Wie kann die Industrie zur Sicherung der deutschen Stromversorgung beitragen?

Symbolbild: TP

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Industriebetriebe von Stromanbietern zu Stromkunden - das muss nicht so bleiben

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Je nach Bundesland gehen in Deutschland 75 - 80 Prozent der öffentlichen Stromversorgung an Industriebetriebe, die meist neben Strom auch Prozesswärme benötigen. Die Zeit, als die Industrie nur Konsument der von der öffentlichen Stromversorgung bereitgestellten Energie war, dürfte sich jedoch dem Ende zu neigen.

Die Stromversorgung, die in zunehmendem Maße von den Erneuerbaren geprägt wird, die zwar durchaus prognostizierbar, aber dennoch volatil auftreten, benötigen, abgesehen von Speichern auf der Nieder- und Mittelspannungsebene auch weitere Flexibilitäten, um das deutsche Stromnetz stabil zu halten. Langezeit setzte man große Hoffnungen auf zusätzliche Pumpspeicherkraftwerke. Deren Realisierung ist in der jüngeren Vergangenheit einerseits an den steigenden Baukosten und andererseits an den Einsprüchen von Anliegern und Umweltverbänden gescheitert.

Auch wenn sich der Zubau von Erneuerbaren in Deutschland inzwischen deutlich verlangsamt hat, wird sich der Bedarf an Flexibilitäten weiter erhöhen. Auch die Zahl der kritischen Netzzustände dürfte weiter ansteigen. Da die bestehende Kapazitäten der Speicher dies nicht ausgleichen kann und vor Allem die vielfach noch ausstehende Anbindung der Offshore-Windparks und ihre Bündelung auf wenige Übertragungsleitungen im Falle eines Ausfalles deutlich umfangreicher Ausgleichsmaßnahmen benötigt, als bisher verfügbar sind, können abschaltbare Lasten hier sich Sicherung des Stromversorgungssystems beitragen.

Bislang noch gar nicht gehoben sind die Möglichkeiten, im Falle von Stromproduktionsspitzen zuschaltbare Lasten ins Netz zu nehmen, anstelle diese Mengen gegen Bezahlung in ausländische Netze zu liefern, was nicht alle Nachbarländer erfreut und beispielsweise in den Niederlanden die Wirtschaftlichkeit von Gaskraftwerken deutlich beeinträchtigt hat.

Flexibilitäten in der Industrie

Hier kommen derzeit im Wesentlichen die sogenannten abschaltbaren Lasten ins Spiel. Man unterscheidet hier zwischen schnell abschaltbaren Lasten (SNL) und sofort abschaltbaren Lasten (SOL). Nun ist die Bereitstellung von Flexibilitäten nicht das Hauptgeschäftsfeld von Industriebetrieben. Eine Beteiligung am Markt für Flexibilitäten benötigt in der Regel Prozessanpassungen, organisisatorische Optimierungen und nicht zuletzt betriebsinterne Überzeugungsarbeit.

Dafür wird nicht zuletzt Zeit und somit ein ordentliches Maß an Vorlauf benötigt. Wenn sich die Ernergiepolitik jetzt davon enttäuscht zeigen sollte, dass die Industrie nicht sofort Flexibilitäten in großem Umfang bereitstellt, dann sollte sie berücksichtgen, dass die Bereitstellung von Flexibilitäten, hier also zumeist Lastabwurf, in Konkurrenz zur Produktion von Waren steht. Diese Waren können dann für einen bestimmten Zeitraum am gegebenen Standort nicht produziert werde. Das bedeutet Produktionsverzicht oder Produktionsverlagerung. Zudem eignen sich nur Prozesse für eine Unterbrechung, die danach problemlos wieder hochgefahren werden können. Glasschmelzen, die beim Abschalten zu starren Blöcken erkalten, zählen in der Regel nicht dazu.

Wenn jetzt nach gerade mal zwei Jahren festgestellt wird, dass man die bislang von industriellen Produktionsbetrieben bereitgestellten Flexibilitäten bei weitem nicht habe ausnutzen können und das Ausschreibungsvolumen absenken will, dürfte das zahlreiche Unternehmen davon abschrecken, sich für die Bereitstellung von Flexibilitäten präqualifizieren zu lassen, denn der betriebliche Aufwand für solch ein Präqualifikationsverfahren (PQ) ist beachtlich und längst nicht jedes Verfahren wird erfolgreich abgeschlossen.

Ein nicht zu übersehendes Hindernis besteht in der Tatsache, dass sich die Bedingungen für die PQ nicht einheitlich sind. Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass SNL und SOL nur auf Spannungsebenen erfolgen können, die über nicht mehr als zwei Umspannungen mit dem Höchstspannungsnetz verbunden sind. Somit können in der Praxis bestehende Abschaltleistungen in anderen Spannungsebenen bislang gar nicht berücksichtigt werden, obwohl sie faktisch verfügbar wären.

Das Angebot von Industriebetrieben, abschaltbare Leistungen bereitzustellen ist jetzt nicht von überbordendem Altruismus getrieben, sondern nicht zuletzt von der Tatsache, dass die Versteigerung von abschaltbaren Leistungen durchaus ein marktgängiges Werkzeug ist. Die Entschädigungen bei erzwungenen Abschaltungen ist nämlich auf 5.000 Euro begrenzt.

Da der Redispatchbedarf und somit auch der Bedarf an Redispatchbackup infolge des steigenden Anteils an mehr oder weniger volatilen Einspeisungen der Erneuerbaren weiter steigen dürfte, erscheint es sinnvoll hier künftig die Möglichkeiten und Angebote der Industrie stärker einzubinden. Hier müssen die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber künftig auch stärker auf die potentiellen Anbieter von Flexibiltäten zugehen, dann steigen die Chancen, dass das deutsche Stromnetz weiterhin eines der stabilsten in Europa bleibt.

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