Designierter EU-Steuerkommissar will "Web Tax" über OECD oder G20 durchsetzen

Grafik: Pixabay

Paolo Gentiloni droht mit einem Brüsseler Alleingang, falls er sich außerhalb Europas nicht durchsetzen kann

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Paolo Gentiloni, der designierte EU-Kommissar für das neue Ressort "Wirtschaft, Steuern und Zollunion" (vgl. Frankreich bekommt Binnenmarkt, Verteidigungsindustrie und Raumfahrt), ist für diesen Posten von der neuen italienischen Regierung nominiert worden. Das erste Projekt, dessen Durchsetzung er öffentlich angekündigt hat, ist aber eines des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron: Die Einführung einer "Web Tax", einer "Digitalsteuer".

Sie soll dafür sorgen, dass Länder, in denen sich keine Unternehmen wie Google, Facebook und Amazon entwickelten, ein Stück vom Gewinn abbekommen, den solche Konzerne erwirtschaften. Das soll dadurch geschehen, dass Steuern nicht mehr nur am jeweiligen Firmensitz erhoben werden, sondern dort, wo die Kunden der Konzerne ihren Standort haben, die bei ihnen Werbung schalten oder andere Dienstleistungen in Anspruch nehmen.

Französischer Halbrückzieher

Im Frühjahr und Sommer hatte Macron versucht, eine dreiprozentige Digitalsteuer in Frankreich auf nationaler Ebene durchzusetzen (vgl. Frankreich verabschiedet nationale Digitalsteuer). Ein dafür verabschiedetes Gesetz sollte für alle Internetunternehmen gelten, die wenigstens 25 Millionen von mindestens 750 Millionen Euro Jahresumsatz in Frankreich erwirtschaften.

Dass diese Konstellation vor allem auf amerikanische Internet-Unternehmen abzielt, blieb weder diesen Unternehmen noch US-Präsident Trump verborgen. Trump beauftragte deshalb seinen Handelsbeauftragten Robert Lighthizer mit einer Untersuchung der Sache. Für den Fall, dass dabei eine unfaire Diskriminierung amerikanischer Unternehmen in Frankreich festgestellt werden sollte, drohte er unter anderem mit einer kräftigen Importzollerhöhung auf Frankreichs wichtiges Exportgut Wein.

Macron verkündete daraufhin am 26. August, dass er die bereits verabschiedete Steuer wieder abschaffen und im nächsten Jahr durch eine "internationale Lösung" ersetzen wolle. Darauf habe er sich mit Donald Trump beim G7-Gipfel im baskischen Biarritz geeinigt. Bis dahin gezahlte Steuern, die über diese internationale Einigung hinausgingen, werde man den Konzernen zurückerstatten (vgl. Französische Digitalsteuer: Trump und Macron erzielen Einigung).

Heimvorteil

Bereits damals deutete der französische Staatspräsident an, dass er sich die internationale Einigung auf eine Digitalsteuer als Abkommen im Rahmen der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) vorstellt. Auch Gentiloni nannte der italienischen Zeitung La Stampa die OECD als erste Adresse seiner dementsprechenden Sondierungsbemühungen, fügte aber noch die G20 hinzu, die Organisation der größten Industrie- und Schwellenländer.

In der OECD sind aktuell 36 Länder vertreten - 16 mehr als bei den G20. Hier haben auch kleinere, aber wirtschaftlich gut entwickelte Länder wie die Schweiz, Österreich, Tschechien, Ungarn, Polen, Israel, Norwegen oder Chile eine Stimme. Bis auf Malta und Zypern gehören alle EU-Mitgliedsländer der OECD an, wo sie mit aktuell 26 die Mehrheit stellen, weshalb Gentiloni in dieser Organisation wahrscheinlich mit einem Heimvorteil rechnet. Bei den G20 sind neben den G7-Ländern USA, Japan, UK, Deutschland, Frankreich, Italien und Kanada die Giganten China und Indien sowie Russland, Südkorea, Australien, Brasilien, Argentinien, Mexiko, Saudi-Arabien, Indonesien, Südafrika und die Türkei Mitglied. Hier verfügt die EU über einen zusätzlichen Sitz als Organisation.

Finden sich im nächsten Jahr weder in der OECD noch bei den G20 Mehrheiten für eine internationale Web Tax, plant Gentiloni seinen eigenen Angaben nach einen Alleingang der EU. Ob er das auch noch dann macht, wenn Donald Trump wiedergewählt wird und damit nicht einverstanden ist, wird sich zeigen.

Gut möglich ist jedoch, dass eine Web Tax im nächsten Jahr Bestandteil eines größeren Einigungspakets zwischen Washington und Brüssel wird, das auch Zölle auf nicht digitale Güter (vgl. Deutscher Wirtschaftsminister bietet USA Abschaffung der europäischen Autoimportzölle an) und den Umgang mit der von Facebook geplanten internationalen Digitalwährung Libra umfasst, die europäischen Negativzinsplänen einen Strich durch die Rechnung machen könnte (vgl. Französischer Finanzminister will Facebook-Währung Libra europaweit verbieten).

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