Neue italienische Regierung rechnet beim Haushalt mit günstig gesonnener EU

Grafik: TP

Das Defizit für 2020 könnte mit 2,3 Prozent fast so hoch werden wie das, das die Kommission im letzten Jahr ablehnte

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Nachdem am Montag die Abgeordnetenkammer das neue italienische Kabinett genehmigte, tat das gestern Abend auch die zweite Parlamentskammer, der Senat. Hier hatte sich die Koalition aus M5S und sozialdemokratischer PD dadurch eine Mehrheit gesichert, dass sie Roberto Speranza von der PD-Abspaltung Liberi e Uguali den Posten des Gesundheitsministers übertrug.

Über die Pläne der neuen Regierung, die nun offiziell angegangen werden können, wollen italienische Medien inzwischen etwas mehr erfahren haben als das, was Ministerpräsident Giuseppe Conte und die Politiker der beiden Koalitionsparteien bislang offiziell offenbarten.

Brisantester Bestandteil der auf "Insider" gestützten Berichte darüber ist eine angeblich für 2020 geplante Neuverschuldung in Höhe von 2,3 Prozent. Sie wäre 0,26 Punkte höher als die, die die EU-Kommission für den letzten Haushalt erzwang und fast so hoch wie die damals eigentlich vorgesehenen 2,4 Prozent, die Brüssel nicht akzeptieren wollte (vgl. Entscheidung mit dem Hintergedanken, eine Regierung loszuwerden, die unbequem ist?).

"Expansive Wirtschaftspolitik" angekündigt

So eine höhere Neuverschuldung wäre insofern nicht überraschend, als die angekündigte "expansive Wirtschaftspolitik" mit neuen Staatsleistungen für Familien, Behinderte, Mieter, Schulen, Universitäten und süditalienischen Regionen sonst nur dann finanzieren ließe, wenn anderswo in einer Größenordnung von etwa 23 Milliarden Euro gekürzt würde. Darauf, dass man letzteres eher nicht im Sinn hat, weisen Sätze wie der hin, dass die "exzessive Strenge" in der Haushaltspolitik überwunden werden solle und "Regeln nötig [seien], die sich auch am Wachstum und nicht bloß an der Stabilität orientieren".

Trotzdem rechnen sowohl italienische als auch deutsche Medien damit, dass Brüssel einen 2.3-Prozent-Defizit-Haushalt akzeptieren wird. Tobias Kaiser, der Brüssel-Korrespondent der Tageszeitung Die Welt, erklärt das zum einen mit dem neuen italienischen Wirtschafts- und Finanzminister Roberto Gualtieri und dessen "Übung im Umgang mit Brüssel" (vgl. EU-Währungspolitiker Gualtieri ist neuer italienischer Finanzminister) und zum zweiten damit, dass den Tonangebern in der EU dessen sozialdemokratische PD an der Regierung wesentlich lieber ist als die vorher mitregierende Lega von Matteo Salvini. Auch deshalb, weil man sich von ihr eine brüssel- und berlinkonformere Migrationspolitik erwartet.

Ähnliche Erwägungen wie im Falle Frankreichs

Friedrich Heinemann, der Leiter des Bereichs Öffentliche Finanzen am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, sagte der Zeitung in diesem Zusammenhang: "Als Salvini noch an der Regierung beteiligt war, hatte die Kommission gar kein Problem damit, alle Sanktionsinstrumente auszupacken, aber jetzt dürfte die Angst groß sein, der Lega zu helfen, wenn Sanktionen verhängt werden". Aus ähnlichen Erwägungen habe die Kommission auch dem französischen Staatspräsidenten sein eigentlich EU-regelwidriges Rettungsprogramm vor den Gelbwesten genehmigt (vgl. Italien und Frankreich: Haushaltsdefizite im Vergleich).

Dass die neue EU-Kommission ähnlich handeln wird, ließ deren designierte Präsidentin Ursula von der Leyen mit Äußerungen wie der durchblicken, dass es in den Stabilitätsregeln "Spielräume" gebe, "um Investitionen und Wachstum zu ermöglichen". Einem bislang nicht von der deutschen Bundesregierung dementierten Bericht des Giornale zufolge sagte Angela Merkel einem hochrangigen Politiker der PD solch eine Flexibilität bei der Interpretation sogar explizit zu, als sie mit ihm kurz vor dem Ende der letzten Regierung in Rom telefonierte. Merkels Sprecher war für eine Stellungnahme dazu gestern nicht erreichbar.

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