Gerichtsurteil: WikiLeaks ist durch den Ersten Verfassungszusatz geschützt

Bild: WikiLeaks-Shop

Die Demokraten scheitern mit einer Klage gegen Assange und der Trump-Kampagne wegen einer angeblichen Verschwörung, gehackte Dokumente zu Ungunsten von Hilary Clinton verbreitet zu haben

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Julian Assange (47), der Mitbegründer von WikiLeaks, sitzt seit der Festnahme im April noch immer isoliert im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Ihm droht weiterhin die Auslieferung an die USA, wo man ihn als Spion anklagen und lebenslang wegsperren will. Ob Großbritannien ihn ausliefern wird, ist noch nicht entschieden, man muss es vermuten, zumal wenn der Brexit erfolgt und die britische Regierung noch näher an die USA heranrücken wird, um wieder zum Pudel der USA zu werden. Das Verfahren soll nächstes Jahr im Februar stattfinden - genügend Abstand zum Brexit.

Assange ist krank, wie im Mai bekannt wurde, als seine Anwälte erklärten, dass er nicht an einer Vernehmung der schwedischen Staatsanwaltschaft mittels einer Videokonferenz teilnehmen könne und in die Krankenabteilung des Gefängnisses verlegt wurde. Sein Anwalt Per Samuelson sagte, er sei nicht imstande, ein normales Gespräch zu führen. Schon während seines siebenjährigen Aufenthalts in der ecuadorianischen Botschaft ging es ihm gesundheitlich immer schlechter.

Psychologischer Terror

Genutzt hat auch nichts, dass Nils Melzer, der Sonderberichterstatter des Hochkommissariats für Menschenrechte bei den Vereinten Nationen, der Assange mit zwei Medizinern am 9. Mai im Gefängnis besucht hatte, in der am 31. Mai 2019 bekannt gegebenen Beurteilung zum Schluss kam, dass seine Einsperrung als "psychologischen Folter" gelten müsse. Entsetzt schrieb Melzer: "In 20 Jahren Arbeit mit Opfern von Krieg, Gewalt und politischer Verfolgung habe ich noch nie erlebt, dass sich eine Gruppe demokratischer Staaten zusammenschließt, um ein einzelnes Individuum so lange Zeit und unter so geringer Berücksichtigung der Menschenwürde und der Rechtsstaatlichkeit bewusst zu isolieren, zu verteufeln und zu missbrauchen."

Er zweifelte daran, ob Assange einen fairen Prozess erhalten werde, nachdem das US-Justizministerium eine Anklage über 18 Straftatbestände mit einer Gefängnisstrafe von 175 Jahren vorgelegt hatte. Die Anklage bezieht sich auf die Veröffentlichung geheimer Dokumente, die Assange von Manning im Rahmen einer Verschwörung erhalten hat. Chelsea Manning wurde von Barack Obama begnadigt und sitzt nun in Beugehaft, um sie zu zwingen, gegen Assange auszusagen.

Auszuschließen sei nicht, schreibt Melzer, dass nicht noch weitere Anklagen erfolgen könnten, beispielsweise nach der Auslieferung, um ihn doch noch mit der Todesstrafe zu liquidieren. Nachdem die USA auch Foltervorwürfen nicht nachgegangen seien, gebe es auch Sorgen, dass Assange Folter ausgesetzt werde könnte. Melzer hatte einen entsprechenden Brief an die amerikanische, britische, ecuadorianische und die schwedische Regierung geschickt. Ende Juli kamen die Antworten, die Regierungen (Schweden, USA) hatten nichts zu beanstanden, alles gehe seinen Rechtsweg.

Der chinesische Künstler Ai Weiwei hatte Assange am 11. Juni im Gefängnis besucht und ebenfalls von dessen sich verschlechternder Gesundheit berichtet. Der Journalist und Filmemacher John Pilger besuchte Assange Anfang August und berichtete ebenfalls, dass Assange immer kränker wird: "Schlimmer als ein Mörder behandelt wird er isoliert, erhält er Medikamente und werden ihm die Mittel verweigert, die erschwindelten Anklagen für eine Ausweisung an die USA zu bekämpfen. Ich habe jetzt Angst um ihn. Vergesst ihn nicht."

