Die Explosion bei einem Raketentest in Nordrussland bleibt mysteriös

Test einer Zirkon-Hyperschallrakete 2017. Nach Gerüchten könnte es zu einer Panne mit einer solchen Rakete gekommen sein. Bild: Russisches Verteidigungsministerium

Widersprüchliche Meldungen über erhöhte Radioaktivität, die aber nun auch vom Nuklearzentrum bestätigt wurden

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Die CTBTO (Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen) berichtete am Samstag nach Anfragen, dass am 8. August an vier Stationen ein Vorfall registriert wurde, was mit der Explosion im russischen Nyonoksa in der Region Archangelsk übereinstimme. Dort hat sich, wie Rosatom bestätigt hatte, eine Explosion beim Testen von Isotopen-Stromquellen eines Flüssigkeitsraketenantriebs vermutlich für ballistische Raketen am Weißen Meer ereignet, bei der 5 Mitarbeiter getötet worden seien.

Nachdem in der 30 km entfernten Stadt Sewerodwinsk (Severodvinsk) von der Stadtverwaltung vorübergehend erhöhte Radioaktivitätswerte gemessen worden waren, kam es zu teils wilden Spekulationen. Sie wurden verstärkt durch Meldungen, dass sich in der Stadt ein Run auf Jod-Tabletten ereignet hatte (Explosion auf einem russischen Raketentestgebiet sorgt für erhöhte Radioaktivität). Sputnik berichtete am Samstag, Apotheker hätten gesagt, "dass die Nachfrage nach Jod am Donnerstag kurz gestiegen sei, allerdings gebe es weder Ansturm noch Mangel". Zwischenzeitlich soll die Behörde die Mitteilung vom Netz genommen haben.

Die russischen Behörden erklärten jedoch, es habe keine Abweichungen der Hintergrundstrahlung in der Region gegeben. Tatsächlich hat auch das Radioactivity Environmental Monitoring der EU in der Region Sewerodwinsk am 8. August keinen Ausschlag gemessen, die Hintergrundstrahlung lag unter der durchschnittlichen Belastung von 100 Nanosievert die Stunde. Auch die finnische Strahlenbehörde meldete am 9. August, es habe einen Tag zuvor keine erhöhten Radioaktivitätswerte gemessen. Die Katastrophenschutzbehörde der Region erklärte ebenfalls am Sonntag, es habe keine erhöhten Werte gegeben.

Bild: EU

Eine Kopie der Mitteilung der Stadtbehörde zur Messung einer bis zu 2 Mikrosievert erhöhten Radioaktivität für eine halbe Stunde am Mittag hält Greenpeace Russland weiterhin vor. Um 12 Uhr Moskauer Zeit sei das Maximum erreicht worden. Mitgeteilt wurde auch, dass dies kein Risiko darstelle und keine Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssten.

Die fünf Toten sollen posthum Auszeichnungen erhalten, kündigte der Direktor des Nuklearzentrums an. Der Tod der Mitarbeiter sei für das Nuklearzentrum und Rosatom ein schwerer Verlust: "Die Forscher sind Nationalhelden. Sie waren die Elite des russischen Nuklearzentrums und manchmal führten sie Tests unter extrem schwierigen Bedingungen aus."

Kommersant berichtete auch von einer Erhöhung der Werte, die am Samstag wieder zu den Normalwerten zurückgekehrt seien. Die Explosion soll sich auf einem Schiff ereignet haben. Kommersant vermutet, dass das leicht entzündliche und toxische 1,1-Dimethylhydrazin aus dem Raketentreibstoff ausgetreten sei und eine Explosion verursacht habe. Aus diesem Grund sei auch der Zugang zur Bucht von Dvarni für Fischer und Badende verboten worden.

Spekuliert wird weiterhin, nachdem die russischen Behörden schweigen, was wirklich vorgefallen ist und ob doch Radioaktivität ausgetreten ist. Nach Berichten lokaler Medien haben die Leiter des Nuklearzentraums nun doch bestätigt, dass es kurzzeitig zu einer erhöhten Radioaktivität gekommen sei. Konstantin Dobrynin, ein früherer Senator, kritisierte, dass die Bevölkerung nicht ausreichend über den Vorfall informiert wurde und zog eine Parallele zu Tschernobyl. Es habe die Mitteilung über die erhöhte Strahlung gegeben, die auf mysteriöse Weise wieder gelöscht wurde. Gesehen worden sei das Schiff Serebryanka, das radioaktives Material sammelt, in Moskau seien die Verletzten von Begleitern in Schutzanzügen ins Krankenhaus gebracht worden.

Es scheint jedenfalls nur eine schwache Quelle gegeben zu haben, wenn überhaupt. Ein Nuklearantrieb dürfte es wohl nicht gewesen sein, wie spekuliert wurde. Wenn der Antrieb einer Rakete getestet wurde, dann sicher auch ohne den - vielleicht nuklearen - Sprengkopf. Eine Explosion eines Flüssigkeitsraketenantriebs ist möglich, sie würde aber keine Radioaktivität freisetzen. Möglicherweise wurde durch die Explosion ein radioaktives Gerät beschädigt, vermutet ein Experte. Ein Leser von Telepolis führt an, dass für Triebwerke an Militärflugzeugen radioaktive Temperatursensoren eingesetzt werden. Es könnte sich also auch um so etwas handeln.