt und Regierungschef gewählt wurde. Veröffentlichte Chats, Emails und Sprachdokumente, die aus gehackten Handys stammen, deuten nämlich darauf hin, dass Bolsonaro vermutlich nur Präsident werden konnte, weil aus der Justiz heraus von einem ihm geneigten Zirkel gezielt an der Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe des beliebten Ex-Regierungschefs gearbeitet wurde.

Damit wurde Lula im Wahlkampf kaltgestellt und aus dem Rennen ausgeschlossen. In diesem Vorgang spielte der ehemalige Richter Sérgio Moro eine bedeutende Rolle, der Lula ins Gefängnis brachte. Nach dem Wahlsieg des rechtsradikalen und homophoben Politikers wurde Moro von Bolsonaro schließlich zum Justizminister ernannt.

"Knast"-Drohungen gegen den Journalisten

Die Enthüllungen von The Intercept in englischer Sprache sind inzwischen im 8. Kapitel angelangt. Zuletzt wurde ausgeführt, dass gerade die "aggressive Reaktion von Bolsonaro zeigt, wie bedeutsam diese Veröffentlichungen sind". Dass seit zwei Monaten immer neue skandalöse Vorgänge und Details ans Licht der Öffentlichkeit gebracht werden, hatte gerade dazu geführt, dass Präsident Bolsonaro dem Intercept-Mitbegründer und preisgekrönten Enthüllungsjournalisten Glenn Greenwald mit der Inhaftierung drohte.

Allein damit zeigt der Hardliner-Präsident, was er von einer unabhängigen Justiz hält. Er will sie offensichtlich nun im Fall Greenwald einsetzen, um den Kritiker mundtot zu machen. So drohte Bolsonaro nun Greenwald mit "cana" (Knast). Diese Drohung liegt genau auf der Ebene, die auch in den Enthüllungen angesprochen werden. Denn auch die stellen die Unabhängigkeit von Teilen der brasilianischen Justiz massiv in Zweifel.

Jedenfalls drückt Bolsonaro aus, dass Greenwald hinter Gittern gut aufgehoben sein könnte. Er bezichtigt ihn, sich mit der Veröffentlichung der Dokumente strafbar gemacht zu haben, und meint, der Journalist hätte Hacker bezahlt, um die Spitzen an der Regierung und in der Justiz auszuspionieren.

Inzwischen geht man davon aus, dass auch das Handy von Bolsonaro sowie die der Präsidenten der beiden Parlamentskammern, von höchsten Richtern und von Staatsanwälten gehackt worden sind. Verständlich, dass Bolsonaro so nervös ist und derlei Drohungen ausspricht. Er weiß am besten, was er in internen Chats so alles von sich gegeben hat.

Operación Spoofing

Dass sensible Daten an den Enthüllungsjournalisten gingen, hat Walter Delgatti inzwischen zugegeben. Delgatti wurde mit drei weiteren Personen Ende Juli in der "Operación Spoofing" festgenommen. Er räumte derweil ein, Greenwald tatsächlich Material zugespielt zu haben, wies aber zurück, dafür bezahlt worden zu sein. Er kenne den Journalisten nicht persönlich, sondern habe "einen Dropbox-Account eröffnet, das Material hochgeladen und Greenwald das Passwort gegeben". Das sei anonym und gratis geschehen.

Man versteht also, warum Bolsonaro den US-Journalisten gerne festsetzen würde, den er anfänglich einfach abschieben wollte. Nach Beginn der Veröffentlichungen wurde die Kampagne #DeportGlennGreenwald von Bolsonaro-Anhängern losgetreten. Inzwischen weiß aber auch Bolsonaro, dass man den Journalisten nicht einfach rauswerfen kann, und das bringt den Schwulenfeind erst so richtig auf die Palme.

Greenwald ist in Brasilien mit einem Mann verheiratet und hat zudem Kinder adoptiert. Bolsonaro meint, der "Malandro" (Betrüger/Gauner) habe einen "fiesen Trick" angewendet, einen "anderen Malandro geheiratet und Kinder adoptiert", um der Abschiebung zu entgehen.

Nun droht man also dem Journalisten, der längst auch ernstzunehmende Morddrohungen erhält, aus dem höchsten Regierungsamt heraus mit Inhaftierung. Die Frage ist, ob man ihn damit nur einschüchtern will, um weitere Veröffentlichungen zu stoppen. Durch seine Abschiebung könnten weitere Enthüllungen aber nicht gestoppt werden.

Man darf auch davon ausgehen, dass solches auch durch seine Inhaftierung nicht verhindert, sondern bestenfalls verzögert würde. Greenwald hat wahrscheinlich längst notwendige Maßnahmen getroffen, um das Material und weitere Enthüllungen zu sichern.

Der Enthüllungsjournalist kennt sich mit massivem Druck aus und lässt sich auch nicht so leicht einschüchtern. Er hatte sich 2013 einen Namen gemacht, als er noch für den britischen Guardian arbeitete und gemeinsam mit anderen Journalisten die Berichte des ehemaligen Mitarbeiters des US-Geheimdienstes NSA, Edward Snowden, über die Abhörpraktiken des US-Geheimdienstes NSA veröffentlichte.