Waffengeschäfte im Auftrag des SOCOM

Granaten von Krusik in einem al-Nusra-Video

Nach geleakten Dokumenten wurden massenweise aus Osteuropa über komplizierte Wege Waffen und Munition, die vom US-Militär nicht verwendet werden, nach Syrien und in den Irak gebracht - auch mit diplomatischen Flügen

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Nach geleakten Dokumenten hat eine Einheit mit dem Namen "Task Force Smoking Gun" des US Special Operations Command (SOCOM), die seit 2017 in der kroatischen Stadt Podhum stationiert ist, Tonnen an Waffen und Munition aus Osteuropa nach Syrien gebracht. Während das milliardenschwere CIA-Programm zur Ausbildung und Bewaffnung "gemäßigter" syrischer Kämpfer, die Operation Timber Sycamore, wegen Misserfolgs im Sommer 2017 von US-Präsident Donald Trump eingestellt wurde, scheint das SOCOM weiterhin mit der Lieferung von Waffen meist aus Serbien und Bulgarien nicht nur für die Kurden der SDF beschäftigt zu sein. Schon bei Operation Timber war deutlich geworden, dass die Waffen letztlich bei al-Nusra landeten (oder landen sollten?).

Die von ArmsWatch veröffentlichten Dokumente sollen Waffendeals zwischen der US-Regierung und dem staatlichen serbischen Rüstungskonzern Krusik belegen, die dazu dienten, "non-standard"-Waffen sowjetischer Bauart, die nicht mit den USA in Verbindung gebracht werden können, für das Pentagon-Programm zur Ausbildung und Ausrüstung von "gemäßigten" Kämpfern in Syrien zu besorgen und mit Flugzeugen der amerikanischen Firmen Atlas Air und Kalitta Air über Katar zu liefern. Das geht aus Verträgen, Emails, Memos, Fotos, Waffenlisten mit Nummern und ihren Käufern hervor.

Ganz neu ist das nicht, solche Waffenlieferungen wurden vom Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) mit dem Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) schon 2017 aufgedeckt (Waffentransporte vom Balkan über Saudi-Arabien nach Syrien). Bekannt wurde dadurch auch, dass SOCOM ab Mai 2015 zum Mitspieler wurde. Aber jetzt kommen neue Einzelheiten über Organisation, Mithelfer und Transportwege hinzu.

ArmsWatch, gegründet von der bulgarischen Journalistin und Nahost-Korrespondentin Dilyana Gaytandzhieva, hat sich zur Aufgabe gemacht, über Waffenlieferungen in Konfliktgebiete aufzuklären. Angestoßen wurde ihre investigative Arbeit, als sie während des Kampfs um Aleppo 2016 auf vollgefüllte Waffenlager von al-Nusra/HTS stieß. Die Waffen, darunter Grad-Raketen und Sprengköpfe, hergestellt von der Vasovschen Maschinenfabrik (VZM) in Sopot, stammten aus Bulgarien. Im Zuge ihrer Nachforschungen erhielt sie 2017 von Anonymous Bulgaria geleakte Dokumente aus der Botschaft von Aserbeidschan zugespielt, nach denen es eine Luftbrücke für Waffen aus dem Balkan nach Saudi-Arabien gibt.

Die staatlich aserbaidschanische Fluggesellschaft Silk Way Airlines hat zwischen 2014 und 2017 nach den geleakten Dokumenten im Auftrag des Pentagon, von Saudi-Arabien und der Vereinigten Arabischen Emirate um die dreihundertfünfzig Flüge unter diplomatischem Status ausgeführt. Die diplomatischen Flüge, genehmigt von der bulgarischen Regierung, um die Geschäfte für die bulgarischen Rüstungsunternehmen VMZ, Arsenal und Dunarit zu sichern, haben den Vorteil, dass sie nicht kontrolliert werden.

Flugzeuge der amerikanischen Firma Kalitta Air, die im Auftrag Waffen u.a. nach Katar transportiert haben sollen, auf dem Flughafen von Rijeka auf Krk.

