Das Medien-Imperium schlägt zurück

Die Historikerin Ute Daniel scheint die Mainstream-Kritik von Uwe Krüger elitenfreundlich umzudeuten

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Ute Daniel, Professorin für Neuere Geschichte, gilt als Expertin für Mediengeschichte und legte 2018 laut Klappentext eine Abhandlung zur Beziehung von Medien und Politik vor, die sich "sowohl jenseits populistisch ausgerichteter Kritik als auch jenseits kritikloser Idealisierung" bewegen soll. Bereits diese anpreisende Kennzeichnung lässt jedoch Ungutes ahnen: Warum soll Kritik an Politik und Medien unter dem Verdacht stehen, "populistisch" zu sein, nicht aber deren Idealisierung? Bei letzterer soll offenbar genügen, nicht völlig kritiklos zu sein, was, das sei vorweg genommen, Ute Daniel leider nur ansatzweise gelingt.

Ihren Ansatz könnte man vielmehr als affirmative Elitenforschung bezeichnen, insbesondere weil er eine in heutigen Mediengesellschaften hoch umstrittene Schnittmenge der Medien- und Machteliten betrifft - ohne dabei die aktuelle Kritik an dieser wirklich aufzugreifen. Insbesondere scheute Ute Daniel eine offene Auseinandersetzung mit den Forschungsergebnissen von Uwe Krüger, obgleich sie - unserer Meinung nach - im Kern ihrer Studie nicht über eine Wiederholung von Krügers Erkenntnissen hinauskommt. Sie bemüht sich lediglich, diese umzuwerten, ganz im Sinne der von Krüger kritisierten Machteliten.

Medienkritik wird mit "Verschwörungstheorie" gleichgesetzt

Vielmehr begnügt Ute Daniel sich damit, sogar profilierte akademische Kritiker einer allzu engen Beziehung von Macht- und Medieneliten nicht nur als "populistisch", sondern sogar als "Verschwörungstheorie" abzuqualifizieren: Den bekannten Publizistik-Wissenschaftler Uwe Krüger, dessen Forschungen zum Medien-Mainstream bereits zu einem handfesten Medienskandal führten, meint Ute Daniel in der dritten Fußnote ihrer Einleitung mit acht Worten abhandeln zu können, die ihn immerhin als ein "Beispiel für fundiertere Polemik" hinstellen. Das damit vollzogene Polemisieren seitens Ute Daniel kann schwerlich für sich das Prädikat "fundiert" beanspruchen.

Dies ist umso dreister als die Essenz des von Ute Daniel reklamierten Erkenntnisgewinns, das von ihr so genannte "Vertraulichkeitskartell", kaum mehr ist als eines der Forschungsergebnisse von Uwe Krüger: neu aufgetischt freilich in weichgespülter, den Eliten nunmehr schmeichelnder Form.

In seinem Buch "Mainstream" beschreibt Uwe Krüger 2016 das Verhältnis zwischen Alpha-Journalisten und Politik als Symbiose, bestimmt vom Tauschgeschäft "Information gegen Publizität". Der Journalist bekommt Informationen und verschafft im Gegenzug seiner Quelle (oder deren Anliegen) Öffentlichkeit, eine gefährliche Nähe, so Krüger, welche die demokratische Funktion der Medien untergräbt.

Dagegen beschreibt Ute Daniel 2018 so "...was ich Vertraulichkeitskartell nenne: eine Beziehung wechselseitiger Abhängigkeit zwischen Politikern und Journalisten, in die von politischer Seite vertrauliche Informationen eingebracht werden, auf welche der politische Journalismus angewiesen ist, was umgekehrt eine mehr oder weniger explizite Verpflichtung impliziert, sich erkenntlich zu zeigen... Die Beziehungsform des Vertraulichkeitskartells ist nicht zwingend, sie ist nur aus nachvollziehbaren Gründen üblich..." (S.380)

Das Dilemma der Mainstream-Medien

Ute Daniel bleibt damit analytisch hinter Krüger zurück, dessen kritische Ergebnisse sie nur affirmativ umdeutet. Warum bekommen manche Journalisten Zugang zu diesem Kartell, andere aber nicht? Bei Daniel finden sich dazu kaum Ideen, wohl aber bei Uwe Krüger: Entscheider aus Politik und Wirtschaft, so Krüger, geben Hintergrundwissen, Exklusivinformationen oder Interviews am ehesten Journalisten, "mit denen sie auf einer Wellenlänge liegen und von denen sie keine ernsthafte Gefahr für die eigene Position befürchten müssen". Wer vom Habitus her kompatibel mit den oberen Schichten ist, so Krüger, habe daher größere Chancen auf eine Karriere im Journalismus - vor allem in Mainstream-Medien, die den Anspruch haben, das Geschehen im "Entscheidermilieu" abzubilden, und daher auf Quellen in den höheren Etagen angewiesen sind. Faktenreich und kritisch, was keineswegs gleichzusetzen ist mit "polemisch", zeichnet Krüger so den bedenklichen Verlust der Medien an Distanz zu jenen Machteliten nach, deren Aktivitäten sie als "Vierte Gewalt" eigentlich einer Kontrolle durch die Öffentlichkeit aussetzen sollten.

Auch bei Ute Daniel wird an einer Stelle "die Gefahr der zu großen Nähe zum politischen Betrieb" erwähnt, in welcher der Journalismus schwebt (so viel ist vielleicht bei ihr nach Lektüre von Uwe Krüger hängengeblieben). Doch die Medienhistorikerin sieht diese Gefahr ganz aus der Perspektive der Machteliten, denn für den Journalisten präzisiert sie: "... gleichzeitig macht ihn die Abhängigkeit von vertraulichen Informationen selbst wiederum angreifbar ... wenn die Nähe zur Politik verschwörungstheoretisch aufgeladen zum medien- und demokratiekritischen Argument wird. Das ist die dilemmatische Grundstruktur des Vertraulichkeitskartells." (Ute Daniel S.381)

Ein Recht der Öffentlichkeit auf Information, Pflicht der Medien, die Demokratie transparenter zu machen? Bei Ute Daniel kein Thema, für sie besteht das Dilemma der vertraulich kungelnden Macht- und Medieneliten scheinbar vornehmlich darin, dass man ihnen auf die Schliche kommen könnte: Politische Gegner, Staatsanwälte oder, offenbar am schlimmsten, Medienkritiker. Denn Medienkritiker könnten die korrupten Beziehungen "verschwörungstheoretisch aufgeladen" verwenden. Wobei Ute Daniel implizit auch noch zu versuchen scheint, Medienkritik im Sinne der Demokratie mit "demokratiekritischen" (Lügenpresse-?) Schreihälsen in einen Topf zu werfen.