Niederlage der Demokraten in Klage gegen Assange und Trump

In den USA wurde Assange gerade vom Bezirksgericht des Southern District of New York von Vorwürfen entlastet. 2018 hatte das Democratic National Committee (DNC) eine Klage gegen Donald Trump und einige Wahlkampfhelfer, Russland und Assange/WikiLeaks eingereicht. Russland wird vorgeworfen, in Computer der Demokraten gehackt und die gestohlenen Emails vor allem über WikiLeaks veröffentlicht zu haben, was Hillary Clinton geschadet habe. Vermutet worden war, dass Assange dabei mit den russischen Hackern konspiriert haben könnte und dass das Trump-Wahlkampfteam, vielleicht auch Trump selbst, damit mit im Spiel waren oder vorab davon wussten.

Richter John G. Koeltl, der seiner Zeit von Bill Clinton berufen worden war, kam in seinem Urteil zu dem Schluss, dass die primären Täter "unzweifelhaft" die Russische Föderation gewesen sei. Zahlreiche gestohlene Informationen seien aber nicht weitergegeben worden. Allerdings könne Russland für Regierungshandeln nicht vor amerikanischen Gerichten angeklagt werden. Ebenso könne die US-Regierung nicht im Ausland angeklagt werden. Man könne hier höchstens mit Sanktionen handeln.

Die an zweitrangiger Stelle Angeklagten werden beschuldigt, mitgeholfen zu haben, die gestohlenen Dokumente zu verbreiten. Sie seien zwar am Hack nicht beteiligt gewesen, sie hätten aber die russische Aktion aktiv unterstützt und sie für gut geheißen. Überdies gab es Treffen, die nahelegen würden, dass die Angeklagten sich mit der Russischen Föderation verschworen haben, um das Material zu stehlen und zu veröffentlichen.

Es habe eine Kommunikation zwischen Assange und Guccifer 2.0 gegeben, Assange soll gebeten haben, einige der gestohlenen DNC-Dokumente zu erhalten. Guccifer 2.0 hatte sich als rumänischer Hacker ausgegeben, für den DNC war er aber ein russischer Geheimdienstagent. Er soll Assange Hinweise gegeben haben, die Daten herunterzuladen, überdies hätten GRU-Agenten WikiLeaks die Daten zugeschickt, die im April 2016 gehackt wurden. Assange habe versprochen, die Dokumente vor dem demokratischen Parteikonvent zu veröffentlichen, was auch geschah. Roger Stone, ein Berater Trumps, soll wiederum in Kontakt mit Assange und Guccifer 2.0 gestanden haben, etc. Der Richter stellt die Behauptungen der Kläger auch im Folgenden weiter dar, ohne sie zu bewerten.

Koeltl verweist auf den Ersten Verfassungszusatz, der u.a. die Rede- und Pressefreiheit schützt und verhindert, Assange und die anderen Angeklagten, die der Verbreitung beschuldigt werden, anzuklagen, genauso wie Medien nicht wegen der Veröffentlichung von Materialien nicht angeklagt werden können, so lange sie nichts Illegales beim Erhalt von diesen begangen haben. Es gebe einen wichtigen Unterschied zwischen dem Stehlen von Dokumenten und dem Verbreiten, und es kommt nicht darauf an, ob jemand Journalist oder ein Bürger ist.

Zwar nennt er die Anschuldigungen des DNC "plausibel", aber sie würden nicht ausreichen, um die Beschuldigten anzuklagen, zumal der DNC nicht behauptet und mit Beweisen belegt, Assange oder andere der Beschuldigten hätten am Diebstahl teilgenommen oder vorab davon gewusst. Nach der Verfassung wäre es auch nicht von Belang, ob Assange wusste, dass Russland die Dokumente gestohlen und sie angefordert hatte, solange er am Diebstahl nicht mitgewirkt hat. WikiLeaks könne auch nicht als "Mitverschwörer nach der Tat" belangt werden.

Der DNC behauptet, das Vorgehen gegen WikiLeaks würde die Pressefreiheit nicht tangieren, da WikiLeaks keine "normalen journalistischen Praktiken" befolgt, sondern beispielsweise "ausländische Geheimdienste bittet, 'neue Materialien' von amerikanischen Zielen zu stehlen", so der DNC. Der Richter verweist allerdings darauf, dass der DNC doch nur behauptet, dass Assange Guccifer 2.0 gebeten hat, ihm Dokumente zu senden: "Das war", so der Richter, "keine Aufforderung, Dokumente zu stehlen, sondern gestohlene Dokumente zu schicken. Journalisten ist es erlaubt, gestohlene Dokumente anzufordern und diese zu veröffentlichen."

Die Klage der Demokratischen Partei wurde von Koeltl ebenso wie die der Trump-Wahlkampagne gegen den DNC abgewiesen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.