Benutzt wurde dazu ab 2017 auch der Flughafen von Rijeka auf Krk, nachdem das Pentagon Ende Dezember 2016 den Firmen, die mit den Lieferungen befasst waren, die Waffen nicht mehr über Deutschland lieferte, da man dort heikel geworden sei. So war im September 2016 bulgarische Munition im Wert von 16 Millionen US-Dollar für Kämpfer in Syrien und im Irak bestellt worden. Sie sollten, wie aus einem Dokument hervorgeht, zuerst über Deutschland geliefert werden, wurden dann nach Krk umgeleitet. Zudem gab es eine Schiffverbindung zwischen Bulgarien und Dschidda, über die ebenfalls Waffen geliefert worden seien.

Dilyana Gaytandzhieva sagt, sie habe ihren Job bei der Tageszeitung Trud verloren, als sie 2017 über die Waffenlierungen mit diplomatischen Flügen berichtet hatte. Nach einer Vernehmung durch den bulgarischen Geheimdienst sei sie wohl auf Druck aus Aserbeidschan entlassen worden, was freilich der Trud-Besitzer, der auch Chefredakteur ist, bestreitet.

Waffen-Deals mit vielen Zwischenhändlern

Die von Serbien stammenden Waffen wurden, wenn die geleakten Dokumente authentisch sein sollten, von den amerikanischen Firmen Sierra Four Industries, Orbital ATK, Global Ordnance und UDC gekauft. Sie sollten im Auftrag des Pentagon solche Waffen besorgen, die nicht vom US-Militär benutzt werden. Nach geleakten Pässen scheinen US-Regierungsangehörige und Auftragnehmer die Waffen bestellt, überprüft und angenommen zu haben, einige wurden auch wegen ihres Engagements für das syrische und irakische Trainings- und Ausrüstungsprogramm zur Bekämpfung des IS vom Central Command ausgezeichnet. Genauer für das Besorgen von "non-standard ammunition", die vom US-Militär nicht verwendet wird, aus osteuropäischen Ländern.

Auch ein britischer Waffenhändler scheint 2016 beteiligt gewesen zu sein, Tausende von Granaten vom serbischen Rüstunskonzern Krusik über Kuwait im Auftrag einer amerikanischen Firma angeblich an das irakische Verteidigungsministeriums zu liefern. Die Zahlung erfolgte allerdings über eine andere britische Firma. Krusik sagte nach den Dokumenten allerdings, man brauche eine Genehmigung der serbischen Regierung, als Empfänger wurde hier Rumänien genannt. Es müsse klargestellt werden, dass die Waffen in auch in Rumänien bleiben und zu welchem Zweck sie benutzt werden sollen. Es ging offenbar auch ohne.

Nach dem geleakten Vertrag wurde dieser jedoch zwischen der amerikanischen Firma Sierra Four Industries und Krusik abgeschlossen, die Zahlung der fast 8 Millionen US-Dollar folgte über die ansonsten nicht weiter beteiligte britische Firma. Noch komplizierter macht die ganze Angelegenheit, dass die unter diesem Vertrag beim US Federal Contracts Registry für SOCOM angegebene Summe fast 14,5 Millionen beträgt. Sind da 6,5 Millionen unterschlagen worden?

Granaten von Krusik in einem Waffenlager von Militanten, das im Juni 2019 von der syrischen Armee gefunden wurde.

Die Waffen scheinen nach geleakten Emails nach Kroatien in ein US-Militärdepot in der Nähe des Flughafens von Rijeka, nicht nach Rumänien oder Kuwait gebracht worden zu sein. Von dort wurden sie von den zwei amerikanischen Fluggesellschaften nach Katar zum Luftwaffenstützpunkt Al Udeid transportiert, mitunter mit derselben Flugnummer wie CMB514, sodass manche Flüge nicht mehr nachträglich verifiziert werden können. Zwischen November 2017 und Januar 2018 wurden fast 100.000 Granaten von Serbien nach Kroatien in das SOCOM-Waffenlager gebracht.

Nach den Dokumenten waren auch andere Firmen an Waffendeals beteiligt, die wohl unter der Hand laufen sollten und bei denen die Endempfänger nicht angegeben sind. Einmal war es das US Baghdad Diplomatic Support Center. Eine amerikanische Firma, die für das Pentagon arbeitet und an Lieferungen von Krusik über Jugoimport SDPR beteiligt war, verlangte in Emails, dass ihr Name nirgendwo auf den Lieferungen auftauchen darf.

Granaten des serbischen Herstellers könne man auch auf Propagandafilmen von al-Nusra öfter erkennen. Zuletzt wurden solche in einem unterirdischen Waffenlager in Al Houla in Homs gefunden, das von Militanten benutzt wurde.

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